Keine strahlende Heldin
Geradlinig erzählte Filmbiografie: „Marie Curie – Elemente des Lebens“
Filme wie „Hidden Figures“haben es sich in den letzten Jahren zur Aufgabe gemacht, die oft verschwiegene Rolle von Frauen in Wissenschaft und Forschung hervorzuheben. Marie Curie ist nun sicher keine Hintergrundfigur, vielmehr eine der berühmtesten Forscherinnen. Doch über das Leben der als Marie Skłodowska geborenen Warschauerin gibt es neben den bekannten Errungenschaften – Entdeckung der chemischen Elemente Polonium und Radium, gleich zwei Nobelpreise in Physik und Chemie – noch einiges zu erfahren.
Marjane Satrapi gelingt es in ihrer Filmbiografie, Curie nicht allein als strahlende Heldin, sondern als oft schroffe und zielstrebige Frau darzustellen, die mit den Vorurteilen ihrer Zeit zu kämpfen hat. Zum dritten Mal verfilmt die iranisch-französische Regisseurin hier eine Graphic Novel, nach „Persepolis“und „Huhn mit Pflaumen“– aber zum ersten Mal eine, die sie nicht selbst gezeichnet hat: „Radioactive: Marie & Pierre Curie: A Tale of Love and Fallout” von Lauren Redniss. Die gezeichnete Vorlage beeinflusst auch hier den Film, etwa wenn die Forschung in animierten Sequenzen dargestellt wird und die Atome tanzen.
Im Kern ist „Radioactive“, so der Originaltitel, der auf die Wortneuschöpfung von Madame Curie verweist, aber zunächst eine sehr geradlinige biografische Erzählung. Marie Skłodowska verliert als Kind ihre Mutter, wird als junge Forscherin in Warschau ausgebremst und zieht nach Paris. Doch auch dort stößt sie zunächst auf den Widerstand des rein männlichen Universitätsestablishments.
Nur Pierre Curie (Sam Riley) erkennt ihr Potenzial und wirbt beharrlich um ein gemeinsames Forschen – und schließlich auch Leben. Mit unermüdlichem Einsatze spürt das Paar die beiden neuen Elemente auf, von denen das erste, Polonium, nach der Heimat von Marie benannt wird.
Riley spielt seine Figur als liebevoll-aufrichtigen Forscher, für den es eine Selbstverständlichkeit ist, dass er den Nobelpreis für Physik nur gemeinsam mit seiner Frau annimmt – auch wenn er wegen deren Gesundheitszustands dann doch allein zur Verleihung fährt. Marie macht ihm deshalb nachträglich heftige Vorwürfe, und auch sonst verkörpert Rosamund Pike ihre Figur als Frau mit Ecken und Kanten. Als ihr nach dem frühen Unfalltod des Mannes dessen Professur an der Sorbonne angeboten wird, reagiert sie etwa mit einer Souveränität, die so manchen Nachwuchswissenschaftler
vor Neid erblassen lassen dürfte: Sie wolle die Professur zwar nicht, würde sie aber annehmen; ein weiteres Gespräch sei nicht nötig, schließlich spreche ihre Forschung für sich.
Auf größeren Widerstand stößt dagegen die Affäre der Witwe mit dem verheirateten Kollegen Paul Langevin (Aneurin Barnard), die in einer ausländerfeindlichen und antisemitischen Schmutzkampagne mündet. All diese Stationen werden solide, aber auch etwas gehetzt abgehandelt, nur gelegentlich erlaubt sich der Film amüsant-schaurige Details, etwa, wenn der einsetzende Hype um die Entdeckung bis hin zur radioaktiven Hautcreme gezeigt wird oder das Ehepaar die giftgrün strahlende Substanz im Wortsinne mit ins Bett nimmt. Weniger gelungen sind allerdings die Ausblicke auf die Folgen der Forschung des Ehepaars Curie von Krebstherapie bis Hiroshima und Tschernobyl, die sehr plakativ in Szene gesetzt werden. Lieber hätte man noch von weiteren Facetten dieser außergewöhnlichen Frau erfahren, etwa ihrer langjährigen Arbeit für den Völkerbund.
Marie Curie – Elemente des Lebens. Regie: Marjane Satrapi. Mit Rosamund Pike, Sam Riley, Aneurin Barnard. Großbritannien 2019. 109 Minuten. FSK ab 12.