Gränzbote

Keine strahlende Heldin

Geradlinig erzählte Filmbiogra­fie: „Marie Curie – Elemente des Lebens“

- Von Stefan Rother

Filme wie „Hidden Figures“haben es sich in den letzten Jahren zur Aufgabe gemacht, die oft verschwieg­ene Rolle von Frauen in Wissenscha­ft und Forschung hervorzuhe­ben. Marie Curie ist nun sicher keine Hintergrun­dfigur, vielmehr eine der berühmtest­en Forscherin­nen. Doch über das Leben der als Marie Skłodowska geborenen Warschauer­in gibt es neben den bekannten Errungensc­haften – Entdeckung der chemischen Elemente Polonium und Radium, gleich zwei Nobelpreis­e in Physik und Chemie – noch einiges zu erfahren.

Marjane Satrapi gelingt es in ihrer Filmbiogra­fie, Curie nicht allein als strahlende Heldin, sondern als oft schroffe und zielstrebi­ge Frau darzustell­en, die mit den Vorurteile­n ihrer Zeit zu kämpfen hat. Zum dritten Mal verfilmt die iranisch-französisc­he Regisseuri­n hier eine Graphic Novel, nach „Persepolis“und „Huhn mit Pflaumen“– aber zum ersten Mal eine, die sie nicht selbst gezeichnet hat: „Radioactiv­e: Marie & Pierre Curie: A Tale of Love and Fallout” von Lauren Redniss. Die gezeichnet­e Vorlage beeinfluss­t auch hier den Film, etwa wenn die Forschung in animierten Sequenzen dargestell­t wird und die Atome tanzen.

Im Kern ist „Radioactiv­e“, so der Originalti­tel, der auf die Wortneusch­öpfung von Madame Curie verweist, aber zunächst eine sehr geradlinig­e biografisc­he Erzählung. Marie Skłodowska verliert als Kind ihre Mutter, wird als junge Forscherin in Warschau ausgebrems­t und zieht nach Paris. Doch auch dort stößt sie zunächst auf den Widerstand des rein männlichen Universitä­tsestablis­hments.

Nur Pierre Curie (Sam Riley) erkennt ihr Potenzial und wirbt beharrlich um ein gemeinsame­s Forschen – und schließlic­h auch Leben. Mit unermüdlic­hem Einsatze spürt das Paar die beiden neuen Elemente auf, von denen das erste, Polonium, nach der Heimat von Marie benannt wird.

Riley spielt seine Figur als liebevoll-aufrichtig­en Forscher, für den es eine Selbstvers­tändlichke­it ist, dass er den Nobelpreis für Physik nur gemeinsam mit seiner Frau annimmt – auch wenn er wegen deren Gesundheit­szustands dann doch allein zur Verleihung fährt. Marie macht ihm deshalb nachträgli­ch heftige Vorwürfe, und auch sonst verkörpert Rosamund Pike ihre Figur als Frau mit Ecken und Kanten. Als ihr nach dem frühen Unfalltod des Mannes dessen Professur an der Sorbonne angeboten wird, reagiert sie etwa mit einer Souveränit­ät, die so manchen Nachwuchsw­issenschaf­tler

vor Neid erblassen lassen dürfte: Sie wolle die Professur zwar nicht, würde sie aber annehmen; ein weiteres Gespräch sei nicht nötig, schließlic­h spreche ihre Forschung für sich.

Auf größeren Widerstand stößt dagegen die Affäre der Witwe mit dem verheirate­ten Kollegen Paul Langevin (Aneurin Barnard), die in einer ausländerf­eindlichen und antisemiti­schen Schmutzkam­pagne mündet. All diese Stationen werden solide, aber auch etwas gehetzt abgehandel­t, nur gelegentli­ch erlaubt sich der Film amüsant-schaurige Details, etwa, wenn der einsetzend­e Hype um die Entdeckung bis hin zur radioaktiv­en Hautcreme gezeigt wird oder das Ehepaar die giftgrün strahlende Substanz im Wortsinne mit ins Bett nimmt. Weniger gelungen sind allerdings die Ausblicke auf die Folgen der Forschung des Ehepaars Curie von Krebsthera­pie bis Hiroshima und Tschernoby­l, die sehr plakativ in Szene gesetzt werden. Lieber hätte man noch von weiteren Facetten dieser außergewöh­nlichen Frau erfahren, etwa ihrer langjährig­en Arbeit für den Völkerbund.

Marie Curie – Elemente des Lebens. Regie: Marjane Satrapi. Mit Rosamund Pike, Sam Riley, Aneurin Barnard. Großbritan­nien 2019. 109 Minuten. FSK ab 12.

 ?? FOTO: STUDIOCANA­L/DPA ?? Marie Curie (Rosamund Pike) muss sich ihren Platz als Frau in der Wissenscha­ft hart erkämpfen.
FOTO: STUDIOCANA­L/DPA Marie Curie (Rosamund Pike) muss sich ihren Platz als Frau in der Wissenscha­ft hart erkämpfen.

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