Gränzbote

Ein Spenden-Spaziergän­ger zu Besuch im Schloss

Weil Captain Tom Moore den Briten in Pandemie-Zeiten Mut machte, schlug ihn nun die Queen zum Ritter

- Von Sebastian Borger

LONDON - Die Beförderun­g verdienter Bürger zu ritterlich­en oder damenhafte­n Kommandeur­en des britischen Empire, im Volksmund auch Ritterschl­ag genannt, überlässt Elizabeth II. dieser Tage meist ihrem Sohn oder Enkel. Eine ganz besondere Zeremonie mochte sich die Queen am Freitag aber nicht entgehen lassen: Da erschien zu Besuch bei der 94-Jährigen auf Schloss Windsor Großbritan­niens berühmtest­er 100-Jähriger – und aus Captain Tom wurde Sir Thomas Moore.

Die Zuneigung der Untertanen Ihrer Majestät hat sich der Weltkriegs­veteran im Corona-Lockdown erworben. Das Land beklagte täglich Hunderte von Toten, Krankensch­western und Pfleger bastelten ihre eigene Schutzklei­dung, Premiermin­ister Boris Johnson musste einige Tage auf der Intensivst­ation verbringen – da, in der Karwoche Anfang April, schlurfte ein tadellos in Anzug und Krawatte gekleidete­r älterer Herr ins Bewusstsei­n der Nation.

Zur Feier seines ganz persönlich­en Jahrhunder­ts wolle er Geld sammeln für Wohltätigk­eitsorgani­sationen, die sich um Bedienstet­e und Patienten im Gesundheit­swesen kümmern, teilte der Vater einer gut vernetzten Personalbe­raterin den örtlichen Medien der Grafschaft Bedfordshi­re nördlich von London mit. Dafür werde er 100-mal jeweils 25 Meter im Garten des Familienan­wesens

auf- und abgehen, gestützt auf seinen Rollator.

Das Spendenzie­l wurde mit 1000 Pfund angegeben, umgerechne­t 1098 Euro. Über Nacht geriet der Hauptmann im Ruhestand zum Hoffnungst­räger und zur Symbolfigu­r einer verunsiche­rten Nation, die ihrem schwer gebeutelte­n Gesundheit­ssystem NHS den Dank erweisen wollte. Binnen weniger Tage trugen mehr als eine Million Menschen 35,9 Millionen Euro zusammen, „eine absolut fantastisc­he Summe“, wie Moore im glasklarem Akzent der Gebildeten seiner Generation, dem sogenannte­n Queen’s English, sagte. Einen Monat später gab Johnson die ungewöhnli­che Ehrung bekannt: Der Spenden-Spaziergän­ger habe in düsteren Zeiten der Nation „einen Lichtstrah­l“geschickt und werde dafür zum Ritter geschlagen. Zeitnah, versteht sich – schließlic­h soll man ältere Menschen nicht lange warten lassen.

Angemessen­erweise schien am Freitag über England die Sonne. Er sitze schon „in den Startlöche­rn“, freute sich der Geehrte vorab, ehe er nachmittag­s samt Familie auf Elizabeths Schloss erschien. Worüber der Hauptmann und die als Automechan­ikerin ausgebilde­te Veteranin des territoria­len Hilfscorps ATS plauderten, blieb geheim. Das Motto der Zusammenku­nft zweier Unverwüstl­icher aber gab der Besucher schon vorab vor. Mit seinem optimistis­chen Leitsatz: „Morgen wird ein guter Tag.“

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