Kein Sommerschlussverkauf
Verband verzichtet auf offiziellen Termin – Rabatte gibt es dennoch
RAVENSBURG - Ende Juli ist traditionell die Zeit der großen Rabattschlachten im Modehandel. Die Sommermode soll raus aus den Geschäften, damit Platz für die Herbstware ist. Der Handelsverband BadenWürttemberg benennt gemeinsam mit dem BTE Handelsverband Textil in der Regel den letzten Montag im Juli als Startschuss für den Sommerschlussverkauf – der ultimativen Höhepunkt sozusagen für Schnäppchenjäger. Doch im Jahr der Pandemie ist alles anders – und das trifft ganz besonders für die Modebranche zu.
Einen offiziellen Termin für den Sommerschlussverkauf hat der BTE Handelsverband Textil für den Modehandel 2020 nicht benannt. Nachdem die Geschäfte im Frühjahr komplett geschlossen waren, verfolge jeder Händler bei den Rabatten nun einen individuellen Weg, sagt Hilmar Pfister, Sprecher des Handelsverbands Baden-Württemberg. Gesetzlich ist das seit dem Jahr 2004 auch möglich. War früher der Sommerschlussverkauf genau geregelt, entscheiden die Händler seit 2004 individuell über Rabattaktionen.
Und nachdem die Umsätze im Frühjahr ausgeblieben sind, locken Händler ohnehin schon seit Wochen mit „Sale“-Schildern und Preisnachlässen. Sie brauchen nach dem Corona-Lockdown wieder dringend Geld in der Kasse, um Mieten und sonstige Kosten zu zahlen. Auf der anderen Seite seien viele Händler aber auch bemüht, die Saison zu verlängern, sagt Hilmar Pfister – also die Sommermode bis in den August hinein in den Läden hängen zu lassen. Denn schließlich sitzen die Händler noch auf viel Ware, die sie im Frühjahr nicht verkaufen konnten. „Die Strategien sind unterschiedlich – von frühem Sale bis zu länger stabilen Preisen“, sagt BTE-Sprecher Axel Augustin.
„Natürlich fehlen uns diese Wochen im Frühjahr sehr“, sagt Bernd Deuter, vom Modehaus Reischmann, das Standorte in Ravensburg, Ulm, Kempten und Memmingen führt. „Wir werden diesen Verlust an Verkaufstagen nicht ausgleichen können.“Aktuell beginne sich das Lager zwar wieder zu nivellieren, dennoch verfüge man noch über etwas mehr Sommerware als in den Vorjahren. Reischmann gibt deswegen derzeit Preisnachlässe auf viele Produkte. Man halte am traditionellen Zeitraum für den Sommerschlussverkauf, den man aus der Vergangenheit kenne, fest. „Das macht für uns Sinn“, sagt Deuter.
Unter den Einzelhändlern hat die Corona-Krise die Bekleidungs- und
Schuhgeschäfte am schlimmsten getroffen, sagt Hilmar Pfister. Während beispielsweise der Handel mit Büchern, Schreibwaren oder Bürobedarf in Baden-Württemberg ein Minus von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat verzeichnete, mussten die Modegschäfte „im April ein Minus von 70 Prozent aushalten“. Hinzu kommt die wachsende Konkurrenz durch den Onlinehandel. Allein im Juni, das zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes, verzeichnete dieser ein Plus von 31 Prozent während Mode- und Schuhläden sowie Kaufhäuser 16 Prozent weniger Umsatz machten.
„Davon werden sich viele Bekleidungsgeschäfte nur schwer erholen“, sagt Pfister. „Zehntausende von ihnen stehen vor dem finanziellen Ruin.“Auch nach den Wiederöffnungen würden die Kunden nur sehr zögerlich wieder in die Modegeschäfte kommen. Mit der Maskenpflicht würden sich viele Kunden immer noch schwertun. Geschäfte könnten für immer verschwinden, Innenstädte veröden, sagt Pfister.
So weit will man beim Modehaus Reischmann nicht denken. Das Jahr werde zwar ein großer Kraftakt, sagt Bernd Deuter. „Aktuell werden wir einen Umsatzverlust von 20 Prozent einplanen müssen.“Aber: Reischmann habe keine Stellen gekürzt und kämpfe um jeden Arbeitsplatz. „Aktuell liest man ja leider viel über starken Stellenabbau in der Wirtschaft, sowohl bei Handel als auch Industrie. Das wollen wir wenn irgendwie möglich vermeiden“, sagt Deuter. Rabatte sind da ein kleiner Schritt auf dem Weg.