Der nächste Patient
Bund beschließt Hilfen für Stahlbranche
BERLIN (dpa) - Dumpingpreise, Überkapazitäten auf dem Weltmarkt, Umsatzeinbrüche durch Corona – und ein immens teurer Umbau der Produktion für den Klimaschutz: Die deutsche Stahlindustrie kämpft an mehreren Fronten. Es geht dabei um die Zukunft von noch rund 86 000 Beschäftigten und die Frage, ob eine Schlüsselindustrie in Deutschland gehalten werden kann. Das hat die Politik auf den Plan gerufen. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch nach langer Vorbereitung ein „Handlungskonzept Stahl“, um die Branche zu stützen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte in Berlin, der Stahl sei eine Schlüsselindustrie für die Volkswirtschaft. Es sei wichtig, nun zu handeln, damit die Stahlindustrie auch in 30 Jahren aus eigener Kraft wettbewerbsfähig und klimafreundlich in Deutschland produzieren könne.
Das mit der Branche erarbeitete Konzept zeigt Handlungsfelder auf, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und den Umbruch zu einer CO2-armen und schließlich CO2-freien Produktion zu bewerkstelligen – vor allem durch den Einsatz von sogenanntem grünen Wasserstoff, der mit Hilfe von Ökostrom gewonnen wird. Bisher gibt es dazu aber nur Pilotprojekte. Erst im Juni hatte die Bundesregierung eine Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet.
Bei wichtigen Fragen aber kann die Bundesregierung nicht alleine handeln, weil sie auf internationaler Ebene entschieden werden – vor allem, wenn es um Chancengleichheit auf den Weltmärkten geht. Eine vor allem von China getriebene Stahlschwemme setzt die Preise unter Druck. Altmaier sprach von „aggressiven“Marktpraktiken. Dazu kommen US-Schutzzölle, die den Export erschweren. Internationale Gespräche laufen längst, den Handelskonflikt konnten sie bisher nicht lösen.
Auf EU-Ebene will sich die Bundesregierung nun im Zuge der deutschen Ratspräsidentschaft dafür einsetzen, die Abwanderung von Unternehmen mit hohem Treibhausgasausstoß in Länder mit weniger strengen Umweltstandards und damit niedrigeren Kosten für die Produktion zu vermeiden.
Konkret nennt das Konzept eine kostenfreie Zuteilung von eigentlich kostenpflichtigen Emissionsrechten, eine „angemessene“Kompensation von CO2-bedingten Strompreissteigerungen für die Industrie – und ein „Grenzausgleich“für CO2-intensive Produkte beim Import in die EU aus Regionen ohne vergleichbare Klimaschutzvorgaben. Dieser Ausgleich – auch Klimazoll genannt – müsste aber konform sein mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO, darauf pocht gerade Deutschland.
Außerdem will sich die Bundesregierung in der EU für einen besseren Schutz vor Billigimporten einsetzen.