Die Suche nach 6000 Phantombetten
Für Intensivplätze flossen hohe Fördergelder – Zweifel an gemeldeten Zahlen
BERLIN - Die gesetzlichen Krankenkassen fordern eine „schnelle und lückenlose Aufklärung“, ob die für die Schaffung neuer Intensivbetten geflossenen Gelder tatsächlich sachgerecht eingesetzt worden sind. Hintergrund ist, dass Tausende solcher Klinikbetten, für die als Corona-Vorsorge dreistellige Millionenbeträge geflossen sind, in der offiziellen Statistik der verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten gar nicht auftauchen. Zwar wolle man zunächst „von einem Irrtum ausgehen und nicht gleich das Schlechteste unterstellen“, sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes,
der Dachorganisation aller 105 Kassen, dieser Zeitung. Transparenz tue jedoch Not. „Sollten nämlich tatsächlich Phantombetten abgerechnet worden sein, dann wäre das wirklich ein Hammer“, so Lanz.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nimmt nach eigenem Bekunden „die Hinweise sehr ernst". Es müsse nachvollzogen werden können, wohin das Geld fließe. Das sei man den Beitragszahlern schuldig. Bisher sind für die Intensivbetten mehr als eine halbe Milliarde Euro ausgezahlt worden. Spahns Ministerium hatte deshalb an die Landesminister einen Brief geschrieben, in dem „erhebliche Abweichungen" in der Statistik beklagt werden. Laut
Gesetz müssen Kliniken und Bundesländer bis Ende Oktober die korrekte Verwendung der Mittel nachweisen. Das von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin (DIVI) eingerichtete zentrale Register weist aktuell fast 32 600 Intensivbetten für Deutschland aus. Aufgrund der ausgezahlten Fördergelder müssten es allerdings knapp 39 000 Betten sein – also mehr als 6000 Betten mehr.
DIVI vermag den Widerspruch nicht aufzuklären. Verlässliche, tagesaktuelle Angaben von allen Krankenhäusern mit Intensivstationen gebe es erst seit Mitte April. Wie viele Intensivbetten vorher tatsächlich vorhanden gewesen seien, „wurde vorher nicht von uns und auch nicht zentral in Deutschland erfasst“, so Sprecherin Nina Meckel. Für die Deutsche Krankenhausgesellschaft sind die alten und neuen Statistiken schlicht nicht vergleichbar. Die vom Bundesgesundheitsministerium zum 1. Januar 2020 genannte Zahl von rund 28 000 Intensivbetten sei ungeeignet, um sie mit dem DIVIRegister zu vergleichen, so Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Denn „nicht jedes Intensivbett ist und war ein Covid-19 geeignetes Beatmungsbett“. Der Vorwurf, die ausgezahlten Fördermittel seien nicht zweckentsprechend verwendet worden, sei deshalb „durch nichts belegt“.
Das Geld für die neuen Intensivbetten kommt aus dem Gesundheitsfonds. In diesen Fonds fließen die Beiträge der gesetzlich Versicherten und der Arbeitgeber sowie Steuergelder. Ist ein Bett neu geschaffen worden, wird die Summe an das jeweilige Bundesland überwiesen, das es an das betreffende Krankenhaus weiterleitet.