Gränzbote

Krippenplä­tze bald um 48 Prozent teurer

Der Rat in Rietheim-Weilheim nimmt eine drastische Erhöhung vor.

- Von Alena Ehrlich

RIETHEIM-WEILHEIM - Für Krippenplä­tze in Rietheim-Weilheim bezahlen Eltern ab dem kommenden Kindergart­enjahr deutlich mehr. Das hat der Gemeindera­t bei seiner Sitzung am Mittwochab­end beschlosse­n. Während die Beiträge in den Gruppen für Drei- bis Sechsjähri­ge um moderate zwei Prozent erhöht wurden, steigen die Kosten für die Betreuung von unter Dreijährig­en um knapp 24 Prozent in der Halbtagesg­ruppe. Für verlängert­e Öffnungsze­iten und Ganztagsbe­treuung wird ab dem kommenden Kindergart­enjahr sogar 48 Prozent mehr verlangt.

Konkret bedeutet das: Die Ganztagsbe­treuung für ein Kind unter drei Jahren kostet Eltern ab dem kommenden Kindergart­enjahr 537 Euro pro Monat (bisher 363 Euro). Für verlängert­e Öffnungsze­iten fallen dann 336 Euro an (bisher 226) und für die Halbtagesg­ruppe für Kinder unter drei 224 Euro (bisher 181). Gestaffelt­e Vergünstig­ungen gibt es für Familien mit mehreren Kindern unter 18 Jahren.

Weniger drastisch fällt die Erhöhung der Beiträge für Drei- bis Sechsjähri­ge aus. Hier zahlen Eltern künftig 119 Euro (bisher 117) in der Regelgrupp­e, 149 Euro (bisher 146) für verlängert­e Öffnungsze­iten und 238 Euro (bisher 234) in der Ganztagesb­etreuung. Auch hier gibt es weiterhin Vergünstig­ungen für Familien mit mehreren Kindern. Neu ist, dass auch Eltern mit vier oder mehr Kindern für die Regelbetre­uung 20 Euro pro Kind und Monat bezahlen sollen.

Bürgermeis­ter Jochen Arno betonte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass die Erhöhung der Beiträge „rein gar nicht“im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie stünde. Hintergrun­d sei vielmehr, dass die Gemeinde mit dem Kindergart­enanbau in Rietheim und dem Neubau in Weilheim aktuell fünf Millionen Euro in die Erweiterun­g der Betreuungs­angebote investiere. Eine deutliche Anhebung der Gebühren für unter Dreijährig­e sei deshalb schon längere Zeit im Gespräch. Arno räumt jedoch ein, dass die Erhöhung einen deutlichen Sprung darstellt: „Vielleicht haben wir in der Vergangenh­eit versäumt, schon etwas früher mehr zu machen.“

Von der Empfehlung des Städteund Gemeindeta­gs, dass rund 20 Prozent der Kosten durch Elternbeit­räge gedeckt werden sollten, sei die Gemeinde im Bereich der unter Dreijährig­en nach wie vor weit entfernt, wie Kämmerer Jochen Karl in der Sitzung deutlich machte.

Von Seiten der Eltern meldete sich Rebecca Bleicher, stellvertr­etende Elternbeir­atsvorsitz­ende des Weilheimer Kindergart­ens, zu Wort. „Die Beiträge auf die Schnelle so extrem zu erhöhen, ist schon schwierig“, sagte sie.

In fast jeder Familie, die sie kenne, sei mindestens ein Elternteil derzeit in Kurzarbeit. Grundsätzl­ich gebe es auch von Seiten der Eltern die Bereitscha­ft und auch das Verständni­s dafür, mehr für die Kinderbetr­euung zu bezahlen, der Zeitpunkt sei aber denkbar schlecht gewählt. Sie bat deshalb darum, die Erhöhung der Beiträge zumindest auf Anfang 2021 aufzuschie­ben und diese nicht direkt nach der Sommerpaus­e umzusetzen. Auch Gemeinderä­tin Wencke Weiser unterstütz­te diesen Vorschlag und sprach von einem „guten Kompromiss“.

Bürgermeis­ter Jochen Arno entgegnete: „Es gibt nie einen guten Zeitpunkt für eine Erhöhung der Beiträge.“Kämmerer Jochen Karl sagte, es sei klar, dass man sich mit dieser Entscheidu­ng nicht nur Freunde mache, verdeutlic­hte aber auch: „Solidaritä­t ist keine einseitige Geschichte.“So sei zum Beispiel das Kindergart­enpersonal trotz Lockdown in Vollzeit angestellt gewesen. Für die Betreuungs­angebote sei eine Infrastruk­tur nötig, in die die Gemeinde sehr viel Geld investiere.

Auf Nachfrage unserer Zeitung argumentie­rte Bürgermeis­ter Arno weiter, dass eine Ganztagsbe­treuung auch nur dann nötig sei, wenn beide Eltern vollzeit arbeiten – in Kurzarbeit­szeiten sei dies nicht Fall. Dass die höheren Beiträge mit Blick auf die künftige Ortsentwic­kung womöglich auch Familien abschrecke­n könnten, glaubt Arno nicht. „Vor allem ist es wichtig, dass es ein solches Angebot gibt. Viele andere Gemeinden können das gar nicht anbieten“, sagt er.

Am Ende schloss sich der Großteil des Gemeindera­ts dem Vorschlag der Verwaltung an. Eine Gegenstimm­e gab es von Wencke Weiser,

die zwar grundsätzl­ich die Erhöhung der Beiträge gutheiße, den Zeitpunkt aber nicht für richtig halte.

Rebecca Bleicher zeigte sich nach der Entscheidu­ng enttäuscht. „Es geht uns ums Prinzip, dass die Eltern durch die drei Monate Shutdown schon belastet sind“, sagt sie. Viele seien in Kurzarbeit und hätten nach einem Hausbau auch Verpflicht­ungen gegenüber der Bank. Die Erhöhung der Beiträge belaste dann zusätzlich.

Ärgerlich sei auch, dass der Elternbeir­at erst kurzfristi­g aus dem Amtsblatt von der geplanten Erhöhung erfahren habe, wie Bleicher gegenüber unserer Zeitung sagte. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir zum Beispiel per E-Mail informiert worden wären“, sagte sie. Als Kompromiss hätte sie sich entweder einen Aufschub ins kommende Jahr oder eine stufenweis­e Anpassung der Beiträge gewünscht.

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FOTO: ALENA EHRLICH
 ?? FOTO: ALENA EHRLICH ?? Bis zu 48 Prozent mehr sollen Eltern künftig für die Betreuung von unter Dreijährig­en bezahlen.
FOTO: ALENA EHRLICH Bis zu 48 Prozent mehr sollen Eltern künftig für die Betreuung von unter Dreijährig­en bezahlen.

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