„Das Netz“: Tuttlinger Zeitschrift wiederbelebt
Grafiken, Texte und Bilder: Rund 50 Beiträge sind vertreten – Hefttaufe ist kommende Woche
TUTTLINGEN - Drei Ausgaben der Literaturzeitschrift „Das Netz“sind in den frühen 1960er-Jahren in Tuttlingen erschienen. Entstanden ist das Magazin damals im Umfeld des legendären Jazz-Club „club d’or“, deren Mitglieder sich im Keller des Gasthauses „Schützen“trafen. Von einigen sei der Wunsch aufgekommen, neben Jam-Sessions und Konzerten auch das Thema Literatur zu behandeln. Nun, rund 60 Jahre danach, wird diese Idee wiederbelebt. Die neue Ausgabe von „Das Netz“hat kommende Woche ihre Taufe.
Die „Zeitschrift für Literatur, Graphik und neue Musik“hat damals Werke von Allen Ginsberg übersetzt, Stücke über Jazz und andere Musikrichtungen sowie Gedichte der damaligen Herausgeber Peter Maurer und Claus Bohn abgedruckt. Eine Publikation von Marlies Allgaier-Schutzbach in den Tuttlinger Heimatblättern 2018 geht auf die Verbindung der beiden ein: Maurer und Bohn verband der Hang zur Literatur, speziell zur Lyrik. Unter
anderem ist Claus Bohns Gedicht „Charlie“mit seinem „ewigtraurigen Saxophonistengesicht“in Band eins verewigt worden. Kaufpreis von „Das Netz“: „Vorerst episodisch zum Preis von DM 1.“
„Wenn man das heutzutage liest, merkt man sofort, dass es sich in der Szene um eine Art Subkultur handelte, und das sehr früh, Jahrzehnte beispielsweise vor der Punk-Bewegung“, sagt Jeremias Heppeler, freischaffender Künstler aus Fridingen. Er hat gemeinsam mit seinem Vater Christof entscheidend zur Neuauflage von „Das Netz“beigetragen und viele Autoren und Künstler zur Mitarbeit angeregt. Im Rückblick auf die Vorgänger sagt er: „Das war schon extrem cool und spannend. Daran möchten wir anknüpfen.“
80 Seiten umfasst das neue Heft, das im DIN A5-Format als Magazin gedruckt wird. Am Freitag, 7. August, feiert es seinen Release in der „Kischte“im Umläufle. Dazu gehört eine Ausstellung und Lesungen verschiedener „Netz“-Autoren von Konstanz bis Freiburg. Der Abend wird vom Land BadenWürttemberg im Zuge des Programms Kultursommer 2020 gefördert. Kischte-Mitbetreiber Daniel Stehle hat als Redaktionsmitglied und Mitinitiator entscheidend zum Wiedererscheinen von „Das Netz“beigetragen – da schließt sich der Kreis. Der Verein Kukav (Kulturkasten –Verein für interkulturellen
Austausch), der die Idee aufbrachte, neben Konzerten und Ausstellungen auch das Thema Literatur anzugehen, ist zudem als Unterstützer aufgetreten – auch in finanzieller Hinsicht.
„Das Netz“umfasst in seiner vierten Ausgabe 350 Exemplare und kostet fünf Euro. Ungefähr 50 Bilder und Grafiken samt Texte sind darin abgedruckt. Der Schwerpunkt liegt auf Tuttlinger und regionalen Künstlern. Vertreten sind zum Beispiel der Isländer Bragi Lohde, der im Donautal lebt. Er hat isländische Texte übersetzt. Der Konstanzer Stadtrat und Sprachwissenschaftler Mohamed Badawi hat den Artikel „Rrreden Sie Deutsch!“beigetragen, auch der Lyriker José F. A. Oliver aus Hausach, der für den dortigen Leselenz verantwortlich zeichnet, ist dabei. Das Titelbild stammt vom Tuttlinger Fotografen und Künstler Olivier Buscapé.
„Die Zeitschrift ist wirklich besonders geworden“, findet Heppeler. Auch Corona habe seinen Beitrag dazu geleistet – denn in der auftrittsfreien Zeit war endlich Muße genug vorhanden, ein solches Projekt anzugehen. Die beteiligten Künstler haben ihre Arbeiten und Texte honorarfrei für das Netz bereitgestellt. Durch die Landesförderung können die lesenden Autoren adäquat belohnt werden.
„Das Netz“gibt es bei der „Kischte“und bei „Stiefels Buchladen“oder kann auch über diese Adresse angefordert werden: https://kukav.de/das-netz/