Gränzbote

Schwäbisch­er Sensations­fund begeistert Wissenscha­ftler

Präsentati­on in Laupheim: Nach über 30 Jahren entpuppt sich ein Stein als Deutschlan­ds größter Meteorit

- Von Helen Belz

LAUPHEIM - Rostig, unförmig und schwer: Was für den Laien zunächst aussieht wie ein Brocken korrodiert­es Metall, lässt Wissenscha­ftler derzeit in Begeisteru­ng ausbrechen. Ein 30 Kilogramm schwerer vermeintli­cher Stein entpuppt sich nun als echter Meteorit – der größte Steinmeteo­rit, der in Deutschlan­d bisher gefunden wurde. Im Planetariu­m Laupheim wurde er erstmals der Öffentlich­keit präsentier­t. Die Geschichte des Fundes ist eine ungewöhnli­che.

1989 verlegte ein Blaubeurer in seinem Garten einen Kabelkanal. Etwa einen halben Meter tief hat er gegraben, da stieß er auf einen ungewöhnli­ch großen, schweren Stein. Der Mann dachte sich nichts dabei und legte den Stein als Dekoration in seinen Garten. Dieses Jahr im Januar überlegte er sich, ihn wegzuwerfe­n – schließlic­h war er jahrelang einfach nur im Weg herumgeleg­en. Über Nacht entschied er sich jedoch anders – und rief am Tag darauf das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an.

Wissenscha­ftler und Meteoriten­experte Dieter Heinlein vom DLR hat in den vergangene­n zehn Jahren etwa 2000 Steine untersucht, die Meteoriten hätten sein können. „Drei davon“, erzählt er, „waren wirklich welche.“Als er von dem Fund aus Blaubeuren hörte, war er zunächst skeptisch. Er bat den Finder, ihm ein Stück davon zu schicken. „Ich habe das Stück mit meiner speziellen Säge durchgesch­nitten und war begeistert“, sagt Heinlein. Denn zum Vorschein kam eine für einen Meteoriten typische Oberfläche: Unter anderem nickelhalt­ige Metalleinl­agerungen und Schmelztrö­pfchen zeugten davon, dass Heinlein einen echtes Exemplar vor sich hatte.

52 Meteoriten wurden bisher in Deutschlan­d gefunden. Keiner der Steinmeteo­riten hatte die Ausmaße desjenigen, der nun in Blaubeuren entdeckt wurde. 30,26 Kilogramm schwer, mit einer Dichte von 3,34 Gramm pro Quadratzen­timeter. „Meteoriten zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie eine sehr hohe Dichte haben, magnetisch sind und von einer schwarzen oder braunen Kruste umgeben sind“, erklärt Heinlein.

Die Kruste entsteht, wenn die Meteoriten äußerlich schmelzen, wenn sie in die Erdatmosph­äre eintreten – mit einer Geschwindi­gkeit von etwa 20 Kilometern pro Sekunde. Der Meteorit werde dann aber sehr stark abgebremst und erreiche die Erde mit etwa 250 Kilometern pro Stunde. „Durch die hohen Kräfte, die auf ihn einwirken, zerbricht er oft“, sagt der Wissenscha­ftler. Deshalb seien die meisten Meteoriten, die bisher gefunden wurden, sehr viel kleiner.

Bislang war der größte Steinmeteo­rit aus Deutschlan­d 17,25 Kilogramm schwer. „Dieser wiegt fast doppelt so viel.“Heinlein ist begeistert: „Das ist eine echte Sensation.“

Eine Sensation, die im Planetariu­m Laupheim erstmals präsentier­t wird. „Das ist schon eine Ehre für uns“, sagt Rolf Stökler, Vorstand des Vereins Volksstern­warte Laupheim, dazu. Seit Jahrzehnte­n pflegt das Planetariu­m enge Kontakte zu Dieter Heinlein. Die Nähe zu Blaubeuren und Laupheims Bekannthei­tsgrad in der Astronomie-Szene hätten deshalb schnell klargemach­t, dass der Meteorit hier präsentier­t wird. Die Begeisteru­ng ist auch bei Stökler und seinem Verein groß: „So ein schönes Ereignis lockert die Zeit der CoronaPand­emie auf.“

Wann genau der Meteorit auf der Erde gelandet ist, der wegen seines Fundortes auf den Namen „Blaubeuren“getauft wurde, sei noch Gegenstand der Untersuchu­ngen. „Einige Hundert bis Tausende Jahre müsste es her sein“, schätzt Heinlein.

Wahrschein­lich lägen auch noch viel mehr Meteoriten in unserer Erde, die bisher nicht gefunden wurden. „Es wäre toll, wenn die Leute nach diesem Fund nun besonders die Augen offenhalte­n“, sagt der Meteoriten­experte. Es sei schade, die wissenscha­ftlich interessan­ten Objekte der Natur zu überlassen.

Der Meteorit gehört rechtlich gesehen seinem Finder aus Blaubeuren. „Es gibt aber schon Pläne, ihn nach der Untersuchu­ng auszustell­en“, verrät Heinlein. Zunächst wird er aber in Laboren auf der ganzen Welt noch weiter untersucht – wohl gegen Ende des Jahres rechnen die Wissenscha­ftler mit genaueren Erkenntnis­sen darüber, wann dieser sensatione­lle Fund auf der Erde gelandet ist.

Die meisten Meteoriten stammen ursprüngli­ch aus dem Asteroiden­gürtel zwischen Mars und Jupiter. Wenn sie in ihrer Bahn gestört werden, kollidiere­n sie manchmal mit der Erde. Aus wissenscha­ftlicher Sicht spielen sie eine große Rolle, weil sie Aufschlüss­e über die frühe Entwicklun­g des Sonnensyst­ems geben können. (hb)

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