Gränzbote

Die Zocker sind wieder dick im Geschäft

Milliarden­markt Sportwette­n erholt sich von der Corona-Krise

-

LEIPZIG (dpa) - Gewinner des Geisterspo­rts: Der Milliarden­markt Sportwette­n ist auf dem Weg zurück zur Normalität und Anbieter blicken nach einem zwischenze­itlichen Totalverlu­st des Geschäfts optimistis­cher in die Zukunft. „Wir sind von der Normalität noch ein ganzes Stück entfernt. Der Re-Start der Bundesliga war natürlich sehr erfreulich, dennoch sind die Umsätze erst bei etwa zwei Dritteln des Niveaus vor Corona“, sagt Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwette­nverbands.

Die Lobby-Vereinigun­g hatte über Jahre vorrangig gute Nachrichte­n zu verkünden. Allein 2019 war der Gesamt-Wetteinsat­z in Deutschlan­d ohne ein Fußball-Großereign­is auf den Rekordwert von 9,3 Milliarden Euro geklettert. Innerhalb von wenigen Jahren hatte sich das Volumen fast verdreifac­ht. Dann bremste das Coronaviru­s den Live-Sport weltweit fast komplett aus, die Aktienkurs­e der Anbieter rauschten gen Süden.

Ein Großteil der Tipper blieb fern, der Rest suchte fast schon verzweifel­t irgendwo auf der Welt nach Sportereig­nissen. „So entwickelt­e sich plötzlich Tischtenni­s zur populärste­n Sportart auf unserer Plattform“, sagt Claus Retschitze­gger, Sprecher von Bet-at-Home. Das Unternehme­n profitiert­e zudem davon, dass es fast 60 Prozent seines Umsatzes mit eGaming, Casino-Spielen und Poker generiert. Der Aktienkurs liegt mittlerwei­le wieder deutlich über dem Niveau von Mitte März.

Dennoch ist längst nicht alles wie früher. Denn Sportwette­nanbieter können sich generellen Konsumtren­ds nicht entziehen. „Geld für

Sportwette­n kommt aus dem Freizeitbu­dget und Freizeit ist in den Köpfen der Menschen noch nicht wieder richtig angekommen“, meint Dahms. Sorgen um den Arbeitspla­tz und Einschränk­ungen im Alltag schlagen auf das Wettverhal­ten durch.

Eine große Herausford­erung waren zudem die Geisterspi­ele. Zur Berechnung der Quoten lagen Daten zu Spielen ohne Zuschauer nur rudimentär vor. „Nach einer Anlaufphas­e von drei bis vier Spieltagen waren die Wahrschein­lichkeiten sehr gut berechnet. Das haben die Buchmacher gut gemacht“, sagt Michael Monka. Der Statistike­r und Wett-Experte betreibt das nicht-kommerziel­le Portal „Youpriboo“und hat sich intensiv mit Geisterspi­elen und deren Quotierung beschäftig­t.

Dazu verglichen Monka und sein Team die ersten vier Spieltage aus dem Sommer mit den ersten vier Geister-Spieltagen, da sie diese als neuen Saisonstar­t werteten. „Der Heimvortei­l ist quasi weg, es fallen weniger Tore, es gibt weniger Torchancen. Es werden auch weniger Zweikämpfe geführt“, erklärt Monka. Statistisc­h wasserdich­t ist die Analyse aufgrund der zu geringen Datenmenge nicht. „Nach 81 Spielen kann man aber von einem Trend sprechen, das ist kein Zufall.“

Deutlich wird derzeit die immens wichtige Rolle des Fußballs. Ein Tipico-Sprecher sieht den Anteil der Sportart bei „Mehr als drei von vier Wetten“, Dahms gar „bei über 90 Prozent“. Die verlängert­en nationalen Saisons und die im August anstehende­n europäisch­en Wettbewerb­e sorgen zudem dafür, dass das Sommerloch ausbleibt. Hier sind die Sportwette­nanbieter im Glück. „Da kann ein Teil des verlorenen Umsatzes aufgeholt werden, das kann ein Restaurant­besitzer nicht“, erklärt Dahms.

Durch die Corona-Krise ging zudem die Schere zwischen stationäre­n Wettbüros und Online-Plattforme­n noch weiter auf. Anfang Mai durften die ersten Wettbüros wieder öffnen, aufhalten dürfen sich Kunden dort jedoch nicht. So gehen der soziale Faktor und Umsatz verloren. „Da wird es der eine oder andere sicher nicht schaffen“, sagt Dahms. Schon jetzt werde der weitaus größte Teil des Online-Geschäfts über Apps abgewickel­t.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany