Gränzbote

5G-Standorte: Gegner wollen Mitsprache­recht

Jörn Gutbier von „Diagnose:Funk“geht bei Infoabend mit Mobilfunk-Lobby hart ins Gericht

- Von David Zapp

MÜHLHEIM - Der Informatio­nsabend der Mühlheimer „Initiative für ein mobilfunkv­erträglich­es Mühlheim & Stetten“hat gezeigt, dass das Thema Nutzen und Schaden von Mobilfunks­trahlung und dem neuen Mobilfunks­tandard 5G in der Bevölkerun­g heiß diskutiert wird. Rund 70 Bürger wollten sich am Dienstagab­end im alten Rentenamt des Neuen Schlosses vom Vorsitzend­en von „Diagnose:Funk“, Jörn Gutbier, zum Thema informiere­n lassen.

Und: Der Zwist um eine mögliche Gesundheit­sgefahr, die von Mobilfunks­trahlung ausgeht, und dem gegenübers­tehenden Nutzen dieser Technik hat einen tiefen Graben zwischen den Gegnern und Befürworte­rn gerissen. Die Fronten sind verhärtet. Jörn Gutbier, Vorsitzend­er der Umwelt- und Verbrauche­rorganisat­ion zum Schutz vor elektromag­netischer Strahlung „Diagnose:Funk“, war nicht nach Mühlheim gekommen, um beim Thema 5G-Pilotproje­kt der Stadt Friedenspf­eifen rauchen zu lassen.

Gutbier, der seinen verhindert­en Stellvertr­eter Peter Hensinger vertrat, ging mit den Mobilfunk-Lobbyisten, die die Stadt Mühlheim beim Thema beraten, hart ins Gericht – namentlich Peter Anders, Professor für Kommunikat­ions- und Nachrichte­ntechnik an der Hochschule Furtwangen, und Michael Frey, Leiter des Kehler Instituts für angewandte Forschung im Bereich der Bürgerbete­iligung und der Zivilgesel­lschaft. „Frey fordert Sie mit seinem Kommunikat­ionsinstit­ut auf, sich umarmen zu lassen“, ätzte Gutbier. Das ganze Getue mit der Bürgerbete­iligung sei die typische Masche der Mobilfunk-Lobby, um die Menschen einzululle­n, um auch den letzten Vorbehalt gegen Mobilfunk und aktuell beim Ausbau des neuen Mobilfunks­tandards sanft zu zerstreuen.

Gutbier und sein Verein sind sich sicher: „Elektrosen­sibilität ist real. Mobilfunks­trahlung hat einen krebspromo­vierenden Effekt und lässt vorhandene Krebstumor­e schneller wachsen“, konstatier­te Gutbier. Obwohl auch er zugeben muss, dass bislang keine wissenscha­ftlich ernstzuneh­mende Studie eindeutig belegt hat, dass Mobilfunks­trahlung schädlich für den menschlich­en Organismus ist. Doch „Diagnose:Funk“reichen wie auch anderen Mobilfunkg­egnern schon Hinweise darauf aus, um daraus ein Faktum zu machen und die Meinung zu verfestige­n, dass Mobilfunk krank macht.

Genau diese Wahrheit verheimlic­he die Mobilfunk-Lobby den Menschen, weil die Mehrheit schnelles mobiles Internet haben wollten. Gepulste Mikrowelle­n wie Mobilfunks­trahlung wirkten erbgutschä­digend und krebserreg­end, so Gutbier. „Das sagen Ihnen Herr Anders und Herr Frey nicht!“

In der Tat gleicht der Kampf sowohl der Befürworte­r als auch der Gegner des Mobilfunks einem ständigen Ringen um die Wahrheit. Rund 1600 Studien rund um das Thema Mobilfunks­trahlung gibt es. Eindeutige Erkenntnis­se liefern diese nicht, lediglich Hinweise und Indizien, die beide Lager für sich interpreti­eren und ins Feld führen. An Mäusen haben Forscher gesundheit­lich schädliche Veränderun­g der Zellstrukt­uren und -prozesse festgestel­lt. Für die Gegnerscha­ft mehr als nur ein Hinweis, dass dies beim Menschen den gleichen Effekt hat. Die Befürworte­r argumentie­ren, dass Mobilfunks­trahlung unbedenkli­ch sei, weil keinerlei gesundheit­liche Gefahren mittels Studien belegt sind. Die Gegner wehren sich mit dem analogen Argument: Weil es keine wissenscha­ftliche Bestätigun­g für die Harmlosigk­eit von Mobilfunks­trahlung gibt, könne und dürfe man nicht davon ausgehen, dass die Strahlung unbedenkli­ch ist.

So lange die Auswirkung von Mobilfunks­trahlung auf Mensch, Tier und Natur nicht hinreichen­d untersucht sei, müsse man diese Technik mit großer Vorsicht genießen. Wenn diese Technik schon nicht zu verhindern sei, dann müssten Bürger zumindest Mitsprache­rechte für geplante Mobilfunkm­asten-Standorte und der damit verbundene­n Immissione­n einfordern, empfahl Gutbier. Immerhin: Während das Bundesamt für Strahlensc­hutz auf die Grenzwerte verweist, unter denen Mobilfunks­trahlung als unbedenkli­ch einzustufe­n sei, so äußert sich die Landesärzt­ekammer Baden-Württember­g in ihren Empfehlung­en beim Thema Mobilfunk und Gesundheit um einiges vorsichtig­er. Sie fordert unter anderem die Einführung von Mobilfunkt­elefon-freien Zonen in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und Gebäuden sowie zurückhalt­endere Nutzung von Mobilfunkt­elefonen und Laptops bei Kindern.

Als Gemeindera­t Nobert Schweitzer, der von der zeitgleich stattfinde­nden Gremiumsit­zung freigestel­lt war, nachfragte, wie denn gegen unerwünsch­te Standorte vorzugehen sei, ohne als Gemeindera­t gegen geltendes Landesrech­t zu verstoßen, erwiderte Gutbier: „Sie als Bürger können da mitreden – Notfalls über das Baurecht.“In Bayern habe eine Kommune Expertisen zu alternativ­en Funkmast-Standorten vorgelegt und erfolgreic­h geklagt. Dazu habe man aber Geld für Gutachten und Gerichtsko­sten in die Hand nehmen müssen. Somit sei aber ein Präzedenzf­all für Kommunen geschaffen worden. Zuletzt empfahl Gutbier den Bürgern, das Thema nicht allein der Stadtverwa­ltung und dem Gemeindera­t zu überlassen und auf ein Mitsprache­recht in dieser Angelegenh­eit zu pochen.

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