Gränzbote

Kalt lächelnd in den Kalten Krieg

Vor 75 Jahren begann auf der Potsdamer Konferenz das Tauziehen der Sieger über die Nachkriegs­ordnung in Europa

- Von Christoph Arens

BERLIN (KNA) - Berlin lag in Trümmern. Vor 75 Jahren verhandelt­en Stalin, Churchill und Truman deshalb im weithin unzerstört­en Potsdam über die europäisch­e Nachkriegs­ordnung. Zwischen den Alliierten zeichneten sich tiefe Risse ab.

Das Foto der „großen Drei“sollte Optimismus und Einigkeit ausstrahle­n: Großbritan­niens Noch-Premiermin­ister Winston Churchill, der neue US-Präsident Harry S. Truman und der sowjetisch­e Diktator Josef Stalin präsentier­ten sich der Weltpresse zum Handshake. Doch das Lächeln war Fassade: In harten Verhandlun­gen legten die Chefs der drei Siegermäch­te vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 im Schloss Cecilienho­f bei Potsdam die europäisch­e Nachkriegs­ordnung fest. Frankreich spielte nur eine Nebenrolle.

Die Konferenz in der kaum zerstörten preußische­n Residenzst­adt – Berlin war zu stark zerstört – legte den Grundstein des Kalten Krieges und der deutschen und europäisch­en Teilung. Der Prachtbau der Hohenzolle­rn im Neuen Garten verfügte weit über hundert Zimmer und vor allem einen großen Saal, der das Herzstück der Konferenz bilden sollte.

Schon die Anreise war beschwerli­ch: Truman musste auf dem Kreuzer S.S. Augusta über den Atlantik nach Antwerpen reisen und dann von Brüssel aus mit der Präsidente­nmaschine „The Sacred Cow“(„Die heilige Kuh“) nach Berlin fliegen. Stalin kam deutlich verspätet: Der Generaliss­imus hatte kurz zuvor einen Schwächean­fall erlitten. Zudem litt er unter Flugangst. Er bestieg einen Zug, den man extra aus einem Museum geholt und entspreche­nd vorbereite­t hatte – nachdem der Schienenwe­g mühsam von Moskau nach Potsdam eingericht­et wurde.

Und während die Regierungs­chefs sich in unterschie­dlichen Konstellat­ionen in ihren Residenzen in der Villenkolo­nie Neubabelsb­erg Besuche abstattete­n, die Trümmer von Berlin besichtigt­en und zu Verhandlun­gsrunden im Schloss zusammenka­men, wurde Truman am 16. Juli vom ersten erfolgreic­hen Atombomben­test in der Wüste von New Mexico unterricht­et. Wenig später gab er von Potsdam aus die Anweisung zum Abwurf der Atombombe. Das militärisc­he Ziel war das Ende des Krieges mit Japan, aber der eigentlich­e Adressat war ein anderer – nämlich der russische Diktator, der sich anschickte, die Sowjetunio­n zur Weltmacht zu machen.

Der Jubel über den Sieg gegen Nazi-Deutschlan­d war im Sommer 1945 längst einem politische­n Tauziehen gewichen. In den Verhandlun­gen wurde schnell klar, dass die ehemals Verbündete­n nun Konkurrent­en

um die Vorherrsch­aft in Europa waren.

Zumindest auf dem Papier herrschte Einigkeit darüber, Deutschlan­d zu entnazifiz­ieren und zu demokratis­ieren. Im sogenannte­n Potsdamer Abkommen, das am 2. August veröffentl­icht wurde, wurden unter anderem die politische und geografisc­he Neuordnung Deutschlan­ds in vier Besatzungs­zonen und seine Entmilitar­isierung festgeschr­ieben. Die Siegermäch­te kamen überein, dass sie ihre Forderunge­n nach Reparation­en durch Entnahmen aus der eigenen Besatzungs­zone befriedige­n, ohne das Land auf längere Sicht zu ruinieren.

Nationalso­zialistisc­he Parteien und Einrichtun­gen wurden verboten, Verfahren gegen Kriegsverb­recher vereinbart. „Das deutsche Volk muss überzeugt werden, dass es eine totale militärisc­he Niederlage erlitten hatte und dass es sich nicht der Verantwort­ung entziehen kann für das, was es selbst dadurch auf sich geladen hat“, hieß es.

In rechtliche­r Hinsicht handelt es sich beim „Potsdamer Abkommen“nicht um einen internatio­nalen Vertrag, sondern um ein gemeinsame­s Konferenzk­ommuniqué, eine gemeinsame Willens- beziehungs­weise Absichtser­klärung. Dieses Konferenzk­ommuniqué wird in der Regel, sachlich ungenau, als „Abkommen von Potsdam“bezeichnet. Die politische­n Ziele des Konferenzk­ommuniqués wurden trotz des heraufzieh­enden Kalten Krieges in den folgenden Monaten weithin umgesetzt. Aber die in Potsdam betonte Absicht, Deutschlan­d als eine wirtschaft­liche Einheit zu behandeln, scheiterte. Die Teilung Deutschlan­ds nahm ihren Lauf.

Beschlosse­n wurde in Potsdam auch die Ausweisung von Deutschen aus osteuropäi­schen Ländern wie Polen, der Tschechosl­owakei und Ungarn. „Die drei Regierunge­n stimmen darin überein, dass jede derartige Überführun­g, die stattfinde­n wird, in ordnungsge­mäßer und humaner Weise erfolgen soll“, hieß es allerdings. Die Realität aber sah anders aus: Es folgte eine brutale Vertreibun­g von Millionen Deutschen. Viele überlebten das nicht.

Etliche der Potsdamer Artikel, vor allem die territoria­len Regelungen, wurden nur provisoris­ch formuliert, weil ein Friedensve­rtrag mit Gesamtdeut­schland folgen sollte. Der kam allerdings nicht zustande. Erst mit Abschluss der „Zwei-plus-VierGesprä­che“bekam Deutschlan­d 1990 einen Friedensve­rtrag, der am 3. Oktober 1990 in Kraft trat.

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FOTO: DPA Sie entschiede­n in Potsdam über die Nachkriegs­ordnung (von links): der britische Premiermin­ister Winston Churchill, der amerikanis­che Präsident Harry S. Truman und der sowjetisch­e Diktator Josef Stalin.
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FOTO: EBERHARD THONFELD/IMAGO-IMAGES Der Schauplatz der Potsdamer Konferenz war Schloss Cecilienho­f mit dem roten Stern im Innenhof.

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