Gränzbote

Pfarrer nimmt noch mal Pilgerstab in die Hand

Seelsorgee­inheit Oberer Heuberg verabschie­det Johannes Amann mit Festgottes­dienst

- Von Manfred Brugger

HEUBERG - Eigentlich hätte dieser menschenna­he Seelsorger nach 16 Jahren einen Abschied mit Pauken und Trompeten verdient gehabt – doch Corona macht auch vor Kirchentür­en nicht Halt. So konnten nur rund 50 Abgeordnet­e der Kirchengem­einderäte von Böttingen, Mahlstette­n, Königsheim, Bubsheim, Egesheim und Reichenbac­h eingeladen werden. Und die Bürgermeis­ter dieser Gemeinden, die vollzählig anwesend waren, um Pfarrer Johannes Amann in der Stunde des Abschieds und des Aufbruchs Danke und Lebewohl zu sagen.

Neben dem Altar symbolisie­rte der Pilgerstab samt Muschel, Kalebasse, Tasche und Pilgerhut des Jakobsweg-begeistert­en Amann, dass nach dessen Ankunft am ersten Adventsson­ntag 2004 jetzt der Abmarsch an das andere Ende der Schwäbisch­en Alb ansteht; wo er am 25. Oktober seine neue Stelle in Westerstet­ten-Lonsee antreten wird.

Dieses nochmalige Aufbrechen im 60. Lebensjahr hat Pfarrer Amann einiges Kopfzerbre­chen bereitet: Wirklich all das Zurücklass­en, was man sich mit viel Herzblut aufgebaut hat?

Die Menschen, die einem ans Herz gewachsen sind? Die vielen engagierte­n Laien, vor allem jene im Seelsorge-Ausschuss der sechs Kirchengem­einden, die immer ein gutes und keineswegs selbstvers­tändliches Miteinande­r gepflegt haben? Die Weite der Heuberglan­dschaft, die es diesem naturverbu­ndenen Seelsorger

schon beim ersten „Schnuppern“2004 angetan hatte?

Letztlich hat dieser im besten Sinne fromme Mann auf seine innere Stimme gehört. Und gespürt, dass er seinen Pilgerstab doch nochmals aus der Ecke holen und weiterzieh­en muss.

Die Predigt von Pfarrer Amann zum Tagesevang­elium legte das Augenmerk nicht auf den ausgesäten Weizen, sondern auf das nachträgli­ch untergejub­elte Unkraut. Und bescherte damit ungewohnte Perspektiv­en. „Trau keinem Ort, an dem kein Unkraut wächst“, habe er einmal auf einem Warnschild gelesen. Wieso? Weil dort entweder die chemische Keule geschwunge­n wird. Oder die Harke gnadenlos waltet. Womit es nicht weit ist zu dem, was im Rahmen von „ethnischen Säuberunge­n“unendliche­s Leid gebracht hat im Laufe der langen Menschheit­sgeschicht­e.

Doch zunächst solle jeder vor seiner Haustür kehren. So hat Amann selbstkrit­isch festgestel­lt, „dass seine Art auch nicht immer weitergeho­lfen habe“. Doch beim Versuch, von „zu sanft“auf „strenger“umzuschalt­en, sei er an Grenzen gestoßen und zum Schluss gekommen, lieber authentisc­h zu bleiben. Also so, wie er ist. Mit allem Stückwerk und Ungetanem, wie es Edith Stein formuliert hat. Und immer im Bemühen, halbwegs die Mitte zu halten.

Dies scheint ihm unter dem Strich gelungen zu sein, denn die Grußwort-Redner waren allesamt voll des Lobes: Dekan Koschar bescheinig­te seinem Mitstreite­r, den Kernauftra­g der Kirche – die Weitergabe der frohen Botschaft – stets mit Leib und Seele ausgefüllt zu haben. Und sich dabei nie schonte, sondern wiederholt an die Grenzen der Belastbark­eit gegangen sei. Neben einem Geldgesche­nk für eines seiner Wunschproj­ekte überreicht­e er eine Medaille aus einem Glockengus­s, handsignie­rt vom Tuttlinger Künstler Roland Martin.

Gustl Frech aus Königsheim hatte den Einkaufsko­rb seiner Frau dabei, anspielend auf dieses Utensil, das Amann schon in vielen Gottesdien­sten bei sich führte, um daraus Anschaulic­hes für seine lebensnahe­n Predigten hervorzuza­ubern. Die übergebene wunderschö­ne Egli-Figur eines Jakobspilg­ers, aus der Künstlerwe­rkstatt von Gertrud Frech, wird im neuen Pfarrhaus auf der Ostalb sicher einen Ehrenplatz bekommen.

Der Böttinger Bürgermeis­ter Benedikt Buggle dankte im Namen der Gemeinde und aller seiner Amtskolleg­en für das „stets gute Miteinande­r“und lobte vor allem den Humor und Mutterwitz des Geistliche­n. Mit dem er oft bei runden Geburtstag­en zusammen kam, was bei seinem CoGratulat­ionspartne­r unter dem Arbeitstit­el

„(Jo) Hannes und der Bürgermeis­ter“lief.

Dass dem Katholiken auch die Ökumene wichtig war, bestätigte ein Trio der Evangelisc­hen Kirchengem­einden aus Wehingen und Rietheim. Zu einer gereimten Dankadress­e gab es einen Geschenkko­rb mit symbolisch­en Gaben.

Zum Schluss dankte der sichtlich bewegte Pfarrer allen Beteiligte­n: Den Konzelebra­nten, dem Chor aus den Organisten und Chorleiter­n der sechs Gemeinden, der Geige, dem Männergesa­ngverein Mahlstette­n und all jenen, die vor und hinter den Kulissen Hand angelegt haben. Nach fast drei Stunden lud Monika MauchMatte­s, die stellvertr­etende Kirchengem­einderatsv­orsitzende von Böttingen, zum Stehempfan­g im neugestalt­eten Pfarrgarte­n. Dort wartete Erfrischen­des auf die Festgesell­schaft. Und die frohe Botschaft, dass es nach einer überschaub­aren Vakanz ab Oktober einen neuen Seelsorger geben wird, der aus Tansania stammt.

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FOTO: BRUGGER
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