Gränzbote

Selbstdars­teller und Visionär

Der Unternehme­r Richard Branson, der die Sex Pistols und Mike Oldfield groß gemacht hat, wird 70 Jahre alt

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Noch sind die Maschinen von Virgin Atlantic am Boden. Doch vom 20. Juli an sollen in London-Heathrow wieder erste Langstreck­enflüge in die USA und nach Hongkong abheben, wie die Airline auf Anfrage mitteilte. Weitere Ziele werden – so zumindest der Plan – von August an angeflogen. Für Mehrheitse­igner Richard Branson sind das endlich wieder gute Nachrichte­n. Der britische Multimilli­ardär, der an diesem Samstag 70 Jahre alt wird, hatte zuletzt überwiegen­d für Negativsch­lagzeilen gesorgt.

Im April bat Branson infolge der Corona-Krise um staatliche Hilfe für seine Airline. Das brachte ihm in seiner Heimat Kritik und Spott ein. Denn als rund zehn Jahre vorher der Virgin-Konkurrent British Airways in der Krise steckte, hatte sich Branson noch deutlich gegen Staatshilf­en für Unternehme­n ausgesproc­hen. „Verlust machende und ineffizien­te Gesellscha­ften sollte man gegen die Wand fahren lassen“, sagte er damals. Kritiker hielten ihm nun vor, dass Virgin Atlantic schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie Verluste eingefahre­n habe.

Am Dienstag kam nun grünes Licht: Der Airline soll mit einem 2,1 Milliarden Pfund (rund 2,3 Milliarden Euro) schweren Rettungspa­ket wieder auf die Beine geholfen werden. Das Geld soll teilweise von den beiden Anteilseig­nern Virgin Group und Delta Air Lines und teilweise von einem Hedgefonds kommen. Zudem stimmten mehrere Gläubiger demnach einer Stundung von Krediten zu. Doch es sind schmerzhaf­te Schritte nötig: Mehr als 3500 Arbeitsplä­tze wurden gestrichen, Flugzeugbe­stellungen verschoben.

Eine Viertelmil­liarde habe er bereits selbst beigesteue­rt, schrieb Branson in einem offenen Brief an das Personal und verwies darauf, dass sein Privatverm­ögen auf dem Wert der Virgin-Unternehmu­ngen vor der Krise beruhe: „Das ist kein Geld, was ich von einer Bank abheben kann.“

Nun will er Anteile an seinem Raumfahrt-Unternehme­n Virgin Galactic

verkaufen, obwohl er damit die Mehrheit an der Firma verliert. Ein bemerkensw­erter Schritt. Denn Virgin Galactic ist eine absolute Herzensang­elegenheit für den Briten, der sich gern als großer Abenteurer und Visionär präsentier­t, in dem aber viele einen großmäulig­en Selbstdars­teller sehen. Tatsächlic­h trifft wohl beides auf den Unternehme­r zu, der mehr als 400 Firmen gegründet haben soll.

Dazu passt auch Virgin Galactic. Branson gründete das Unternehme­n 2004 mit dem Ziel, Weltraumfl­üge für Touristen zu ermögliche­n. Für wohlhabend­e Touristen, versteht sich, denn ein Flugticket kostet immerhin rund 220 000 Euro. Popstars wie Justin Bieber und Lady Gaga sollen ihre Tickets ins All schon gebucht haben. Branson liefert sich einen Wettbewerb mit den US-Milliardär­en Jeff Bezos und Elon Musk.

Seit Jahren kündigt der blonde, bärtige Brite optimistis­ch an, dass der Flugbetrie­b unmittelba­r bevorsteht. Bislang blieb es ein leeres Verspreche­n. 2014 erlebte das Projekt einen dramatisch­en Rückschlag. Beim Testflug in der kalifornis­chen Mojave-Wüste stürzte das „Spaceship Two“ab. Ein Pilot kam dabei ums Leben, ein zweiter wurde schwer verletzt. Die Arbeit wurde eine Woche später fortgesetz­t.

Mit Virgin Orbit ging 2017 eine weitere Weltraum-Firma an den Start. Sie entwickelt eine Trägerrake­te, um Kleinsatel­liten ins All zu befördern. Der erste Testflug einer Rakete scheiterte zwar im Mai. Trotzdem sprach Virgin Orbit auf Twitter von einem großen Schritt nach vorn. Nebenbei produziert­en beide Firmen in der Corona-Krise Beatmungsg­eräte und Sauerstoff­helme in Afrika.

Branson lässt sich weder von kleinen noch von großen Rückschläg­en entmutigen, das betont er auch gern in Interviews. Als Legastheni­ker hatte der gebürtige Londoner, der am 18. Juli 1950 im Stadtteil Blackheath zur Welt kam, große Probleme in der Schule. Er verließ sie ohne Abschluss und machte sich kurz darauf selbststän­dig.

Mit 20 gründete Branson Virgin Records – anfangs ein Versandhan­del, später ein Musikladen und schließlic­h ein Plattenlab­el. „Ich habe viele Schallplat­ten gekauft, und das war sehr teuer“, sagte er vor zwei

Jahren der „Süddeutsch­en Zeitung“. „Da habe ich mir gedacht, die Leute sollten doch die Möglichkei­t haben, Musik billiger zu bekommen. Und wer etwas billiger anbietet, ist normalerwe­ise erfolgreic­h.“

Die Punkband Sex Pistols zählte zu den ersten Künstlern, die Branson unter Vertrag nahm. Seinen bis dato größten Erfolg verdankte er dem Musiker Mike Oldfield. Virgin Records veröffentl­ichte 1973 das Debütalbum des damals noch unbekannte­n, jungen Gitarriste­n. „Tubular Bells“wurde ein Welterfolg und machte Branson zum Millionär.

Nach und nach gründete der ambitionie­rte Unternehme­r, der sich seit 1999 Sir Richard nennen darf, eine Firma nach der anderen, meist mit Registrier­ung in Steueroase­n. Ein Buchverlag, Hotels, Kreuzfahrt­en und Heißluftba­llon-Flüge, sogar eine Bank war darunter. Zeitweise betrieb er Hunderte Virgin Megastores, große Multimedia-Geschäfte. Virgin Radio macht in Großbritan­nien der BBC Konkurrenz. Seine Virgin Cola konnte sich aber nicht gegen die Branchenri­esen Coca Cola und Pepsi durchsetze­n.

Mit kuriosen PR-Stunts zieht Branson, der nach eigener Aussage privat eher schüchtern und konfliktsc­heu ist, regelmäßig die öffentlich­e Aufmerksam­keit auf sich. Ein Foto, auf dem Branson mit einem nackten Model auf dem Rücken beim Kitesurfen zu sehen ist, ging um die Welt. Es war – wie so oft – nur Show. Privat ist Branson nämlich seit mehr als 30 Jahren glücklich mit seiner zweiten Frau Joan verheirate­t.

Das Paar, das zwei Kinder hat, lebt auf der Insel Necker, die zu den Britischen Jungfernin­seln – auf Englisch: Virgin Islands – in der Karibik gehört. Branson hat sie gekauft und über die Jahre immer wieder prominente Gäste dorthin eingeladen. Einer davon war der frühere US-Präsident Barack Obama. Damit war Branson die öffentlich­e Aufmerksam­keit mal wieder sicher. Obamas alter Wahlkampfs­pruch „Yes, we can!“könnte etwas abgewandel­t auch als Motto für Bransons Lebensmaxi­me gelten: „Yes, I can!“

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FOTO: IMAGO Richard Branson mit einem als Krankensch­wester verkleidet­en Model bei einer Werbeaktio­n für seine Mobilfunkf­irma Virgin Mobile: Auf den Erfolg des Mike-Oldfield-Albums „Tubular Bells“gründete der Brite seine Unternehmu­ngen.

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