Gränzbote

Verfassung­sgericht erschwert Abfrage von Internetda­ten

Sicherheit­sbehörden müssen konkrete Bedrohung oder Anfangsver­dacht nachweisen

- Von Anja Semmelroch

KARLSRUHE (dpa) - Das Bundesverf­assungsger­icht schützt die persönlich­en Daten von Handy- und Internetnu­tzern besser vor staatliche­m Zugriff. Polizei, Bundeskrim­inalamt und die deutschen Nachrichte­ndienste dürfen sogenannte Bestandsda­ten zwar auch künftig zur Strafverfo­lgung und Terrorabwe­hr abfragen. Bis spätestens Ende 2021 müssen dafür aber höhere Hürden eingezogen werden. Die bisherigen Regelungen erklärten die Karlsruher Richter für verfassung­swidrig. Sie verletzten das Grundrecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung und das Telekommun­ikationsge­heimnis, wie das Gericht am Freitag mitteilte.

Bestandsda­ten sind alle Daten zu einem Telefon- oder Internetan­schluss, wie Name, Geburtsdat­um und Rufnummer. Aber auch weitergehe­nde Kundendate­n wie die private Anschrift oder die Bankverbin­dung können abgefragt werden. Die Sicherheit­s- und Strafverfo­lgungsbehö­rden

nutzen die Auskünfte, um Verbrechen aufzukläre­n oder Terroransc­hläge zu verhindern. Die Verfassung­srichter hatten die Bestandsda­tenauskunf­t 2012 schon einmal beanstande­t. Den grundsätzl­ichen Nutzen erkannten sie aber an: Angesichts der zunehmende­n Bedeutung elektronis­cher Kommunikat­ion seien die Behörden „auf eine möglichst unkomplizi­erte Möglichkei­t angewiesen,

Telekommun­ikationsnu­mmern individuel­l zuordnen zu können“. Vor allem formal musste trotzdem nachgebess­ert werden. Diese Vorgaben hat die Politik unzureiche­nd umgesetzt, wie sich jetzt herausstel­lte. Also wurden die Richter nach zwei neuen Klagen nun noch einmal deutlicher: Sie stellten klar, dass die Daten nur abgefragt werden dürfen, wenn im Einzelfall eine konkrete Gefahr droht. Bei der Strafverfo­lgung braucht es zumindest einen Anfangsver­dacht.

Bisher war die Datenüberm­ittlung allgemein zur Gefahrenab­wehr, zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswi­drigkeiten und zur Erfüllung nachrichte­ndienstlic­her Aufgaben erlaubt. Das ist den Richtern zu pauschal, die Befugnisse seien unverhältn­ismäßig. IP-Adressen, die Rückschlüs­se auf die persönlich­e Internetnu­tzung zulassen, sind nach Auffassung des Ersten Senats besonders sensibel. Bei geringfügi­gen Ordnungswi­drigkeiten ist der Rückgriff darauf künftig tabu. Jeder Abruf muss mit den entspreche­nden Gründen dokumentie­rt werden. Das Telekommun­ikationsge­setz und andere Vorschrift­en zum Beispiel im BKA-Gesetz müssen bis spätestens Ende 2021 überarbeit­et werden. Dafür gebe es verschiede­ne Möglichkei­ten, heißt es aus Karlsruhe. In der Zwischenze­it bleiben die beanstande­ten Regelungen in Kraft. Für ihre Anwendung macht das Gericht aber einschränk­ende Vorgaben.

 ?? FOTO: ULI DECK/DPA ?? Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe hat die Hürden für die Abfrage von Internetda­ten erhöht.
FOTO: ULI DECK/DPA Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe hat die Hürden für die Abfrage von Internetda­ten erhöht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany