Beruf mit Aussicht
Axel Renner ist seit 25 Jahren das Sprachrohr der Bregenzer Festspiele – Der gebürtige Friedrichshafener bringt seine Begeisterung für die Oper in die Arbeit ein
Aida, André Chénier, Turandot, Carmen, Rigoletto und James Bond – Axel Renner kennt sie alle, hat sogar bei den Opern und dem 007-Leinwandabenteuer „Ein Quantum Trost“2008, als Bonds Opernbesuch zu einer Verfolgungsjagd wurde, hinter den Kulissen mitgearbeitet. Auch als die Seebühne im selben Jahr für Millionen von Fernsehzuschauern zum Schauplatz der ZDF-Arena für die Fußball-Europameisterschaft wurde, war Axel Renner mit von der Partie. Seit 1996 arbeitet der gebürtige Friedrichshafener für die Bregenzer Festspiele und ist überzeugt: „Ein außergewöhnlicheres Festival gibt es nicht.“
„Ein bisschen Hollywood am
See“, zumal Opern eine Reflexion des menschlichen Lebens im Guten wie im Schlechten sind: Die Festspiele „und alles drum herum“haben Axel Renner fasziniert, seit er denken kann. So sehr, dass der seinerzeit 20-Jährige 1991 für die „Carmen“-Vorstellung über eine Hintertür auf die Festspieltribüne schlich. Nicht, weil er nicht bezahlen wollte, sondern weil alle Vorstellungen ausverkauft waren. Der Opernbegeisterte wurde erwischt und weggeschickt. Beim nächsten Versuch war er erfolgreich und konnte auf einem Stehplatz die komplette Oper miterleben. Er war hin und weg. Folgerichtig bewarb sich Renner 1996 als Assistent des Intendanten und als Jugendreferent. Dass er bleiben und mittlerweile schon im 25. Jahr seines Abenteuers Bregenz stehen würde, hat der mittlerweile 48Jährige seinerzeit nicht geahnt. „Die Festspiele faszinieren mich noch immer. Nirgends auf der Welt gibt es ein derart breit gefächertes Publikum, das vom Musikprofessor bis zu demjenigen reicht, der sonst nie oder selten in die Oper geht“, sagt der Kommunikationswissenschaftler mit Masterabschluss. Er bezeichnet die Festspiele gern als „Demokratisierung der Kunstform Oper“und ist stolz darauf, dies seit dem Jahr 2000 als Pressesprecher unter die Menschen zu bringen.
Ortstermin bei den Bregenzer Festspielen. Es ist ein traumhafter Tag, der Bodensee glitzert in einem tiefen Blau. Links hinter der Seebühne sieht man am Horizont die Inselstadt Lindau, rechts die Stadt Bregenz. Der fast 14 Meter hohe Clownskopf des buckligen Hofnarren aus Giuseppe Verdis „Rigoletto“auf der Bühne hat die Augen geschlossen, sein Heißluftballon, den er sonst in seiner linken Hand hält, fehlt. Am 15. Mai 2020 wurden coronabedingt zum ersten Mal in der Geschichte der Bregenzer Festspiele alle Aufführungen für diese Saison abgesagt und „Rigoletto“auf kommendes Jahr verschoben. „Es war ein herber Schlag für uns alle“, sagt Renner. Zeit zum Trauern blieb keine. Während der Corona-Einschränkungen arbeitete der Pressesprecher aus dem Home-Office. Schon vor der Verschiebung war der Arbeitsaufwand sehr viel höher als üblich um diese Zeit, denn es gab immer wieder Anfragen, ob die
Festspiele überhaupt stattfinden könnten. Als die Absage feststand, berief Renner eine Pressekonferenz ein, die weltweit über das Internet verfolgt werden konnte und deshalb mit entsprechendem Arbeitsaufwand verbunden war. Für seine Kollegen bedeutete die Absage: Auftrittstermine der Darsteller für 2021 müssen neu verhandelt werden, Unterkünfte storniert und neu gebucht, Tickets erstattet beziehungsweise umgebucht werden und und und. Auch die für 2021 geplante Premiere der Oper „Madame Butterfly“muss um ein Jahr verschoben werden.
Trotzdem setzt das Kulturunternehmen auch dieses Jahr „Ein starkes künstlerisches Zeichen im Absage-Sommer“, wie der Slogan lautet: Anstelle der Festspiele präsentiert es vom 15. bis 22. August eine achttägige Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Festtage im Festspielhaus“mit Konzerten und sogar einer Musiktheater-Uraufführung.
Doch noch einmal zurück: Weil es nach dem Krieg kein größeres Theater in Bregenz gab, wurde die erste Festspiel-Oper 1946 auf dem schönsten Teil der Stadt – dem Bodensee – gezeigt und damit das heutige Spiel auf dem See begründet. Zwei Kieskähne dienten als Bühne – der eine war für die Bühnenaufbauten von Mozarts Jugendwerk „Bastien et Bastienne“, der andere für das Orchester. Die Idee sollte ein durchschlagender Erfolg werden. „Die Festspiele sind nicht im Labor entstanden, sondern haben sich über die vielen Jahre entwickelt“, sagt Renner. „Wir haben eine solide Basis, entwickeln uns ständig weiter. Nur die Dinge machen wir neu, die wirklich besser sind.“Gut sei, dass sich die Festspiele keiner Mode unterwerfen müssten, keinen Druck von Aktionären hätten, nicht den schnellen Erfolg bräuchten, sind sie doch eine GmbH, Gesellschafter ist die Bregenzer Festspiele Privatstiftung. „Die Festspiele sind das beste Beispiel für Nachhaltigkeit, weil sie schon zu Zeiten, in denen es diesen Begriff noch gar nicht gab, nach dieser Prämisse handelten“, ist Renner überzeugt.
Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Festspiele das Jahr über. Acht davon sind in der Abteilung des Kommunikationsfachmanns tätig, während der Saison wird sie auf bis zu 15 aufgestockt. 80 Prozent dessen, was man in den Medien über die Festspiele liest, hört oder sieht, hätte seinen Ursprung in seiner Abteilung, schätzt der Pressesprecher, der mit seiner ruhigen und sympathischen Art das Gesicht der Festspiele den Medien gegenüber verkörpert. Was hat sich verändert im Vergleich zu seiner Anfangszeit in Bregenz? „Damals war es noch keine Selbstverständlichkeit, dass an jedem Arbeitsplatz ein Computer stand. Das war eher die Ausnahme“, erinnert sich Renner. Telefon und Fax seien die schnellsten Kommunikationsmittel gewesen. „Die Welt war damals gemächlicher, aber nicht einfacher“, findet er. Durch die modernen Medien sei es für seine Kollegen im Künstlerischen Betriebsbüro zwar einfacher geworden, sich ein Bild von einem Künstler zu verschaffen: Videos könnten im Internet angeschaut oder sehr schnell angefordert werden.
Eine Entscheidung, welche Künstler an dem sehr speziellen Aufführungsort sehr gut wirkten, werde allerdings nicht auf dieser Basis getroffen. Zum einen müssten die Bregenzer Experten einschätzen, wie sich eine Stimme entwickelt, weil viele Künstler bis zu drei Jahre vor der eigentlichen Aufführung – dann beginnt die interne Planung – unter Vertrag genommen werden. Zum anderen sei der persönliche Eindruck „durch nichts zu ersetzen“.
Etwa 250 000 Besucherinnen und Besucher kommen jährlich zur Festspielzeit nach Bregenz, die meisten aus einem Radius von 300 Kilometern um Bregenz. Zwei Drittel von ihnen sind aus Deutschland, vor allem aus dem Süden, danach folgen Österreicher und Schweizer. Sogar von anderen Kontinenten reisen Gäste an. Zwischen 80 Veranstaltungen, davon 26 bis 28 auf der Seebühne, können sie wählen. In der aktuellen Saison waren die Festspiele schon fünf Monate vor dem Start zu 80 Prozent ausgebucht. „Mit den Aufführungen am See erwirtschaften wir Geld, das zusammen mit den Subventionen andere Veranstaltungen finanziert“, erklärt Axel Renner.
Immer wieder erreichen die Festspiele Anfragen von Männern, die ihrer Angebeteten während laufender Opernaufführung einen Heiratsantrag machen möchten. Bei aller Liebe muss ihnen Renner Absagen erteilen. „Wir sind ein Ort für Opernaufführungen und nicht für Heiratsanträge.“
Hat er in all den Jahren nie erwogen, die Arbeit zu wechseln? „Nein“, sagt Axel Renner. Langweilig sei ihm noch nie geworden, die Arbeit bei den Festspielen sei sehr abwechslungsreich und immer wieder eine Herausforderung. „In einem Job, in dem man lange ist, muss man sich viel eher bewähren“, ist er überzeugt. „Das ist anstrengender, aufwendiger, als wenn man immer wieder wechselt.“
Nach den Festspielen ist vor den Festspielen. Renner sagt: „Wir freuen uns schon auf die Aufführungen im nächsten Jahr, wenn Bregenz für einen Sommer lang wieder zur Festspielstadt wird.“
Nirgends auf der Welt gibt es ein derart breit gefächertes Publikum, das vom Musikprofessor bis zu demjenigen reicht, der sonst nie oder selten in die Oper geht.
Axel Renner über die Bregenzer Festspiele