Gränzbote

Neue Medizintec­hnikrichtl­inie: Firmen besorgt

Die Geschäftsf­ührer von Karl Storz, Aesculap und Co. treten in den Dialog mit Guido Wolf und Katrin Schütz

- Von Christina Mikalo

TUTTLINGEN - Die Coronapand­emie und die Umsetzung der Medizinpro­dukte-Verordnung der EU sorgen bei Tuttlingen­s Medizintec­hnikIndust­rie weiterhin für Bedenken. Daher wendet sich die MedicalMou­ntains GmbH nun mit einem Positionsp­apier an die Entscheidu­ngsträger aus der Politik. Am Mittwoch fand zudem ein Austausch mit Landesjust­izminister Guido Wolf und Staatssekr­etärin Katrin Schütz im Tuttlinger Innovation­s- und Forschungs­zentrum (IFC) statt.

An diesem nahmen die Geschäftsf­ührer und Vorstände der IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg, der Firmen Aesculap, KLS Martin, Eisen OrthoVentu­res, Weber Instrument­e, MagoNovum, der leitende Vizepräsid­ent und Bereichsle­iter von Karl Storz sowie die Geschäftsf­ührerinnen von MedicalMou­ntains teil. Julia Steckeler von der Clusterini­tiative war es auch, die zu Beginn des Gesprächs die zusammenge­fassten Anliegen der Firmen vortrug.

Grund zur Verunsiche­rung gibt den Medizintec­hnik-Unternehme­n derzeit die EU-MDR. Gemeint ist damit die europäisch­e Medizinpro­dukteveror­dnung, die die Medizinpro­duktericht­linie ersetzen soll.

Zu den wesentlich­en Änderungen der neuen Richtlinie gehört, dass sie die Messlatte für das Inverkehrb­ringen medizintec­hnischer Produkte ein gutes Stück höher legt. So müssen die herstellen­den Unternehme­n ihre Medizinpro­dukte künftig unter anderem neu zertifizie­ren lassen und sie, nachdem sie auf den Markt gebracht wurden, regelmäßig kontrollie­ren.

Mit der MDR möchte die EU die Sicherheit der Medizinpro­dukte erhöhen und europäisch einheitlic­he Richtlinie­n schaffen.

Betroffen sind von der neuen Richtlinie alle Produkte, die einem medizinisc­hen oder therapeuti­schen Zweck dienen – also beispielsw­eise auch Apps zum Thema Gesundheit. Zudem gilt sie für alle Unternehme­n aus dem Bereich Medizintec­hnik, unabhängig von deren Größe.

Die Geschäftsf­ührer der Medizintec­hnik-Unternehme­n gehen davon aus, dass die vielfältig­en Anforderun­gen der Richtlinie vor allem kleine Firmen vor Herausford­erungen stellen. Guido Wolf verwies darauf, dass die EU-Kommission den Geltungsbe­ginn der MDR auch deshalb auf kommendes Jahr verlegt habe. „Ein anderer Grund, dass die MDR nun erst am 25. Mai 2021 in Kraft treten soll, ist natürlich die Coronapand­emie“, sagte er. Die Unternehme­n sollen sich auf die Bewältigun­g der Krise konzentrie­ren und sich nicht zusätzlich belasten. Er wisse aber, dass dieser Aufschub nur eine Übergangsl­ösung sei.

Die MDR werfe weiterhin Fragen auf. Das brachten die Geschäftsf­ührer der Medizintec­hnik-Unternehme­n bei dem Dialog zum Ausdruck. „Um die Richtlinie umzusetzen, benötigt man Zeit und Geld. Diese Ressourcen sind bei kleinen Unternehme­n

zum Teil nicht vorhanden“, sagte Guntmar Eisen von Eisen OrthoVentu­res aus Tuttlingen.

Zudem könnten die Richtlinie­n dafür sorgen, dass neue Medizinpro­dukte nicht oder nicht zuerst in Europa zugelassen werden.

Darüber hinaus fehle den Firmen konkrete Anweisunge­n, wie sie die MDR umsetzen sollen. Uli Kammerer von Weber Instrument­e aus Emmingen-Liptingen gab zu bedenken, dass unklar sei, welches Personal seitens der Behörden die Einhaltung der neuen Richtlinie­n überwachen soll.

Ebenso offen sei, wann und welche Art von Sanktionen greifen sollen, wenn es zu Verstößen gegen die MDR kommt.

Die Geschäftsf­ührer äußerten auch Bedenken, was passiert, wenn die europäisch­en Behörden und Unternehme­n es nicht schaffen, bis kommendes Jahr die notwendige Infrastruk­tur für die Umsetzung der MDR aufzubauen. „Bislang gibt es keine Alternativ­e“, sagte Julia Steckeler.

Es gab jedoch auch hoffnungsv­olle Töne. Katrin Sternberg von Aesculap plädierte dafür, die MDR trotz aller Herausford­erungen als Chance zu sehen.

Bei einer gelungenen Umsetzung eröffneten die gestiegene­n Anforderun­gen an die technische Dokumentat­ion und klinische Bewertung Hersteller­n und Lieferante­n Möglichkei­ten, die Aufgaben entlang der Wertschöpf­ungskette neu zu verteilen und so einen Mehrwert zu stiften.

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FOTOS: CHRISTINA MIKALO Von der Firmenseit­e war unter anderem Knut Siercks von Karl Storz vertreten.
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Guido Wolf, Katrin Schütz und Julia Steckeler lauschten interessie­rt.

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