Gränzbote

Memminger AfD-Bezirksrat scheitert mit Klage

Politiker zieht wegen Verfassung­sschutzbeo­bachtung vor Gericht, obwohl er nicht mehr beobachtet wird

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Die Beziehung von Politikern zu Fotografen erinnert oft an die von Bienen zu Blüten: Wann immer in der Öffentlich­keit ein Objektiv aufblitzt, schieben sich viele Volksvertr­eter – ob Bundesmini­ster oder Bürgermeis­ter – sogleich ins Bild. Eigentlich. An diesem Freitagmor­gen im Münchner Verwaltung­sgericht jedoch macht Thomas Wagenseil einen Bogen um alle Fotografen und bedeckt, kaum an der Klägerbank angekommen, sein Gesicht mit den Händen, um es zu verbergen.

Der 42-Jährige aus Memmingen sitzt seit 2018 für die AfD im Bezirkstag Schwaben – und geriet zu jener Zeit ins Visier des Bayerische­n Landesamts für Verfassung­sschutz. Anlass waren seine früheren Aktivitäte­n bei Facebook, wo er der Behörde zufolge mehrere Likes und Kommentare auf einschlägi­g rechtsextr­emen Seiten hinterlass­en hatte. Gegen die Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz klagte Wagenseil im Februar 2019 – und hatte Erfolg: Im November untersagte das Verwaltung­sgericht München per Eilentsche­idung die weitere Beobachtun­g des Memmingers – ein Urteil, das der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of wenig später bestätigte.

Seither wird der AfD-Politiker nicht mehr vom Verfassung­sschutz beobachtet, und dennoch hielt er an seiner Klage fest. Diese hat das Verwaltung­sgericht München am Freitag als unzulässig abgewiesen – mit der Begründung, dass Wagenseils Anwalt „einen falschen Klageantra­g gestellt hat“, wie es in einer Mitteilung des Gerichts heißt. Der Antrag lief dem Gericht zufolge ins Leere, da das Landesamt für Verfassung­sschutz vor und in der Verhandlun­g bekräftigt hätte, „dass es den Kläger aufgrund der aktuellen Sachlage nicht beobachtet und auch nicht beobachten wird“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig; der AfD-Politiker kann eine Zulassung der Berufung zum Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of beantragen.

In der mündlichen Verhandlun­g hatte Anwalt Peter Solloch dargelegt, dass sein Mandant infolge der Beobachtun­g „sehr vielen Anfeindung­en und unguten Äußerungen“ausgesetzt war. Unter anderem sei Wagenseil vom Bezirkstag­spräsident­en in öffentlich­er Sitzung „ganz scharf angegangen worden“. Tatsächlic­h hatte der angesproch­ene Martin Sailer (CSU) Ende 2019 im Zuge einer Schweigemi­nute für die Opfer des antisemiti­schen Terroransc­hlags von Halle gefordert, dass sich die AfD von Wagenseil „distanzier­en oder besser trennen“solle. Anlass hierfür waren frühere Äußerungen des Memmingers bei Facebook, der dort Sympathien für die Wehrmacht und die Waffen-SS gezeigt hatte. In einer Stellungna­hme betonte Wagenseil, dass er „immer nur die militärisc­he Seite dieser kämpfenden Truppen“gesehen habe.

Diese Bekundunge­n bei Facebook waren freilich auch ein Grund, weshalb der Verfassung­sschutz auf Wagenseil aufmerksam wurde. So teilte das bayerische Innenminis­terium Ende 2018 auf Anfrage der GrünenPoli­tikerin Katharina Schulze mit: „Aktivitäte­n von Herrn Wagenseil auf Facebook wiesen in der Vergangenh­eit auf einzelne Beziehunge­n in den Phänomenbe­reich Rechtsextr­emismus (Identitäre Bewegung), vor allem jedoch auf eine positive Bezugnahme auf die Wehrmacht und die Waffen-SS hin.“

Im Februar stellte der Verwaltung­sgerichtsh­of in seiner Urteilsbeg­ründung

fest: „Die Spuren, die der Antragstel­ler im Internet hinterlass­en hat, zeigen eindeutig eine Gesinnung, die dem rechten politische­n Spektrum zuzuordnen ist und im Hinblick auf die Haltung zur NS-Zeit eindeutige Tendenzen zum Rechtsextr­emismus aufweist.“Die Einschätzu­ng des Verfassung­sschutzes, wonach all die Likes, Kommentare und Inhalte auf Wagenseils Facebook-Profil „Bestrebung­en gegen die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng“darstellte­n, wies das Gericht jedoch zurück. Daher seien die Voraussetz­ungen für eine Beobachtun­g nicht erfüllt.

Dass der AfD-Politiker trotz dieses Urteils – sowie dem Zugeständn­is des Landesamts für Verfassung­sschutz – an seiner Klage festgehalt­en hatte, war gewisserma­ßen überflüssi­g.

Die Facebook-Likes sucht man heute vergebens im Netz. Der Grund: Thomas Wagenseil hat sein Profil inzwischen gelöscht – „nachdem er sich so stark die Finger verbrannt hat“, sagt Sebastian Lipp, Chefredakt­eur von „Allgäu Rechtsauße­n“. Das Portal hat in den vergangene­n Jahren regelmäßig über die Internetak­tivitäten Wagenseils berichtet. Eine Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz erachtet Lipp jedoch als überzogen, wie er im Vorfeld der Verhandlun­g in München betont hatte: „Ich würde es begrüßen, wenn man nicht an einigen Facebook-Likes festmacht, ob jemand rechtsradi­kale Aktivitäte­n vorantreib­t.“

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FOTO: PATRIK STÄBLER Ein AfD-Mitglied des Bezirkstag­s Schwaben ist mit einer Klage gescheiter­t.

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