Noch mehr Ärger um die Pipeline
Bundesregierung empört über die von den USA angekündigte Sanktionen
BERLIN - Das Gerangel um die Erdgas-Pipelines Nord Stream 2 und Turk Stream markiert einen neuen Tiefpunkt in den Beziehungen Europas zu den USA. Die Bundesregierung hat empört auf die Ankündigung der USA reagiert, weitere Sanktionen gegen Beteiligte am Bau der Nord-Stream-2-Pipeline von Russland nach Deutschland zu verhängen. „Mit ihren Ankündigungen von Maßnahmen, die auch europäische Unternehmen mit Sanktionen bedrohen, missachtet die US-Regierung das Recht und die Souveränität Europas, selbst zu entscheiden, wo und wie wir unsere Energie beziehen“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). „Die europäische Energiepolitik wird in Europa gemacht und nicht in Washington. Extraterritoriale Sanktionen lehnen wir klar ab.“
Auch das transatlantische Verhältnis leide darunter, machte Maas klar. „Sich unter Partnern mit Sanktionen zu belegen, halten wir für falsch.“Stattdessen müsse man an einem Strang ziehen, was Sanktionen gegen Russland betreffe. „Dieses Bemühen wird durch die heutige USEntscheidung noch schwieriger.“
US-Außenminister Mike Pompeo hatte am Mittwoch bekannt gegeben, ein US-Gesetz zu erweitern, mit dem „Amerikas Widersacher durch Sanktionen“entgegengewirkt werden soll. Demnach wird künftig die Beteiligung an Pipelines, deren Bau vor dem 2. August 2017 begonnen wurde, mit Sanktionen belegt. Ausdrücklich genannt werden dabei Nord Stream 2 sowie Turk Stream, die von Russland über die Türkei nach Europa führen soll. Im Visier sind Personen, die sich ab sofort an der Finanzierung, dem
Bau, der Röhrenverlegung oder Dienstleistungen dafür beteiligen. „Beihilfe zu den Projekten eines schädlichen russischen Einflusses werden nicht toleriert“, sagte Pompeo. Doch geht es den USA weniger um das Wohl Europas als mehr um Eigeninteressen: Sie wollen den Absatz von US-Produkten wie Flüssiggas in Europa sichern, für dessen Entladung vor der polnischen Küste bereits Terminals gebaut werden.
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour nennt das NordStream-2-Projekt einen „Riesenfehler, aus ökologischen, europapolitischen und ökonomischen Gründen“. Das Vorgehen der USA hält er dennoch für falsch. „Hier werden Freunde mit Sanktionen überzogen und behandelt wie Schurkenstaaten“, sagte er. „Das ist inakzeptabel.“Er wünsche sich von der Bundesregierung
eine scharfe Reaktion. Letztlich müssten solche Sanktionen auch auf europäischer Ebene angesprochen werden. Die AfD forderte Einfuhrzölle für amerikanisches FrackingGas. „Auch Einreisesperren für die Verantwortlichen sind zu prüfen“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Steffen Kotré.
Auch die Wirtschaft protestierte heftig. Von einem „unfassbaren Tiefpunkt in den transatlantischen Beziehungen“sprach der Chef des OstAusschusses der deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes. „Quasi über Nacht und ohne Konsultationen mit europäischen Verbündeten werden bestehende Ausnahmeregelungen gekippt und rund 120 Unternehmen aus zwölf europäischen Ländern unmittelbar mit US-Sanktionen bedroht.“Es seien Investitionen von zwölf Milliarden Euro gefährdet.