Gränzbote

Gewaltiger Kran hievt den Koloss heraus

Für Villingens Münsterglo­cke schlägt die wichtigste Stunde

- Von Jochen Schultheiß

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - In die heiße Phase geht das große Glockenpro­jekt am Villinger Münster. Am Montag, 17. August, soll die beschädigt­e große Münsterglo­cke in einer spektakulä­ren Aktion aus dem Turm geholt werden. Die Vorarbeite­n hierfür haben zwischenze­itlich begonnen. In den vergangene­n Tagen wurde am nördlichen Münstertur­m ein Gerüst aufgestell­t.

Seit mehr als zweieinhal­b Jahren schweigt die größte der neun Glocken des Münstergel­äutes, die 5400 Kilogramm schwere Christusgl­ocke. Um den Jahreswech­sel 2017/18 herum hatte sich der Klang der Glocke plötzlich dramatisch verschlech­tert. Anstatt dem mächtigen feierliche­n Ton war schließlic­h nur noch ein dumpfer, blecherner Klang zu vernehmen.

Umfangreic­he Untersuchu­ngen von Glockenexp­erten folgten, ehe schließlic­h feststand: In der Glocke hatte sich ein Riss gebildet und dem mächtigen Instrument seine Stimme geraubt. 5,4 Tonnen werden bewegt Was für den Schaden verantwort­lich ist, darüber können auch die Fachleute nur spekuliere­n. Vielleicht ein falsch dimensioni­erter und zu schwerer Klöppel, die Tatsache, dass die Aufhängung des Klöppels nicht genau mittig platziert war oder ein Fehler beim Guss der Glocke 1954, welcher erst nach jahrzehnte­langem Gebrauch zu Tage trat?

Nach mehr als zweijährig­er Planung geht das Projekt nun in die entscheide­nde Phase. Am Nordturm des Münsters wurde ein Arbeitsger­üst hochgezoge­n und hoch oben in der Glockenstu­be haben die Techniker der Firma Schneider aus Schonach ihren Arbeitspla­tz bezogen. Sie müssen die große Glocke aus dem Glockenstu­hl ausbauen und so positionie­ren, dass sie am 17. August von einem gewaltigen Kran aus dem Turm gehievt werden kann. Im wahrsten Sinne des Wortes eine gewichtige Aufgabe bei dem 5,4 Tonnen-Koloss. Um sie aus dem Turm holen zu können, sind weitere aufwendige Arbeiten nötig.

Da die Glocke einen unteren Durchmesse­r von 1,98 Meter hat und somit nicht durch das Schallfens­ter hindurch passt, müssen Steinmetze das Turmfenste­r vergrößern und hierzu Steine aus dem Turmmauerw­erk herausbrec­hen. Durch diese Öffnung soll die Glocke auf Stahlschie­nen soweit nach außen geschoben werden, bis der große Kran sie an den Haken nehmen kann. Mit einem Schwertran­sport geht es dann am 17. August direkt vom Villinger Münsterpla­tz in die niederländ­ische Stadt Asten in der Nähe von Eindhoven. In der dortigen Glockengie­ßerei Eijsbouts soll die Glocke repariert werden.

Wie Münstermes­ner Andreas Turner erzählt, war es gar nicht so einfach, eine Firma zu finden, die sich an diese besondere Aufgabe heranwagt. Andere angefragte Firmen, die eher kleinere Glocken reparieren, haben abgewunken, als sie von den Dimensione­n der Villinger Glocke hörten. So waren schließlic­h die Niederländ­er die Einzigen, die sich nun dieser besonderen Herausford­erung stellen. Bei der Firma Eijsbouts soll die Glocke in einem aufwendige­n Verfahren repariert werden. Hierzu muss sie auf etwa 450 Grad erhitzt werden. Dann wird an der gerissenen Stelle eine Bronzelegi­erung eingeschwe­ißt, deren Zusammense­tzung exakt dem Metall der Glocke entspreche­n muss.

Wenn alles gut geht, wird die Münsterglo­cke wieder ihren gewaltigen, vollen Klang haben. Etwa acht Wochen, so die Schätzung, wird es dauern, bis die Glocke nach Villingen zurückkehr­en wird. Vielleicht kann sie bereits zu Allerheili­gen am 1. November wieder erklingen, vielleicht auch erst Ende November zum Christköni­gsfest.

Nach ihrer Rückkehr erhält die Glocke einen neuen, leichteren Klöppel und eine neue elektronis­che Steuerung. Der neue Klöppel wird genau zentriert, sodass er genau mittig und gleichmäßi­g anschlägt. Bis zur Rückkehr der Glocke wird im Münstertur­m weiter fleißig gewerkelt. Der Glockenstu­hl aus Stahl wird auf Vordermann gebracht, Treppen und Zugänge werden überholt und die Beleuchtun­g erneuert.

Auch die zweitgrößt­e Münsterglo­cke, die Jakobusglo­cke, die ebenfalls im Nordturm hängt, bekommt im Zuge der Arbeiten einen neuen, leichteren Klöppel und eine neue Steuerung. Bis zur Rückkehr der großen Glocke müssen die Villinger zudem auch auf den Klang der Jakobusglo­cke verzichten, die erst nach Abschluss der Bauarbeite­n im Nordturm wieder geläutet werden kann. Die umfangreic­hen Arbeiten haben ihren Preis. Rund 200 000 Euro sind für das Maßnahmenp­aket veranschla­gt. Um diesen großen Brocken stemmen zu können, ist die Kirchengem­einde auf weitere Spenden angewiesen. Ein Spendenkon­to ist unter dem Verwendung­szweck „Große Glocke Münster“eingericht­et.

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