Unter Verdacht
Finanzaufsicht wirft Ex-Wirecard-Chef Insiderhandel vor
FRANKFURT/MAIN (dpa) - Wegen eines Aktienverkaufs kurz vor der Wirecard-Pleite steht der ehemalige Firmenchef Markus Braun im Verdacht des unerlaubten Insiderhandels. Dies bestätigte die deutsche Finanzaufsicht Bafin am Mittwoch. Man habe dies der Münchner Staatsanwaltschaft angezeigt, sagte eine Bafin-Sprecherin. Die Bafin steht ihrerseits unter wachsendem Druck der europäischen Behörden. Die Finanzmarktaufsicht Esma will den Fall genau untersuchen.
Wirecard hatte am 25. Juni nach einem Bilanzskandal Insolvenz angemeldet. Bei dem Verdacht gegen Braun geht es demnach um den Verkauf von Wirecard-Aktien im Volumen von 6,6 Millionen Euro am 24. Juni, also einen Tag vor dem Insolvenzantrag.
Braun war am 19. Juni zurückgetreten. Er war mit seiner MB Beteiligungsgesellschaft lange der größte Einzelaktionär des Unternehmens, verkaufte aber mit dem Kursabsturz infolge mutmaßlicher Luftbuchungen des Unternehmens nach und nach den größten Teil seiner Aktien – nach Stimmrechtsmitteilungen auch, um in Anspruch genommene Kredite zu bedienen.
Der Vorwurf sei völlig haltlos, sagte Brauns Anwalt Alfred Dierlamm der „Süddeutschen Zeitung“. „Zu den Einzelheiten werden wir uns ausschließlich gegenüber der Staatsanwaltschaft München äußern.“
Am 18. Juni hatte Wirecard öffentlich machen müssen, dass der Wirtschaftsprüfer EY für das Jahr 2019 das Testat verweigert hatte. Rund 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten lagen, waren nicht auffindbar. Braun stellte sich den Behörden, kam aber gegen Kaution wieder frei.
Die Bafin hatte die Konzerntochter Wirecard Bank beaufsichtigt, während der Wirecard-Konzern als Ganzes als Technologieunternehmen eingestuft wurde. Die EU-Kommission hatte die europäische Aufsicht Esma in Paris bis Mittwoch um eine Einschätzung des Falls gebeten. Die Esma reagierte auch fristgemäß, kündigte aber nun eine genauere Bewertung der Rolle der Bafin und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungswesen bis Ende Oktober an. Der Zusammenbruch von Wirecard habe das Vertrauen von Investoren in die Kapitalmärkte untergraben, erklärte die Esma.
Aus der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag geht hervor, dass die Bafin in den vergangenen Jahren mehrfach die Wirecard Bank im Rahmen sogenannter Sonderprüfungen nach dem Kreditwesengesetz geprüft hat. Darüber hatte zuvor der Branchendienst „FinanzSzene“berichtet. „Nach der Insolvenz der AG und dem Schaden vieler Anleger muss die Bafin ihre Prüfergebnisse gegenüber dem Bundestag offenlegen“, sagte der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz. Die BafinSprecherin sagte dazu: „Es handelte sich um Prüfungen ohne besonders schwerwiegende Feststellungen.“