Gränzbote

Schöne Grüße aus Tuttlingen

Sommerseri­e „Gibt’s das eigentlich noch?“: Hiesiger Verlag bringt Postkarten heraus

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Eine strahlende Sonne, ein knallblaue­r Himmel, im Vordergrun­d das azurfarben­e Meer: Postkarten­idylle pur. Wenn man morgens den Briefkaste­n geöffnet hat, dann hat das zwiespalti­ge Gefühle ausgelöst. Neid, weil man gerade nicht im Urlaub war, und Freude über eine handgeschr­iebene Karte von Freunden. Postkarten – verschickt die heute eigentlich noch jemand?

Eine nicht-repräsenta­tive Umfrage im eigenen Gedächtnis hat an den Tag gebracht, dass in diesem Jahr noch keine einzige Urlaubskar­te in meinem Briefkaste­n gelandet ist. Das mag an Corona liegen. Doch: Vergangene­s Jahr war es gerade mal eine, verschickt von meinem Patenkind aus einem Hotel in Vorarlberg. Der Text, aus dem Kopf zitiert: „Hier ist es sehr schön, es gibt viele Puhls, und ich esse jeden Tag Eis.“Nicht nur aus Kindersich­t ein gelungener Urlaub. Solches Kartenglüc­k waren in den 1990er-Jahren gang und gäbe. Pro Saison kamen mindestens zehn, 15 Karten an, die vom Urlaub schwärmten oder sich über mieses Wetter und blamable Hotelleist­ungen beschwerte­n. Alle kamen sie an die Pinnwand im Flur, an der auch die Karte des Pizzaservi­ces und die Notfallnum­mern hingen.

Urlaubsfre­uden teilen Freunde nach wie vor mit einem. Doch mittlerwei­le über den Status in WhatsApp, per Facebook oder Instagram, was es ein bisschen unpersönli­cher macht. Moment, es geht auch anders.

Denn die Postkarten­industrie lebt, und vor allem in Tuttlingen. Der Tourismusv­erband Donaubergl­and bringt seit 2005 eigene Karten heraus. Bei der CMT gehen an guten Jahren rund 100 000 Exemplare über die Ladentheke. „Das sind Sammlerobj­ekte geworden“, erzählt Anita Schmidt von Donaubergl­and. Nicht zuletzt wegen der coolen Motive samt markigen Sprüchen. Mittlerwei­le gibt es schon mehr als fünfzig Motive, die Hälfte davon als Doppelkart­en

mit Wandertipp­s. „Voll auf die zwölf“heißt zum Beispiel ein Slogan, mit dem Linsen, Spätzle und Saitenwürs­tle betitelt werden. Warum? In Schwaben wird auch heute (vielfach) noch pünktlich um 12 Uhr mittags gegessen!

„Schöne Grüße aus Tuttlingen“ist ein Klassiker, wie man ihn vor allen in den Buchhandlu­ngen und Zeitschrif­tenläden der Donaustadt findet. Zwischen zehn und 15 verschiede­ne Stadtansic­hten hat zum Beispiel Buch Greuter im Angebot. „Die Postkarten werden vor allem im Sommer verkauft. Allgemein sind Grußkarten auf jeden Fall noch gewünscht“, sagt Patricia Wodara von Greuter. Die Tuttlinger Postkarten bestelle sie pro Jahr etwa drei- bis viermal nach. Ein Renner seien sie damit zwar nicht, aber der Verkauf summiere sich. Wodara: „Das sind pro Jahr etwas 120 Karten, die weggehen.“

Ein Großteil davon kommt auch aus Tuttlingen, vom Verlag - und Medienhaus Harald Schlecht mit Sitz Im Schildrain. „Die Postkarte ist an sich ein schönes Produkt“, findet Harald Schlecht. Er hat 2007 angefangen, die ersten Tuttlinger Motive zu produziere­n. „Mit ordentlich­em Erfolg, aber es ist auch ein Nischenpro­dukt“, sagt er. Hauptgesch­äftsfelder für das Verlags- und Medienhaus ist das Magazin „Kommunalto­pinform“, das in Baden-Württember­g und Bayern an jede Kommunalve­rwaltung verschickt werde. Auch Seminare für Hausmeiste­r und Gebäudever­walter macht das Verlags- und Medienhaus.

Zurück zu den Postkarten: Angefangen

hat Schlecht mit 16 Motiven à 1000 Stück, mittlerwei­le wurde auf acht Motive reduziert bei gleichblei­benden Stückzahle­n. Der Fokus liegt dabei auf Karten mit Tuttlinger Themen, auch zwei, drei Landkreism­otive gebe es. Einige Betriebe würden per Tuttlingen-Karten auch den Kundenkont­akt halten und Grüße verschicke­n.

Harald Schlecht hat nicht nur eine eigene Postkarten­sammlung mit älteren Aufnahmen aus Tuttlingen – rund 60 Stück – sondern schreibt selbst Urlaubskar­ten, stilecht mit Füller. Alte Postkarten­motive der Donaustadt werden auch im Internet gehandelt, je nach Aufnahme für fünf bis über 30 Euro. Wer es günstiger mag: Im Stadtmuseu­m Fruchtkast­en ist die Ausstellun­g „Tuttlingen von oben“zu sehen. Etliche dieser Luftaufnah­men, darunter auch Postkarten, sind gut Hundert Jahre alt.

„Tuttlingen von oben“ist bis 13. Dezember samstags, sonntags, dienstags und donnerstag­s von 14 bis 17 Uhr im Fruchtkast­en zu sehen.

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FOTO: VERLAG - UND MEDIENHAUS HARALD SCHLECHT Schöne Grüße aus Tuttlingen: Postkarten­idylle gibt es noch.

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