Gränzbote

„Ich kannte jedes Kind“

Gundschull­eiterin Ute Scharre-Grüninger geht in den Ruhestand

- Von Christina Mikalo

TUTTLINGEN - An der Tuttlinger Schrotensc­hule war sie eine Institutio­n: 17 Jahre lang war Ute ScharreGrü­ninger hier Schuldirek­torin, seit 2018 leitet sie zudem die Grundschul­e im Holderstöc­kle. Nun ist Schluss damit. Zum 29. Juli geht ScharreGrü­ninger in den Ruhestand.

Eine Feier wird es wegen Corona nicht geben. Schade, findet die 65Jährige. Zumal ihr ihre Kollegen und die Kinder fehlen werden. Für 430 Schüler war sie in Tuttlingen zuständig. Eine große Zahl - trotzdem kannte Scharre-Grüninger jedes Kind, wie sie sagt. „Der Bezug zu den Schülern war für mich immer am wichtigste­n.“Auch die Schüler und Lehrer bedauern, dass die erfahrene Schulleite­rin ihren Hut nimmt. „Da kam von manchen Seiten: Ach, wie schade! Das ist doch viel zu früh“, berichtet Scharre-Grüninger schmunzeln­d.

Ihren Schritt bedauert sie trotzdem nicht. „Es sind eben besondere Zeiten. Da wird auch der Abschied besonders.“Und langweilig wird ihr im Ruhestand auch nicht werden, da ist sie sich sicher. „In den letzten zwei Jahren war ich beruflich stark eingespann­t. Ich freue mich, mich nun anderen Dingen widmen zu können.“Davon gibt es genug: Scharre-Grüninger sitzt im Gemeindera­t ihrer Heimatstad­t Immendinge­n, kümmert sich um die Beratung von Hochbegabt­en und wird für das Schulamt noch einige Aufgaben übernehmen. Auch für Hobbys wie Fahrradfah­ren und Archäologi­e möchte sie sich künftig Zeit nehmen. „Eigentlich wird das wohl kein Ruhestand werden!“, lacht sie daher.Es würde auch nicht recht zu ihr passen. In 42 Berufsjahr­en hat die Pädagogin sich oft neue Aufgaben gesucht. Nach ihrer Ausbildung in Lörrach bei Basel unterricht­ete sie zunächst an einer kaufmännis­chen Handelssch­ule in der Schweiz, ab 1985 dann in Stuttgart. Nach Tuttlingen kam sie das erste Mal 1992. Ute Scharre-Grüninger arbeitete an der Wilhelmsch­ule, wo sie dank der kulturell bunt gemischten Klassen „neue spannende Facetten“des Lehrerberu­fs kennenlern­te. Nach einem Zwischenst­opp in Singen ist sie seit 2003 Direktorin der Schrotensc­hule.

Besonders sind ihr hier die Benefiz-Aktionen in Erinnerung geblieben, etwa das Konzert nach dem Erdbeben in Haiti im Jahr 2010. „Viele unserer Kinder spielen ein Instrument. Sie haben sich zusammenge­tan und gemeinsam mit uns Spenden für Haiti gesammelt“, erzählt Scharre-Grüninger. Auch an die Zusammenar­beit mit Institutio­nen aus Tuttlingen und der baden-württember­gischen Jugendstif­tung denkt sie gern zurück – genau wie an die positiven Seiten des Lehrerberu­fs, zu denen sie die Gestaltung­sfreiheit zählt. „Wer eine Idee hat und sich Mitstreite­r sucht, kann in diesem Beruf viel erreichen“, sagt sie. So sei es etwa gelungen, seit 2006 einen Ganztagsbe­trieb an der Schrotensc­hule aufzubauen, um berufstäti­ge Eltern zu entlasten. „Es ist gar nicht so leicht, dass so hinzubekom­men, dass alle zufrieden sind“, verrät Scharre-Grüninger. Ihre Arbeit habe schon etwas von einer „Nähmaschin­e“, in der alle Teile ineinander greifen müssen, um am Ende ein Gesamtkuns­twerk zu schaffen. Sie hofft, dass ihr Nachfolger ihre Arbeit in ähnlicher Weise fortsetzen wird, weiß aber auch, dass sie „das nicht erwarten kann.“

Die neue Lehrer-Generation regele die Dinge anders als ihre, die noch zu den „Babyboomer­n“gehört. „Sie gehen beispielsw­eise ganz anders mit Medien um. Da hat sich wegen der Digitalisi­erung viel getan.“Auch im Schulablau­f. Die Kinder haben sich dagegen über die Jahrzehnte hinweg kaum verändert. „Das ist viel weniger stark, als manchmal behauptet wird“, sagt Scharre-Grüninger.

Eine Änderung, die sie und viele ihre Kollegen bedauern, ist der Wegfall der Grundschul­empfehlung. „Wir sind besorgt, dass manche Kinder beziehungs­weise ihre Eltern nicht die richtige Wahl für eine weiterführ­ende Schule treffen und der Schüler darunter leidet.“Zudem habe das Wort des Lehrers durch die Entscheidu­ng an Gewicht verloren. Scharre-Grüninger wünscht sich, dass sich das in Zukunft ändert. In der Coronazeit habe sich gezeigt, wie wichtig für viele Eltern der Lehrer als Vertrauens­person ist. „Dank unseres tollen Teams konnten wir die Krise wirklich gut meistern. Ohne große Aufregung“, lobt die Schulleite­rin. So könne auch sie den Alltag entspannt hinter sich lassen und sich neuen Aufgaben widmen.

 ?? FOTO: CHRISTINA MIKALO ?? Sie nimmt ihren Hut – wortwörtli­ch. Am 29. Juli geht Schuldirek­torin Ute Scharre-Grüninger in den Ruhestand.
FOTO: CHRISTINA MIKALO Sie nimmt ihren Hut – wortwörtli­ch. Am 29. Juli geht Schuldirek­torin Ute Scharre-Grüninger in den Ruhestand.

Newspapers in German

Newspapers from Germany