Gränzbote

Tiefe Gräben bei historisch­em EU-Gipfel

Regierungs­chefs verhandeln über Billionen-Plan – Merkel ruft zu Kompromiss auf

-

BRÜSSEL (dpa) - In der Corona-Krise haben die EU-Staaten bei einem Sondergipf­el versucht, ein historisch­es Finanzpake­t in Billionenh­öhe unter Dach und Fach zu bringen. Die Unterschie­de seien jedoch „noch sehr, sehr groß“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Freitag zum Auftakt des zweitägige­n Treffens in Brüssel. Verhandelt wurde dann den ganzen Tag in großer Runde aller 27 Staaten über ein 750 Milliarden schweres Programm für den wirtschaft­lichen Wiederaufb­au sowie den gemeinsame­n Haushalt für die nächsten sieben Jahre.

EU-Ratschef Charles Michel hob gleich zu Beginn des Gipfels die größten Streitpunk­te aufs Programm. Stundenlan­g ging es um die Frage der Rabatte für große Beitragsza­hler zum

EU-Haushalt, um den Umfang des Plans zur wirtschaft­lichen Erholung und um die Bedingunge­n für Krisenhilf­en, wie es aus EU-Kreisen hieß. Bei all diesen Themen lagen die 27 EU-Staaten noch weit auseinande­r. Am frühen Abend unterbrach Michel die Runde, um in kleineren Formaten weiterzuma­chen.

Merkel rief ihre Kollegen dazu auf, aufeinande­r zuzugehen. Es bedürfe „wirklich großer Kompromiss­bereitscha­ft aller, damit wir etwas hinbekomme­n, was für Europa gut ist“. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sprach vom Moment der Wahrheit und forderte Solidaritä­t und Engagement. „Die nächsten Stunden werden absolut entscheide­nd sein“, sagte Macron. Für 2020 wird ein Einbruch der EU-Wirtschaft um 8,3 Prozent befürchtet. Bei dem Sondergipf­el geht es um den Vorschlag, 750 Milliarden Euro an den Finanzmärk­ten aufzunehme­n und das Geld dann in ein Konjunktur­und Investitio­nsprogramm zur Bewältigun­g der Wirtschaft­skrise zu stecken. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse an Krisenstaa­ten fließen und 250 Milliarden als Kredite. Verhandelt wird dies im Paket mit dem nächsten siebenjähr­igen EU-Finanzrahm­en, der noch einmal mehr als 1000 Milliarden Euro umfassen soll.

Die von der Pandemie besonders hart getroffene­n Länder wie Italien und Spanien würden am meisten profitiere­n. Sie dringen auf eine rasche Einigung. Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte sagte, ein

Kompromiss sei nicht nur im Interesse der Italiener, „die viel gelitten haben und leiden, sondern im Interesse aller europäisch­en Bürger“. Sein spanischer Kollege Pedro Sanchez sprach von einem historisch­en Gipfel.

Umstritten sind jedoch nicht nur die Summen, sondern auch das Prinzip der Zuschüsse, die Maßstäbe zur Verteilung und die Kontrolle der Verwendung. Bedenken haben vor allem die sogenannte­n Sparsamen Vier, nämlich Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederland­e. Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz sprach ebenfalls von großen Differenze­n, aber: „Ich glaube, es ist nichts unüberwind­bar. Wenn man möchte, ist das möglich, eine Lösung zu finden.“

BRÜSSEL (dpa) - Nach dem dramatisch­en Wirtschaft­seinbruch in der Corona-Krise haben die EU-Staaten am Freitag versucht, ein Finanzpake­t in Billionenh­öhe zu schnüren. Nach zähen Verhandlun­gen hieß es beim Sondergipf­el in Brüssel am Abend, zumindest sei die Chance auf Einigung gewahrt. Näher sei man ihr aber auch nicht gekommen, sagte der tschechisc­he Ministerpr­äsident Andrej Babis.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte zuvor gewarnt, die Positionen der 27 Staaten lägen sehr weit auseinande­r und ein Durchbruch bei dem zweitägige­n Treffen sei nicht sicher. Es war das erste persönlich­e Gipfeltref­fen seit fünf Monaten. Merkel hat in den Verhandlun­gen eine Vermittler­rolle, denn Deutschlan­d führt seit dem 1. Juli den Vorsitz der 27 EU-Länder. Beim Gipfel feierte die CDU-Politikeri­n am Freitag ihren 66. Geburtstag.

Verhandelt wurde der Vorschlag für ein 750 Milliarden schweres Programm zum wirtschaft­lichen Wiederaufb­au sowie für den nächsten siebenjähr­igen EU-Haushaltsr­ahmen von 1074 Milliarden. EU-Ratschef Charles Michel hob gleich zu Beginn des Gipfels die kniffligst­en Streitpunk­te aufs Programm.

Stundenlan­g ging es um den Umfang beider Programme, den Streit um Rabatte für große Beitragsza­hler zum EU-Haushalt und um die Bedingunge­n für Krisenhilf­en, wie es aus EU-Kreisen hieß. Anschließe­nd wurden drei weitere Knackpunkt­e debattiert: die Aufteilung der Hilfsgelde­r, neue Geldquelle­n für den EU-Haushalt wie Steuern oder Abgaben sowie die Koppelung von EU-Geldern an die Einhaltung der Rechtsstaa­tlichkeit.

Bei all diesen Themen lagen die 27 EU-Staaten weit auseinande­r. Es sei nichts grundsätzl­ich Neues gesagt worden, hieß es von mehreren Teilnehmer­n. Dennoch sei die Diskussion offen und nützlich gewesen. Ratschef Michel beriet sich auch in diversen kleinen Runden, auch mit Merkel. Es wurde erwartet, dass er je nach Stand der Debatte Änderungen am Verhandlun­gspaket vorschlage­n werde. Auf der Basis könnte dann am Samstag weiter gesprochen werden. Schon bei der Ankunft rief Merkel ihre Kollegen dazu auf, aufeinande­r zuzugehen. Es bedürfe „wirklich großer Kompromiss­bereitscha­ft aller, damit wir etwas hinbekomme­n, was für Europa gut ist“. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sprach vom Augenblick der Wahrheit und forderte Solidaritä­t und Engagement.

Für 2020 wird ein Einbruch der EU-Wirtschaft um 8,3 Prozent befürchtet. Mit dem 750-Milliarden­Programm soll gegengeste­uert werden. Das Geld soll im Namen der EU an den Finanzmärk­ten aufgenomme­n werden. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse an Krisenstaa­ten fließen und 250 Milliarden als Kredite. Die von der Pandemie besonders hart getroffene­n Länder wie Italien und Spanien würden am meisten profitiere­n. Sie dringen auf eine rasche Einigung. Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte sagte, ein Kompromiss sei nicht nur im Interesse der Italiener, „die viel gelitten haben und leiden, sondern im Interesse aller europäisch­en Bürger“.

Bedenken haben vor allem die sogenannte­n „Sparsamen Vier“, nämlich Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederland­e. Der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte baute hohe Hürden auf. Er verlangte, dass Empfänger Reformen vor der Auszahlung der EU-Hilfen nicht nur zusagen, sondern bereits umgesetzt haben. Dafür müsse es eine „absolute Garantie“geben. Dabei will Rutte jedem Land ein Vetorecht geben. Mit dieser Position sei Rutte beim Gipfel aber ziemlich alleine gewesen, hieß es aus verschiede­nen Quellen.

Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz sprach ebenfalls von großen Differenze­n, aber: „Ich glaube, es ist nichts unüberwind­bar. Wenn man möchte, ist das möglich, eine Lösung zu finden.“Die Dinge hätten sich für Österreich zuletzt in die richtige Richtung bewegt. Auch Kurz betonte: „Wenn das Geld nicht in Zukunftsin­vestitione­n verwendet wird, wenn es nicht auch Hand in Hand geht mit notwendige­n Reformen in Staaten, die schlicht und ergreifend in ihren Systemen kaputt sind oder zumindest große Probleme haben, dann wird all das verpuffen.“

Neben den „Sparsamen Vier“haben auch andere Länder Vorbehalte. Der tschechisc­he Premier Babis sagte, die Ansichten zur Höhe des Corona-Hilfspaket­s seien völlig verschiede­n. „Bislang habe ich nicht das Gefühl, dass wir uns einer Einigung nähern.“Polens Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki lehnte den Vorschlag ab, EU-Gelder mit Klimaziele­n oder Auflagen zur Rechtsstaa­tlichkeit zu verknüpfen.

 ?? FOTO: FRANCOIS LENOIR/DPA ?? Bei dem Sondergipf­el in Brüssel geht es um den Vorschlag der EU-Kommission, 750 Milliarden Euro in ein Konjunktur- und Investitio­nsprogramm zur Bewältigun­g der Corona-Wirtschaft­skrise zu stecken.
FOTO: FRANCOIS LENOIR/DPA Bei dem Sondergipf­el in Brüssel geht es um den Vorschlag der EU-Kommission, 750 Milliarden Euro in ein Konjunktur- und Investitio­nsprogramm zur Bewältigun­g der Corona-Wirtschaft­skrise zu stecken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany