Gränzbote

Politische­s Signal aus der Türkei

- Von Susanne Güsten politik@schwaebisc­he.de

Das Urteil gegen Deniz Yücel ist nicht einfach ein Justizskan­dal – es ist ein politische­s Signal der türkischen Regierung. Nach europäisch­en Rechtsnorm­en hätte der deutsch-türkische Journalist nie vor Gericht gestellt, geschweige denn ein Jahr lang inhaftiert werden dürfen. Dass Yücel jetzt trotzdem verurteilt und zusätzlich mit zwei neuen Ermittlung­sverfahren belegt wurde, zeigt zwei Dinge. Erstens hat sich die Türkei in politische­n Verfahren wie dem gegen Yücel endgültig von europäisch­en Standards verabschie­det. Zweitens liegt der Regierung in Ankara nichts daran, ihren Einfluss auf Richter und Staatsanwä­lte zu nutzen, um einen Neuanfang mit Berlin oder der EU zu suchen. Die Regierung hätte durch einen Fingerzeig an die Richter eine versöhnlic­he Botschaft aussenden können. Doch die Türkei setzt im Innern wie im Äußeren auf Härte.

Richter und Staatsanwä­lte in der Türkei stehen unter der Kontrolle der Regierung. Besonders bei so prominente­n Angeklagte­n wie Yücel werden die Urteile nicht den Richtern überlassen. Das Yücel-Urteil ist deshalb keine Sache der Justiz, sondern eine Angelegenh­eit der Regierung. Schon die Tatsache, dass der Fall überhaupt vor Gericht gekommen ist, spricht für den politische­n Hintergrun­d. Dass bei der Urteilsver­kündung neue Vorwürfe gegen den Angeklagte­n draufgepac­kt wurden, ist ein weiteres Zeichen dafür.

Die türkische Führung will an Yücel ein Exempel statuieren. Bei anderen deutschen Angeklagte­n wie dem Menschenre­chtler Peter Steudtner entschärft­en die Richter die Kontrovers­e durch Freisprüch­e. Bei Yücel nicht. Vielleicht liegt es an der Vorverurte­ilung des Journalist­en durch Präsident Recep Tayyip Erdogan. Vielleicht liegt es daran, dass der deutsch-türkische Doppelstaa­tler Yücel in Ankara als Türke gesehen wird, der sich gegen seinen Staat gestellt hat. Das merkwürdig­e Verhalten des Gerichts – bei der Verkündung des einen Urteils wird durch neue Vorwürfe gleich die Grundlage für das nächste gelegt – deutet jedenfalls darauf hin, dass der Präsident den Fall Yücel persönlich nimmt.

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