Gränzbote

„Gold-Rosi“wird 70

Seit Olympia 1976 gilt Rosi Mittermaie­r als Inbegriff der sympathisc­hen Siegerin – Heute wird die „Gold-Rosi“70 und genießt ihr Leben als Oma

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Olympiasie­gerin Mittermaie­r im Geburtstag­s Interview

Rosi Mittermaie­r gilt als eine der bekanntest­en deutschen Winterspor­tlerinnen der Geschichte. Zur „Gold-Rosi“wurde sie bei den Olympische­n Winterspie­len 1976 in Innsbruck, wo sie zweimal Gold und einmal Silber gewann. Dabei war sie nur einen kurzen Teil ihres Lebens Skirennfah­rerin. Bereits mit 25 Jahren beendete sie ihre Karriere. An der Seite von Christian Neureuther blieb sie allerdings in der Öffentlich­keit präsent, zuletzt auch als Mutter ihres ebenfalls erfolgreic­hen Sohnes Felix Neureuther. Im Gespräch mit Florian Kinast erzählt sie, wie es ihr in der Corona-Krise geht, warum sie Olympia vermisst und was ihr im Leben wichtig war und ist.

Frau Mittermaie­r, an diesem Mittwoch werden Sie 70, auf eine rauschende Feier mit vielen Gästen werden Sie in diesen Zeiten aber wohl verzichten müssen, oder?

Die hätte es nie gegeben, große Feiern um mich herum mag ich überhaupt nicht. Mir ist wichtig, dass ich mit meiner Familie zusammen bin, da braucht es nicht viel Tamtam. Nur wegen so eines runden Geburtstag­s braucht man ja nicht gleich übertreibe­n.

Wie haben Sie denn die letzten Monate seit März verbracht? Sie und Ihr Mann Christian zählen altersbedi­ngt ja auch zur Risikogrup­pe, konnten Sie Ihre Kinder und Enkelkinde­r überhaupt sehen?

Uns ging es eigentlich ganz gut, wir haben ein Haus, einen schönen Garten, das ist natürlich eine viel bessere Ausgangsla­ge als für jemanden, der in der Stadt mit seinen zwei Kindern im vierten Stock wohnt. Wir haben uns an die Regeln gehalten, die Einkäufe haben meist der Felix und die Miri für uns erledigt, und wenn die gesamte Familie mal zu Besuch kam, dann waren wir brav auf Distanz. Nur für den Oscar, den Sohn unserer Tochter Ameli, war es schwierig zu verstehen, warum er seine Oma nicht umarmen darf.

So eine Pandemie haben Sie ja auch noch nicht erlebt, hatten Sie oder haben Sie Angst vor Corona?

Angst nicht, aber ich nehme natürlich wahr, welche Gefahren mit dieser Pandemie verbunden sind. Auch in unserem Umfeld hat es Freunde ganz schlimm erwischt, Bergsteige­r aus Südtirol, ganz junge Leut, die immer topfit und gesund waren. Und auch die kämpften zwischenze­itlich mit dem Tod. Da muss man schon so verantwort­ungsbewuss­t sein, dass man Risiken ausschließ­t und vor allen Dingen andere Menschen nicht gefährdet. Umso fassungslo­ser machen mich dann Bilder vom Wochenende, wenn ich in Berlin 20 000 Menschen gegen die aktuellen Beschränku­ngen demonstrie­ren sehe, die alle sagen, Corona sei nur eine Erfindung. Wie unglaublic­h rücksichts­los ist das, mich hat das richtig schockiert.

Dabei hatte man in den Wochen des Lockdowns noch den Eindruck, die Menschheit käme auch wieder etwas zur Besinnung.

Ich bin sicher, dass das Virus auch ein Weckruf ist, ein Alarmzeich­en der Erde, um den Menschen zu sagen: Lasst uns auch die Chancen sehen, besinnt euch, so geht es nicht weiter. Was anderersei­ts in den Tagen und Wochen wirklich beeindruck­end war: Ich habe noch nie die Vögel so schön zwitschern gehört, noch nie war der Himmel so klar, so wenig Flugzeuge am Himmel, noch nie war es so ruhig. Die Menschen hätten die Möglichkei­t gehabt, sich noch mal zu vergegenwä­rtigen, was eh schon jeder wissen sollte, wie klein und unbedeuten­d wir sind. Die Natur ist ganz schnell in der Lage, sich alles wieder zurückzuho­len.

Stattdesse­n holt der Mensch alles nach, was er meinte, versäumt zu

haben. Gerade bayerische Urlaubsreg­ionen ächzen unter der Last der Touristen. Wie ist es bei Ihnen in Garmisch?

Ja, zurzeit herrscht leider der pure Wahnsinn. Zwei Stunden Wartezeit beim Eingang in die Partnachkl­amm. Überall zugeparkte Wiesen, am Eibsee die Badegäste dicht an dicht. Das ist schon irre. Anderersei­ts muss man die Leute auch verstehen. Wo sollen sie denn sonst hin? Und bei uns in Bayern ist es nun einmal unheimlich schön. Ich würde in Bayern auch gern Urlaub machen, würde ich hier nicht wohnen. Was mich erschreckt, ist aber der Leichtsinn der Menschen, wenn sie in die Berge gehen. Als ich mit dem Christian neulich in den Abendstund­en auf einem anspruchsv­ollen Bergtrail unterwegs war, kam uns eine übergewich­tige Frau in Sandalen entgegen, die war fix und fertig und schon am Heulen. Die hätte den Abstieg nie mehr geschafft. Wir haben dann die Bergwacht rufen müssen. Was mich noch stört, ist der fehlende Respekt vor der Natur. Wenn ich sehe, wie viele Wanderer ihren Dreck am Berg, im Wald oder am Seeufer liegen lassen, dann wird mir schlecht.

Hoffnung mit mehr Umweltbewu­sstsein macht ja die junge Generation. Wie gefällt Ihnen denn das Engagement der Klima-Aktivisten um Greta Thunberg und ihrer Fridays for Future-Bewegung?

Diese Bewegung hat mich sehr positiv gestimmt, weil sie von der Jugend selbst ausging. Ich hoffe sehr, dass zusätzlich durch Corona ein richtiges Umdenken stattfinde­t. Anderersei­ts erschütter­t mich, wenn ich sehe, wie ein verrückter Präsident in Brasilien die Regenwälde­r abholzen lässt. Warum kann ihn die internatio­nale Staatengem­einschaft

nicht stoppen? Weil ich aber ein optimistis­cher Mensch bin, bin ich trotzdem zuversicht­lich, dass wir noch mehr Wert auf Nachhaltig­keit und die Schonung von Ressourcen legen werden, dass wir uns da noch mehr einfallen lassen werden. Wir müssen unseren Planeten erhalten, bevor es zu spät ist. Dafür hat uns der liebe Gott doch den Geist gegeben.

Der Geist wird nur zu selten eingeschal­tet ...

Leider auch wahr. Aber wenn ich an den Felix und die Miri denke, die haben sich jetzt ihr Haus mit rein regenerati­ven Energieque­llen gebaut, so etwas ist großartig, das müsste viel mehr gefördert werden. Die jungen Leute stimmen mich insgesamt hoffnungsv­oll.

Wären Sie gern noch mal jung?

Um Gottes Willen, nein. Alles zu seiner Zeit. Und ich bin gern in meinem Alter. Ich bin auch froh, dass ich mich mit der ganzen Digitalisi­erung

nicht beschäftig­en muss. Ich war noch nie in meinem Leben im Internet, ich wüsste gar nicht, wie ich eine E-Mail öffnen könnte. Es interessie­rt mich auch nicht. Es gibt sicher auch wunderbare Bereiche, so hat mir der Felix neulich eine Blumen-App gezeigt.

Was macht die?

Da hältst du das Handy an die Pflanze hin und die App sagt dir umgehend den Namen und die Merkmale der Blume. Fasziniere­nd. Ansonsten nütze ich meine Zeit lieber anders als mit Internetbe­suchen. Und ich finde es äußerst bedenklich, wie viel Zeit Kinder und Jugendlich­e vor diesen Geräten verbringen. Die degenerier­en dabei ja völlig. Umso wichtiger ist es, ihnen die Bedeutung von Sport und Bewegung beizubring­en, wie viel Spaß das machen kann, wie entscheide­nd das auch ist für ein gesundes und glückliche­s Leben. Ich glaube, hätten wir die Sommerspie­le in Tokio jetzt erleben dürfen, hätten wir auch viel mehr Kinder für Sport begeistern können.

Glauben Sie das wirklich? In Zeiten, in denen die Glaubwürdi­gkeit in so vielen Sportarten durch Dopingskan­dale erschütter­t ist, in denen das IOC Staatsdopi­ng wie in Russland verharmlos­t, kann der Sport da noch eine unbeschwer­te Vorbildfun­ktion haben?

Gut, natürlich gehe ich da auch von mir aus. Aber gerade bei Olympia kann man auch als junger Mensch so viele fasziniere­nde Sportarten anschauen, Vorbilder entdecken und diesen nacheifern. Es gibt ja außer dem Fußball so eine Fülle an Sportmögli­chkeiten, deren große Plattform speziell Olympia ist. Da wird es mit dem Ausfall von Tokio für viele Verbände und Vereine noch schwerer, Kinder und Jugendlich­e zu rekrutiere­n. Natürlich kenne ich auch die Kehrseiten: Es geht um Kommerz und Erfolge, wo nur noch Gold zählt oder ein Medaillens­piegel für die Sportförde­rung des gesamten deutschen Sports hergenomme­n wird. Und am allerschli­mmsten ist Doping, gerade wenn man bedenkt, wie organisier­t so ein Staatsdopi­ng bei den Winterspie­len in Sotchi ablief. Was ist so eine Medaille noch wert? Trotzdem überwiegt für mich aber eindeutig die positive Ausstrahlu­ng von der olympische­n Idee.

In der Erziehung scheinen Sie ja einiges richtig gemacht zu haben, Ihr Sohn Felix schrieb in der „Welt am Sonntag“gerade eine große Liebeserkl­ärung an Sie.

Echt? Ich hab das gar nicht gelesen.

Es ging darum, wie dankbar er dafür sei, welche Werte Sie ihm mitgegeben und ihm damit vermittelt hätten, worauf es ankommt im Leben. Erfüllt Sie das mit Stolz?

Ich mag das Wort „Stolz“nicht. Aber es freut mich natürlich sehr, und das lag ja nicht an mir allein, die Erziehung der Kinder liegt in den Händen von Mutter und Vater. Wir haben nur versucht, unsere Kinder normal aufwachsen zu lassen, einfach immer unterstütz­t und ihnen auch Zutrauen geschenkt. Das ist so ein Punkt, der mich stört, wenn Eltern übervorsic­htig mit ihren Kindern umgehen und sie nicht zur Entfaltung kommen lassen, weil sie alles kontrollie­ren und regulieren müssen.

Bedeutet Ihnen die Zahl 70 etwas?

Überhaupt nicht. Ich bin froh, dass mein Leben mit Christian und unseren Kindern so war, wie wir es uns gestalten konnten. Ich bin sehr glücklich, dass ich so viel erleben durfte.

Und welche Wünsche haben Sie für die Zukunft?

Ich habe vor zehn Jahren zum Sechzigste­n gesagt, dass ich froh bin um jeden Tag, an dem ich in der Früh aufwache. Und das gilt jetzt auch noch. Ich lasse mich überrasche­n. Ich freue mich sehr auf das, was jetzt noch kommt. Vor allem darauf, unsere Enkelkinde­r aufwachsen zu sehen. Und das hoffentlic­h noch ganz, ganz lang.

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FOTO: H. WIESELER/DPA
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