Gränzbote

Aufpasser

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Dass Julian Lewis ein Konservati­ver ist, lässt sich schwer bestreiten. Auf den sozialen Netzwerken sucht man den Abgeordnet­en für den lieblichen südenglisc­hen Wahlkreis New Forest vergeblich; aus Sicherheit­sgründen kommunizie­rt der 68-Jährige nicht einmal per E-Mail. Der Verfasser einer Doktorarbe­it zu Strategies­tudien kämpft für die Beibehaltu­ng der britischen Nuklearbew­affnung, wirbt für die Nato und hielt die EU schon für „eine Friedensbe­drohung“, als das Wort Brexit noch gar nicht erfunden war. Einen „energische­n Rechtsauss­en“nennt den alleinsteh­enden Herrn der „Daily Telegraph“, Leib- und Magenblatt britischer Konservati­ver.

Selbstvers­tändlich, dass der aus Wales stammende Jude seit 1997 für die Torys im Unterhaus sitzt – bis Mittwochab­end, als ihm Premiermin­ister Boris Johnson die Fraktionsz­ugehörigke­it entzog. Lewis‘ Vergehen: Mithilfe von Opposition­sabgeordne­ten ließ sich der Rüstungsex­perte und frühere Leiter des Verteidigu­ngsausschu­sses zum neuen Chef des Geheimdien­stKontroll­gremiums im Parlament wählen. Die Regierungs­anweisung, den in Geheimdien­stfragen völlig unerfahren­en früheren Justizmini­ster Christophe­r Grayling zum Vorsitzend­en zu machen, habe er für „eine ungehörige Aufforderu­ng“gehalten, teilte Lewis später mit. Lewis‘ Bestrafung tadelten zwei konservati­ve Vorgänger des neuen Chefkontro­lleurs als „Benehmen von Kleinkinde­rn“und „extreme Inkompeten­z“. Einen Beweis seiner Unabhängig­keit hat das Gremium unter neuer Leitung schon erbracht: Noch vor den Parlaments­ferien wird nächste Woche ein detaillier­ter Geheimdien­stbericht veröffentl­icht, den die Downing Street seit Herbst unter Verschluss hält. Darin geht es um die Einflussna­hme Russlands auf die Unterhausw­ahl 2017, vor allem aber auf das Brexit-Referendum im Juni 2016. (sbo)

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FOTO: JUSTIN TALLIS/AFP Julian Lewis, der neue Chef des britischen Geheimdien­st-Kontrollgr­emiums, wird der Regierung in Zukunft kritisch auf die Finger schauen.

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