Nah am Wasser gebaut
Der Achensee ist zum Spielplatz für alle Sportbegeisterten in Tirol geworden
Den See, man sieht ihn von überall. Renate Moser hat ihn im Blick, wenn sie vor den Stall tritt, auf der Dalfazalm auf 1700 Metern Seehöhe. Fast 800 Meter tiefer glitzert das Wasser des Achensees an diesem Morgen in der Sonne, die ersten Wanderer nehmen gerade die letzten Meter des Aufstiegs in Angriff. Moser, Almbäuerin und Wirtin, genießt die Aussicht, auch wenn sie sich eigentlich um 90 Rinder kümmern muss, und um die Gäste natürlich. „Die Zeit muss man sich einfach nehmen“, sagt sie, schwingt sich auf eine der Holzbänke direkt am Geländer der Aussichtsterrasse und blickt auf die Berge des Karwendel hinüber. „Unter der Woche geht’s schon noch, da ist noch Zeit zum Niederhocken“, sagt sie.
Am Wochenende, da kommen die Wanderer – entweder den leichten Weg, direkt herüber von der Bergstation der Rofan-Seilbahn bei Maurach. Das dauert etwa eine Stunde. Oder über die Gipfel der Rofangruppe. „Da muss man halbwegs trittfest sein“, sagt die Almbäuerin, die den Wanderern dann Kaspressknödelsuppe oder Kaiserschmarrn zubereitet. Von hier oben und bei schönem Wetter sieht Tirols größter See zwischen Rofan- und Karwendelgebirge friedlich aus. Doch er kann auch anders. Wenn dunkle Wolken zwischen den Bergen hängen und der Wind auffrischt, fühlen sich Besucher eher an einen Fjord in Norwegen erinnert.
„Der See kann aufbrausend sein“, bestätigt Daniela Neuhauser. Die Tirolerin ist Kapitänin auf der MS Tirol und Chefin der Achensee-Schifffahrt. „Die An- und Ablegemanöver sind eine große Herausforderung, die Winde tückisch“, berichtet die Kapitänin. „Aber damit wachsen wir auf.“Neuhauser kommt aus Maurach, der Gemeinde am südlichen Seeufer. „Der See“, sagt die Kapitänin, „ist mein Freund. Zu dem habe ich eine wahnsinnige Verbindung.“Schon als Kind hat sie Steine auf dem Wasser springen lassen, jetzt leitet sie die Achensee-Flotte mit vier Schiffen. „Die größte Schifffahrt in Österreich“, wie sie stolz betont.
85 Mitarbeiter auf vier Schiffen transportieren die Besucher über den See, ein fünftes Schiff, die St. Benedikt, wurde 2016 ausrangiert und hat eine neue Bestimmung gefunden, als Hauptattraktion des Abenteuerspielplatzes in Maurach, direkt vor dem im Juli 2018 neu eröffneten Sport- und Freizeitzentrum „Atoll“. Wo früher Kapitänin Neuhauser am Steuer stand, turnen nun Kinder übers Deck und durchs Führerhaus. Die anderen Schiffe pendeln in der Hauptsaison im Stundentakt über den See. Sechs Anlegepunkte steuern sie an. In Seespitz bei Maurach, am Südufer, nehmen die Schiffe Fahrgäste der Achenseebahn auf. Die dampfgetriebene Zahnradbahn beginnt in Jenbach unten im Inntal, und arbeitet sich dann ächzend und schnaubend über sieben Kilometer und 440 Höhenmeter hinauf zum Achensee. Nach dem Umstieg aufs Schiff am Seespitz bringen Kapitänin Neuhauser und ihre Kollegen die Ausflügler dann in die Urlaubsorte Pertisau und Achenkirch.
Viele Wanderer verlassen das Schiff aber auch an der Gaisalm, idyllisch gelegen an einem kleinen flachen Küstenabschnitt zwischen den ansonsten schroff in den See abfallenden Karwendelhängen. Die Alm mit der namensgebenden geschnitzten Holzgais vor dem Haus, heute ein Ausflugslokal mit Spielplatz, ist nur per Schiff erreichbar. Oder zu Fuß. Die Ostseite ist das wilde Ufer des Sees. Der Abschnitt zwischen Pertisau und Achenkirch, mit der Gaisalm in der Mitte, ist nur über einen schmalen Wanderweg erschlossen, der sich malerisch einige Meter über Seehöhe die Felsen entlangwindet. Dies ist der landschaftliche Höhepunkt des Achenseelaufs, bei dem jährlich im September Hunderte Sportler den See auf einem gut 23 Kilometer langen Kurs umrunden. Die Läufer profitieren von einer Besonderheit des Achensees: Anders als bei vielen anderen Gewässern führen die Wege rund um den See direkt am Ufer entlang, keine Privatgrundstücke,
keine abgesperrten Bereiche drängen Spaziergänger in die zweite Reihe. Deswegen gibt es auch überall kleine Badestellen, die sich für eine Erfrischung nutzen lassen – vorausgesetzt, die eher kühlen Temperaturen des Bergsees schrecken nicht ab.
Überhaupt ist der See so etwas wie der Spielplatz für alle Sportbegeisterten in Tirol, die TourismusVerantwortlichen haben die Region zum „Sport & Vitalpark“ernannt. Alles was draußen stattfindet, lässt sich machen, fast immer mit dem See im Blick: Wandern, Radeln, Klettern und Bergsteigen sowieso, aber auch Gleitschirm fliegen, Reiten oder Segeln. „Mir würde jetzt gerade nichts einfallen, was man nicht machen kann“, hatte schon Christine Hauser gesagt, die Leiterin des Informationszentrums in Maurach.
Man kann aber auch nur zuschauen: Auf halber Strecke von der Dalfazalm hinab ins Tal, sollten Wanderer beim Dalfazer Wasserfall eine Pause einlegen. Holzliegen stehen auf einer Aussichtsplattform bereit, den Wasserfall hat man von hier aus bestens im Blick. Aber nicht nur den: Rechts neben dem Wasser führt ein Klettersteig die senkrechte Wand hinauf. Auf den Liegen ruhen Wanderer aus und sehen den Kletterern dabei zu, wie die sich ihren Weg nach oben erarbeiten. Es hat ja niemand gesagt, dass man immer selbst derjenige sein muss, der sich anstrengt.
Weitere Informationen unter www.achensee.com
Die Recherche wurde unterstützt von Achensee Tourismus.