Gehorsamkeit steht an erster Stelle
Beim Schäferhundeverein Mühlheim wird Gebrauchshundesport trainiert
MÜHLHEIM - In wenigen Augenblicken wird sich Aaron Bronner von einem Hund verfolgen, anspringen und beißen lassen. Und das vollkommen freiwillig. Der 26-Jährige ist einer von drei Schutzdiensthelfern beim Verein Deutscher Schäferhunde Mühlheim. Gelassen steht er am Rande des Hundeplatzes, in seine grau-schwarze Schutzkleidung für das anstehende Training ist er bereits hineingeschlüpft. Zuletzt steckt er seinen Arm in eine Art gepolsterte Röhre, die mit einem groben JuteStoff überzogen ist. Für die Hunde ist dieser sogenannte Hetzarm die Beute, für Bronner ein Schutz vor den Zähnen.
Was brutal klingen mag, ist eine von drei Disziplinen im Gebrauchshundesport: der Schutzdienst. Die Übungen sind nicht unumstritten: Kritische Stimmen sagen, die Hunde würden dabei auf den Menschen abgerichtet und seien damit potenziell gefährlicher. Dass genau das Gegenteil der Fall ist, sagen wiederum die Verfechter des Sports.
„Die Annahme, dass wir dabei die Hunde auf den Menschen scharf machen, ist total falsch“, sagt auch Richard Bladt, Vorsitzender des Schäferhundevereins. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand sitzt er in seinem Campingstuhl, während nach und nach die Vereinsmitglieder zum Training eintreffen. Die Stimmung ist locker und ausgelassen. Tatsächlich sei es so, dass die Hunde nicht den Arm oder den Menschen als Beute ansehen, sondern einzig und allein den Hetzarm, erklärt Bladt weiter. „Es sieht halt spektakulär aus, gerade auch, weil der Hund die Zähne zeigt. Aber wir machen Hundesport. Und da gehören die drei Sparten dazu“, so Bladt. Neben dem Schutzdienst sind das die Disziplinen Gehorsam und Unterordnung sowie das Fährtenlesen. Zwei Mal pro Jahr gibt es Wettbewerbe im Verein, regelmäßig treten Hunde des Vereins auch zu Gebrauchshundeprüfungen an.
Auf dem großen Hundeplatz stehen mittlerweile alle Mensch-TierGespanne für das heutige Training bereit. Einige Hunde winseln aufgeregt. Beim Blick in die Runde wird klar: Beim Schäferhundeverein Mühlheim
trainieren bei weitem nicht nur Schäferhunde. Auch Dobermänner, Rottweiler, Terrier, Border Collies und verschiedene Mischlinge stehen auf dem Platz. Selbst ein paar kleine Hunde sind mit dabei. „Man kann jedem Hund etwas beibringen“, ist Richard Bladt überzeugt.
Aufmerksam sitzen die Vierbeiner neben ihren Herrchen und Frauchen, den Blick strikt nach oben gerichtet. Das erwartungsvolle Winseln ist einer ruhigen, konzentrierten Atmosphäre gewichen. Dann gibt Übungsleiter Fabian Eppler das Startsignal und alle laufen kreuz und quer los. Doch das auf den ersten Blick heillose Durcheinander hat Struktur: Die Hunde lassen sich nicht von ihren Artgenossen beeindrucken, ihr Blick ist stets auf das Herrchen fixiert. Kommandos wie „Sitz“und „Platz“werden in Sekundenschnelle gehorsam ausgeführt. Ohne das Signal des Halters rührt sich nichts – selbst wenn die anderen Hunde vorbeilaufen oder Gegenstände apportieren.
Doch wie ist es möglich, die Hunde so stark auf ihre Herrchen zu fixieren? „Wir arbeiten nicht umsonst und der Hund macht das auch nicht“, sagt Fabian Eppler und lacht. Bei genauem Hinsehen fällt schließlich auf, dass jeder Hundehalter
einen Ball an einem kurzen Seil unter seinen Arm geklemmt hat. „Der Ball ist die Bezahlung“, erklärt Eppler. Und wenn der Spieltrieb nicht so stark ausgeprägt ist, gebe es auch noch Futter als Anreiz. Bei den Gehorsam-Übungen an diesem sonnigen Samstag reicht den Hunden das Spielzeug aber vollkommen aus.
Für das eigentliche SchutzdienstTraining leert sich schließlich der Platz. Aaron Bronner und seine beiden Kollegen Mike Meder und Torsten Mekelburg stehen in voller Montur bereit. „Für die Schutzdiensthelfer ist das schon eine sportliche Leistung“, sagt Richard Bladt. Grundvoraussetzungen seien da Kondition und Beweglichkeit, aber auch mit Hunden sollten sie sich gut auskennen. „Wenn man sich nicht richtig abdreht, kann sich auch das Tier verletzen“, erklärt der Vereinsvorsitzende. Schutzdiensthelfer seien deshalb nicht leicht zu finden – dass der Mühlheimer Verein gleich drei von ihnen hat, ist laut Bladt nicht selbstverständlich.
Auch beim Schutzdienst gibt es für die Hunde verschiedene Übungen „Stellen und Verbellen“, nennt Richard Bladt als Stichwort und die Halterin, die ihren Dobermann auf den Platz führt, weiß genau, was damit gemeint ist. Auf Kommando sprintet der Hund mit vollem Einsatz von einer Hecke zur nächsten, bis er an der Hecke ankommt, hinter der sich Torsten Mekelburg versteckt hat. Den Hetzärmel des Schutzdiensthelfers fest im Blick, beginnt der Hund lautstark zu bellen, bis sein Frauchen hinzukommt und die Situation auflöst.
Als nächstes ist Aaron Bronner an der Reihe. „Es ist ein spannendes Gefühl“, sagt er über den Moment, in dem der Hund auf ihn zuläuft. Er freue sich jedes mal, wenn er beim Schutzdienst dabei sein könne. Seine liebste Übung: Die Flucht. Bronner läuft voraus, doch der Terrier, der kurz darauf von der Leine gelassen wird, holt rasch auf. Er springt gezielt an den Hetzärmel und beißt sich fest. Bronner lässt den Ärmel von der Hand rutschen und der Hund trägt seine Beute zurück zu Frauchen.
Für einen sogenannten „Seitentransport“darf ein Rottweiler mit seiner Halterin auf den Platz. Schnaubend und mit ausgebreiteten Armen geht Bronner auf den Hund zu. Die Geste soll das Tier für die anstehende Aufgabe reizen. Dann läuft Bronner voraus, der Hund wird von der Leine gelassen und sprintet dem Schutzdiensthelfer hinterher. Fokussiert beißt er sich im Schutzärmel fest. Auf das Kommando seiner Halterin lässt der Hund augenblicklich locker. Gemeinsam verlässt das Gespann den Hundeplatz. Dabei behält der Hund den Schutzdiensthelfer fest im Blick und bleibt dicht an seiner Seite.
Es mag bedrohlich aussehen, wie die Hunde beim Schutzdienst an den Hetzärmel springen, wie sie bellen und mit den Zähnen fletschen. Doch Übungsleiter Fabian Eppler betont, dass die Hunde damit keinesfalls für den Menschen gefährlich werden. „Eigentlich machen wir genau das Gegenteil“, sagt er. Gefährlich würden Hunde laut Eppler vor allem dann, wenn sie falsch gehalten und falsch erzogen werden. „In den meisten Fällen ist es ein Versagen des Hundeführers“, ist er überzeugt. Deshalb sei es wichtig, sich vor der Anschaffung eines Hundes zu überlegen, ob auch ausreichend Zeit vorhanden ist, um sich um das Tier zu kümmern.