Nicht perfekt, aber lohnend
Der Sondergipfel zum CoronaAufbaupaket und der Entscheidung über den EU-Finanzrahmen bis 2027 würde bei einer schnellen Einigung als historisch gefeiert werden. Aus zweierlei Gründen: Zum einen wird über die Verteilung von 1,8 Billionen Euro verhandelt, eine eher unvorstellbare Summe, handelt es sich doch um 1800 Milliarden Euro. Zum anderen sind die Interessen der 27 Mitgliedsländer so unterschiedlich, dass eine zügige Verabschiedung des Krisenplanes ein kraftvolles Zeichen an den Rest der politisch und wirtschaftlich so instabilen Welt wäre.
An diesem Wochenende wird in Brüssel beraten, gekungelt, vielleicht sanft erpresst und auf alle Fälle heftig gestritten. Sollte es dennoch nicht zu einer Einigung kommen, müssen die Teilnehmer eine weitere Konferenz auf höchster Ebene vereinbaren. Kompromisse sind Bestandteile der DNA der Europäischen Union. Die Alternative wäre ein Auseinanderbrechen, über das die Mächtigen in Washington, Moskau und Peking jubilieren würden.
Wer hierzulande über die vermeintlich zu teure EU lamentiert, der sei gefragt, an welchen Punkten er oder sie eine kluge Politik etwa im Corona-Drama bei US-Präsident Donald Trump erkennen kann? Oder bei dem Populisten Boris Johnson, der sich immer noch am Brexit berauscht. Was China in der Zukunft vorhat, kann sich jeder am Beispiel Hongkong ausmalen. Wladimir Putin setzt derzeit die Hungerwaffe in Syrien ein und lässt Schulen wie Krankenhäuser bombardieren. Skrupel sehen anders aus.
Ja, die Europäische Union ist nicht perfekt, sie hat erhebliche Mängel. Aber es lohnt sich, an der Beseitigung dieser Fehler zu arbeiten. Ansonsten wird Deutschland zum Spielball Dritter, die mit Menschenrechten nicht allzu viel am Hut haben.
Noch einmal Arithmetik im Zusammenhang mit den EU-Ausgaben: In wenigen Jahren werden acht Milliarden Menschen die Welt bevölkern. Glaubt jemand ernsthaft, dass diese Welt dann auf das eine kleine Prozent, die 80 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, hören wird?