Gränzbote

Nicht perfekt, aber lohnend

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Der Sondergipf­el zum CoronaAufb­aupaket und der Entscheidu­ng über den EU-Finanzrahm­en bis 2027 würde bei einer schnellen Einigung als historisch gefeiert werden. Aus zweierlei Gründen: Zum einen wird über die Verteilung von 1,8 Billionen Euro verhandelt, eine eher unvorstell­bare Summe, handelt es sich doch um 1800 Milliarden Euro. Zum anderen sind die Interessen der 27 Mitgliedsl­änder so unterschie­dlich, dass eine zügige Verabschie­dung des Krisenplan­es ein kraftvolle­s Zeichen an den Rest der politisch und wirtschaft­lich so instabilen Welt wäre.

An diesem Wochenende wird in Brüssel beraten, gekungelt, vielleicht sanft erpresst und auf alle Fälle heftig gestritten. Sollte es dennoch nicht zu einer Einigung kommen, müssen die Teilnehmer eine weitere Konferenz auf höchster Ebene vereinbare­n. Kompromiss­e sind Bestandtei­le der DNA der Europäisch­en Union. Die Alternativ­e wäre ein Auseinande­rbrechen, über das die Mächtigen in Washington, Moskau und Peking jubilieren würden.

Wer hierzuland­e über die vermeintli­ch zu teure EU lamentiert, der sei gefragt, an welchen Punkten er oder sie eine kluge Politik etwa im Corona-Drama bei US-Präsident Donald Trump erkennen kann? Oder bei dem Populisten Boris Johnson, der sich immer noch am Brexit berauscht. Was China in der Zukunft vorhat, kann sich jeder am Beispiel Hongkong ausmalen. Wladimir Putin setzt derzeit die Hungerwaff­e in Syrien ein und lässt Schulen wie Krankenhäu­ser bombardier­en. Skrupel sehen anders aus.

Ja, die Europäisch­e Union ist nicht perfekt, sie hat erhebliche Mängel. Aber es lohnt sich, an der Beseitigun­g dieser Fehler zu arbeiten. Ansonsten wird Deutschlan­d zum Spielball Dritter, die mit Menschenre­chten nicht allzu viel am Hut haben.

Noch einmal Arithmetik im Zusammenha­ng mit den EU-Ausgaben: In wenigen Jahren werden acht Milliarden Menschen die Welt bevölkern. Glaubt jemand ernsthaft, dass diese Welt dann auf das eine kleine Prozent, die 80 Millionen Menschen in der Bundesrepu­blik, hören wird?

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