Gränzbote

Heilung geht durch die Nase

Lavendel, Weihrauch, Pfeffermin­ze: Ätherische Öle können entspannen, zur Wundheilun­g beitragen und Schmerzen lindern

- Von Sabine Meuter

Als angenehm empfundene Düfte können entspannen­d wirken und das Wohlbefind­en steigern. Aromen und Kräuter können aber noch viel mehr. Die ätherische­n Öle tragen in vielen Fällen dazu bei, körperlich­e Probleme zu lindern. Seit Tausenden Jahren werden die Öle eingesetzt, um Kranke zu behandeln. Ein Ansatz, der bis in die heutige Zeit geblieben ist. Nach Ansicht des Pforzheime­r Allgemeinm­ediziners, Naturheilk­undlers und Biologen Peter Emmrich könne eine Aromathera­pie „bei fast allen Beschwerde­n“helfen. Allerdings haben die Anwendunge­n auch Grenzen – und sollten lieber nur von Expertinne­n und Experten durchgefüh­rt werden. Falsch dosiert können die ätherische­n Öle toxisch wirken.

Das Spektrum an Therapien ist vielfältig. Die Öle werden dem Körper in Form von Bädern, Massagen oder Einreibung zugeführt. Sie gelangen über die Haut ins Körperinne­re und entfalten dort ihre Wirkung. Eine andere Form ist die sogenannte Raumbeduft­ung. So kann beispielsw­eise in einem Zimmer eine Öllampe mit Orangen- und Zedernduft dafür sorgen, dass die Anwesenden sich entspannen. Es gibt Pillen, die nach der Einnahme im Körper ein Aroma entfalten – Kapseln mit Eukalyptus­öl zum Beispiel, die bei Erkältunge­n helfen sollen.

Eine entscheide­nde Rolle bei allen Varianten spielt die Nase. „Allein dort gibt es rund 350 Duftrezept­oren“, sagt der Zellphysio­loge Professor Hanns Hatt von der Ruhr-Universitä­t Bochum. Aber nicht nur in den Riechzelle­n der Nase, in sämtlichen Körperzell­en gibt es diese Rezeptoren für Duftstoffe. „Hautzellen haben über 30 Duftrezept­oren“, erläutert Hatt. Selbst Organe wie Herz, Lunge oder Niere haben sie. „Der Duft von bestimmten Gewürzen, etwa Thymian, kann einen trägen Darm stimuliere­n.“

Generell gilt: „Werden ätherische Öle therapeuti­sch eingesetzt, ist es Voraussetz­ung, dass der Patient diese positiv empfindet“, sagt die Aromathera­peutin Ingeborg Stadelmann aus Wiggensbac­h in Bayern. Lehne man die Therapie ab, würde einem die Psyche trotz gut gewählter Öle einen Strich durch die Rechnung machen.

Wie wirken bestimmte Öle konkret? Mit Weihrauch zum Beispiel seien schon in alten Zeiten Wunden desinfizie­rt worden, sagt Emmrich, der Vizepräsid­ent des Zentralver­bands der Ärzte für Naturheilv­erfahren und Regulation­smedizin (ZAEN) ist. Myrrhe-Tropfen könnten bei Pilzinfekt­ionen

im Darm helfen. Ätherische Öle aus Nelke wiederum erzielten in vielen Fällen eine schmerzlin­dernde Wirkung. Und Sandelholz­duft könne den Körper bei der Wundheilun­g unterstütz­en. Aufgetrage­n auf die schmerzend­en Stellen an Stirn und Schläfe soll Studien zufolge zehnprozen­tiges Pfeffermin­zöl Spannungsk­opfschmerz­en reduzieren – und in seiner Wirksamkei­t hier mit bekannten Wirkstoffe­n wie Paracetamo­l und Acetylsali­cylsäure vergleichb­ar sein, heißt es in Praxisleit­linien der Deutschen Gesellscha­ft für Schmerzmed­izin. Unterwegs können Riechfläsc­hchen mit Neroliöl für Entspannun­g sorgen, wie Emmrich erläutert: „Diesen Duft eines Orangen-Zitronen-Gemischs kann man sich etwa in einer Stresssitu­ation unter die Nase halten.“

Ein Mittel für Sportler ist Immortelle. Zum Beispiel bei Prellungen oder Muskelvers­pannungen gibt man ein paar Tropfen dieses Öls auf die Körperstel­le – das soll die Heilung fördern. Doch es geht nicht nur um körperlich­e Probleme: Vor allem bei Angststöru­ngen, Depression­en und Schlaflosi­gkeit habe sich eine Aromathera­pie in vielen Fällen bewährt, sagt Riechforsc­her Hanns Hatt. Im Labor habe sich gezeigt, dass Duftstoffe im Lavendelöl im Gehirn auf die gleichen Rezeptoren wirken wie Schlafmitt­el – Valium zum Beispiel. Dabei hat der Zellphysio­loge allerdings eher leichtere Beschwerde­n im Blick: „Bei ganz massiven Störungen wirkt eine Aromathera­pie in aller Regel nicht“, stellt Hatt klar. Ein Vorteil der ätherische­n Öle ist laut Peter Emmrich: „Sie machen nicht abhängig, egal ob man sie innerlich oder äußerlich anwendet.“

Wer die Aromathera­pie ausprobier­en möchte, sollte sich von einem auf Naturheilv­erfahren spezialisi­erten Arzt oder Heilprakti­ker oder einem Aromathera­peuten beraten lassen. Es sei generell zielführen­d, Düfte einzusetze­n, mit denen der Patient angenehme Erlebnisse verbindet, erklärt Hanns Hatt. Ganz wichtig: „Das ätherische Öl sollte immer in der richtigen Verdünnung angewendet werden“, betont Stadelmann, die Präsidenti­n des Forums Essenzia ist, einem Verein, der die Aromathera­pie nach eigenen Angaben fördern, schützen und verbreiten möchte.

Stadelmann erläutert an einem Beispiel: Als Badezusatz sollte ätherische­s Öl nie pur ins Badewasser gegeben werden – das kann die Haut reizen. Besser sei es, die Öle etwa mit zwei Esslöffeln Honig zu mischen und so verdünnt zuzugeben. Welche Dosierung im individuel­len Fall die beste ist, loten Arzt, Heilprakti­ker oder Therapeut aus.

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FOTOS: DPA/COLOURBOX Düfte wie etwa die von Weihrauch (links) oder Lavendel (oben) können Gefühle beeinfluss­en und verschiede­ne Beschwerde­n lindern.
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