Jugendliche sollen passgenau „buchen“, was sie brauchen
Evangelisches Bezirksjugendwerk startet Projekt der „aufsuchenden Jugendarbeit“
SPAICHINGEN/REGION - Zirkuswagen, E-Mobil oder ausgebauter Bully? Das könnte die Zukunft in manchen Gemeinden des evangelischen Kirchenbezirks Tuttlingen für die Jugendarbeit sein. Vom Bezirk und vom Oberkirchenrat ist dafür eine 100-Prozent-Projektstelle genehmigt worden. Ein Zeichen nicht nur wegen der Idee und der geplanten Inhalte, sondern auch wegen des Zeitpunkts, findet Bezirksjugendreferentin Ingrid Klingler, „gerade jetzt, wo überall gespart wird“.
Die Idee ist, von der Komm- zur Gehstruktur zu wechseln: Jugendliche
dort aufzusuchen, wo sie sind, in ihren Gemeinden. Jene Gemeinden in dem ländlich strukturierten Kirchenbezirk, der nicht nur den Kreis Tuttlingen, sondern auch Teile des Kreises Schwarzwald-Baar und Rottweil umfasst, die keinen hauptamtlichen Jugendreferenten haben, und wo die Pfarrer entlastet werden können.
Der Bezirksarbeitskreis und das Projektteam entwickeln schon seit zwei Jahren die Idee eines Jugendmobils samt Referenten. Die Idee hat dem Verantwortlichen für innovatives Handeln und neue Aufbrüche in der evangelischen Landeskirche so gut gefallen, dass er in einem Schreiben
das Projekt als beispielgebend für Gemeinden bezeichnet, in denen vielerorts Ratlosigkeit und Ideenarmut im Umgang mit den Zukunftsfragen herrschten.
Auch wenn das Projekt mit den Gemeinden und Jugendlichen entwickelt werden soll, ist ein zentrales Element ein Baukastensystem aus Angeboten zur Persönlichkeitsentwicklung, Teamtrainings, Sozialer Kompetenz, Hausaufgabenbetreuung, Streitschlichtung, christlicher Glaube, Bibel, Beziehungstraining und mehr. Die Gemeinden und Jugendlichen sollen so passgenau „buchen“können, was genau gebraucht werde. Und ganz stark mit Elementen
der Erlebnispädagogik arbeiten, erläutern Klingler und Christoph Glaser, Vorsitzender des Bezirksjugendwerks.
Es habe sich einfach gezeigt, dass auch das Aufbauen von Beziehungen in diesem flächigen Bezirk sehr schwierig ist und zentrale Veranstaltungen aus praktischen Gründen schwierig für manche Jugendlichen aus entfernteren Gemeinden seien.
So geschehe dieser Beziehungsaufbau durch das Mobil, das als „Begegnungsraum“wirken solle. Im Idealfall habe der oder die mobile kirchliche Jugendarbeiterin nur dort ihren Arbeitsplatz und immer in den Gemeinden.
Auf fünf Jahre ist das Projekt erst einmal ausgelegt. Mit ein Inhalt ist auch, Ehrenamtliche in moderner kirchlicher Jugendarbeit zu schulen. Wie es danach weiter geht? „Es ist ein Versuchslabor“, sagt Klingler, „wir sind gespannt, wie es sich entwickelt“. Das Landesjugendwerk begleitet das Projekt, das auch zum Modell für andere Bezirke werden könnte.
Derzeit ist das Projektteam dabei, die Stellenbeschreibung auszuarbeiten. Bewerber müssen eine Diakonausbildung haben und sich mit Erlebnispädagogik auskennen. Wenn alles gut läuft, geht es dann im ersten Quartal 2021 los. Die beiden Köpfe dieser Idee, Klingler und Glaser, sind glücklich, dass es jetzt losgeht; und fest davon überzeugt, dass davon auch der Impuls ausgeht: „Hey, Kirche hat Zukunft“.