5G-Standorte: Gegner wollen Mitspracherecht
Jörn Gutbier von „Diagnose:Funk“geht bei Infoabend mit Mobilfunk-Lobby hart ins Gericht
MÜHLHEIM - Der Informationsabend der Mühlheimer „Initiative für ein mobilfunkverträgliches Mühlheim & Stetten“hat gezeigt, dass das Thema Nutzen und Schaden von Mobilfunkstrahlung und dem neuen Mobilfunkstandard 5G in der Bevölkerung heiß diskutiert wird. Rund 70 Bürger wollten sich am Dienstagabend im alten Rentenamt des Neuen Schlosses vom Vorsitzenden von „Diagnose:Funk“, Jörn Gutbier, zum Thema informieren lassen.
Und: Der Zwist um eine mögliche Gesundheitsgefahr, die von Mobilfunkstrahlung ausgeht, und dem gegenüberstehenden Nutzen dieser Technik hat einen tiefen Graben zwischen den Gegnern und Befürwortern gerissen. Die Fronten sind verhärtet. Jörn Gutbier, Vorsitzender der Umwelt- und Verbraucherorganisation zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung „Diagnose:Funk“, war nicht nach Mühlheim gekommen, um beim Thema 5G-Pilotprojekt der Stadt Friedenspfeifen rauchen zu lassen.
Gutbier, der seinen verhinderten Stellvertreter Peter Hensinger vertrat, ging mit den Mobilfunk-Lobbyisten, die die Stadt Mühlheim beim Thema beraten, hart ins Gericht – namentlich Peter Anders, Professor für Kommunikations- und Nachrichtentechnik an der Hochschule Furtwangen, und Michael Frey, Leiter des Kehler Instituts für angewandte Forschung im Bereich der Bürgerbeteiligung und der Zivilgesellschaft. „Frey fordert Sie mit seinem Kommunikationsinstitut auf, sich umarmen zu lassen“, ätzte Gutbier. Das ganze Getue mit der Bürgerbeteiligung sei die typische Masche der Mobilfunk-Lobby, um die Menschen einzulullen, um auch den letzten Vorbehalt gegen Mobilfunk und aktuell beim Ausbau des neuen Mobilfunkstandards sanft zu zerstreuen.
Gutbier und sein Verein sind sich sicher: „Elektrosensibilität ist real. Mobilfunkstrahlung hat einen krebspromovierenden Effekt und lässt vorhandene Krebstumore schneller wachsen“, konstatierte Gutbier. Obwohl auch er zugeben muss, dass bislang keine wissenschaftlich ernstzunehmende Studie eindeutig belegt hat, dass Mobilfunkstrahlung schädlich für den menschlichen Organismus ist. Doch „Diagnose:Funk“reichen wie auch anderen Mobilfunkgegnern schon Hinweise darauf aus, um daraus ein Faktum zu machen und die Meinung zu verfestigen, dass Mobilfunk krank macht.
Genau diese Wahrheit verheimliche die Mobilfunk-Lobby den Menschen, weil die Mehrheit schnelles mobiles Internet haben wollten. Gepulste Mikrowellen wie Mobilfunkstrahlung wirkten erbgutschädigend und krebserregend, so Gutbier. „Das sagen Ihnen Herr Anders und Herr Frey nicht!“
In der Tat gleicht der Kampf sowohl der Befürworter als auch der Gegner des Mobilfunks einem ständigen Ringen um die Wahrheit. Rund 1600 Studien rund um das Thema Mobilfunkstrahlung gibt es. Eindeutige Erkenntnisse liefern diese nicht, lediglich Hinweise und Indizien, die beide Lager für sich interpretieren und ins Feld führen. An Mäusen haben Forscher gesundheitlich schädliche Veränderung der Zellstrukturen und -prozesse festgestellt. Für die Gegnerschaft mehr als nur ein Hinweis, dass dies beim Menschen den gleichen Effekt hat. Die Befürworter argumentieren, dass Mobilfunkstrahlung unbedenklich sei, weil keinerlei gesundheitliche Gefahren mittels Studien belegt sind. Die Gegner wehren sich mit dem analogen Argument: Weil es keine wissenschaftliche Bestätigung für die Harmlosigkeit von Mobilfunkstrahlung gibt, könne und dürfe man nicht davon ausgehen, dass die Strahlung unbedenklich ist.
So lange die Auswirkung von Mobilfunkstrahlung auf Mensch, Tier und Natur nicht hinreichend untersucht sei, müsse man diese Technik mit großer Vorsicht genießen. Wenn diese Technik schon nicht zu verhindern sei, dann müssten Bürger zumindest Mitspracherechte für geplante Mobilfunkmasten-Standorte und der damit verbundenen Immissionen einfordern, empfahl Gutbier. Immerhin: Während das Bundesamt für Strahlenschutz auf die Grenzwerte verweist, unter denen Mobilfunkstrahlung als unbedenklich einzustufen sei, so äußert sich die Landesärztekammer Baden-Württemberg in ihren Empfehlungen beim Thema Mobilfunk und Gesundheit um einiges vorsichtiger. Sie fordert unter anderem die Einführung von Mobilfunktelefon-freien Zonen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden sowie zurückhaltendere Nutzung von Mobilfunktelefonen und Laptops bei Kindern.
Als Gemeinderat Nobert Schweitzer, der von der zeitgleich stattfindenden Gremiumsitzung freigestellt war, nachfragte, wie denn gegen unerwünschte Standorte vorzugehen sei, ohne als Gemeinderat gegen geltendes Landesrecht zu verstoßen, erwiderte Gutbier: „Sie als Bürger können da mitreden – Notfalls über das Baurecht.“In Bayern habe eine Kommune Expertisen zu alternativen Funkmast-Standorten vorgelegt und erfolgreich geklagt. Dazu habe man aber Geld für Gutachten und Gerichtskosten in die Hand nehmen müssen. Somit sei aber ein Präzedenzfall für Kommunen geschaffen worden. Zuletzt empfahl Gutbier den Bürgern, das Thema nicht allein der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat zu überlassen und auf ein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit zu pochen.