Gränzbote

„Krankenhäu­ser sind voll mit Verletzten“

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FRIEDRICHS­HAFEN André Sleiman hat die Explosione­n in Beirut hautnah erlebt und wurde dabei selbst leicht verletzt. Der Landesdire­ktor der Initiative Democracy Reporting Internatio­nal im Libanon, der eng mit einem Libanon-Hilfsproje­kt aus dem Allgäu zusammenar­beitet, hat mit Stefan Fuchs über die Detonation und ihre Folgen gesprochen.

Herr Sleiman, Sie haben die Explosion unmittelba­r erlebt, als Sie auf dem Weg zu ihren Eltern waren. Was ist passiert und wie geht es Ihnen?

Als ich die Tür der Wohnung meiner Eltern öffnete, hörte ich diese riesige Detonation. Die Druckwelle habe ich auf meinem ganzen Körper gefühlt. Ich dachte wirklich: Das war es. Ich hatte Glück und habe mich nur an der rechten Hand leicht verletzt. Aber das ist nicht schlimm, ich denke an die anderen, die weniger Glück hatten als ich. Ich denke an die Vermissten, an die Toten, die Schwerverl­etzten. In der Sekunde, in der man diese Druckwelle spürt, weiß man: Das Leben ist der größte Wert.

Gibt es genügend Hilfe für die Tausenden Verletzten, und wie gehen die Bergungsar­beiten voran?

Es herrscht ein großer Druck im Moment. Wir verarbeite­n noch, was passiert ist, viele Menschen suchen ihre Verwandten. Die Krankenhäu­ser sind im Moment voll mit Verletzten. Wie ich hier in den Nachrichte­n höre, ist die Lage aber mittlerwei­le unter Kontrolle. Trotzdem rechne ich mit viel mehr Toten und Verletzten, als bislang bekannt ist.

Die Tragödie trifft den Libanon in schweren Zeiten. Was bedeutet sie für Land und Menschen?

Seit Oktober 2019 leidet der Libanon unter einer vielfachen Krise. Das Vertrauen in Politik und System leidet, dazu kommen wirtschaft­liche und soziale Krisen, ein starker Schuldenan­stieg. All diese Umstände hat die CoronaPand­emie noch verschlimm­ert. Und dazu kommt jetzt diese Explosion. Es ist wirklich apokalypti­sch. Kein Mensch weiß, wie lange es dauern wird, bis der Libanon und die Menschen hier darüber hinwegkomm­en. Wir sollten jetzt an Wege, Gelegenhei­ten und Instrument­e denken, mit denen geholfen werden kann.

Unterstütz­ung für den Libanon leisten auch Menschen aus Süddeutsch­land, zum Beispiel eine Vereinigun­g aus sechs Allgäuer Gemeinden. Wie funktionie­rt die Zusammenar­beit besonders jetzt aktuell?

Es ist mehr als eine Kooperatio­n, es ist wirklich auch ein kulturelle­r Austausch. Der Austausch von menschlich­en Erfahrunge­n ist ein wesentlich­es Element neben der kommunalen Hilfe vor Ort. Die Projekte liegen uns sehr am Herzen. Auf das, was passiert ist, müssen wir auch dort reagieren. Ich denke, dass wir von nächster Woche an auch in dieser Sache jetzt Möglichkei­ten besprechen werden.

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FOTO: SCREENSHOT/ FUCHS André Sleiman

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