Kalt lächelnd in den Kalten Krieg
Vor 75 Jahren begann auf der Potsdamer Konferenz das Tauziehen der Sieger über die Nachkriegsordnung in Europa
BERLIN (KNA) - Berlin lag in Trümmern. Vor 75 Jahren verhandelten Stalin, Churchill und Truman deshalb im weithin unzerstörten Potsdam über die europäische Nachkriegsordnung. Zwischen den Alliierten zeichneten sich tiefe Risse ab.
Das Foto der „großen Drei“sollte Optimismus und Einigkeit ausstrahlen: Großbritanniens Noch-Premierminister Winston Churchill, der neue US-Präsident Harry S. Truman und der sowjetische Diktator Josef Stalin präsentierten sich der Weltpresse zum Handshake. Doch das Lächeln war Fassade: In harten Verhandlungen legten die Chefs der drei Siegermächte vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 im Schloss Cecilienhof bei Potsdam die europäische Nachkriegsordnung fest. Frankreich spielte nur eine Nebenrolle.
Die Konferenz in der kaum zerstörten preußischen Residenzstadt – Berlin war zu stark zerstört – legte den Grundstein des Kalten Krieges und der deutschen und europäischen Teilung. Der Prachtbau der Hohenzollern im Neuen Garten verfügte weit über hundert Zimmer und vor allem einen großen Saal, der das Herzstück der Konferenz bilden sollte.
Schon die Anreise war beschwerlich: Truman musste auf dem Kreuzer S.S. Augusta über den Atlantik nach Antwerpen reisen und dann von Brüssel aus mit der Präsidentenmaschine „The Sacred Cow“(„Die heilige Kuh“) nach Berlin fliegen. Stalin kam deutlich verspätet: Der Generalissimus hatte kurz zuvor einen Schwächeanfall erlitten. Zudem litt er unter Flugangst. Er bestieg einen Zug, den man extra aus einem Museum geholt und entsprechend vorbereitet hatte – nachdem der Schienenweg mühsam von Moskau nach Potsdam eingerichtet wurde.
Und während die Regierungschefs sich in unterschiedlichen Konstellationen in ihren Residenzen in der Villenkolonie Neubabelsberg Besuche abstatteten, die Trümmer von Berlin besichtigten und zu Verhandlungsrunden im Schloss zusammenkamen, wurde Truman am 16. Juli vom ersten erfolgreichen Atombombentest in der Wüste von New Mexico unterrichtet. Wenig später gab er von Potsdam aus die Anweisung zum Abwurf der Atombombe. Das militärische Ziel war das Ende des Krieges mit Japan, aber der eigentliche Adressat war ein anderer – nämlich der russische Diktator, der sich anschickte, die Sowjetunion zur Weltmacht zu machen.
Der Jubel über den Sieg gegen Nazi-Deutschland war im Sommer 1945 längst einem politischen Tauziehen gewichen. In den Verhandlungen wurde schnell klar, dass die ehemals Verbündeten nun Konkurrenten
um die Vorherrschaft in Europa waren.
Zumindest auf dem Papier herrschte Einigkeit darüber, Deutschland zu entnazifizieren und zu demokratisieren. Im sogenannten Potsdamer Abkommen, das am 2. August veröffentlicht wurde, wurden unter anderem die politische und geografische Neuordnung Deutschlands in vier Besatzungszonen und seine Entmilitarisierung festgeschrieben. Die Siegermächte kamen überein, dass sie ihre Forderungen nach Reparationen durch Entnahmen aus der eigenen Besatzungszone befriedigen, ohne das Land auf längere Sicht zu ruinieren.
Nationalsozialistische Parteien und Einrichtungen wurden verboten, Verfahren gegen Kriegsverbrecher vereinbart. „Das deutsche Volk muss überzeugt werden, dass es eine totale militärische Niederlage erlitten hatte und dass es sich nicht der Verantwortung entziehen kann für das, was es selbst dadurch auf sich geladen hat“, hieß es.
In rechtlicher Hinsicht handelt es sich beim „Potsdamer Abkommen“nicht um einen internationalen Vertrag, sondern um ein gemeinsames Konferenzkommuniqué, eine gemeinsame Willens- beziehungsweise Absichtserklärung. Dieses Konferenzkommuniqué wird in der Regel, sachlich ungenau, als „Abkommen von Potsdam“bezeichnet. Die politischen Ziele des Konferenzkommuniqués wurden trotz des heraufziehenden Kalten Krieges in den folgenden Monaten weithin umgesetzt. Aber die in Potsdam betonte Absicht, Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln, scheiterte. Die Teilung Deutschlands nahm ihren Lauf.
Beschlossen wurde in Potsdam auch die Ausweisung von Deutschen aus osteuropäischen Ländern wie Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn. „Die drei Regierungen stimmen darin überein, dass jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll“, hieß es allerdings. Die Realität aber sah anders aus: Es folgte eine brutale Vertreibung von Millionen Deutschen. Viele überlebten das nicht.
Etliche der Potsdamer Artikel, vor allem die territorialen Regelungen, wurden nur provisorisch formuliert, weil ein Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland folgen sollte. Der kam allerdings nicht zustande. Erst mit Abschluss der „Zwei-plus-VierGespräche“bekam Deutschland 1990 einen Friedensvertrag, der am 3. Oktober 1990 in Kraft trat.