Gränzbote

Die Frischling­e

Für Bayerns Flick und Chelseas Lampard ist es die erste große Station als Cheftraine­r

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Auf den ersten Blick haben Hansi Flick und Frank Lampard nicht viel gemeinsam. Außer der Tatsache, dass sie in ihrer Karriere als defensive Mittelfeld­spieler agiert haben – wobei Chelseas Coach Lampard einen Tick offensiver und deutlich torgefährl­icher war als der heutige Bayern-Trainer. Am Samstag (21 Uhr, Sky live) treffen sich die beiden erneut an der Seitenlini­e nachdem Flick seinem Widerpart Ende Februar beim 3:0 im Achtelfina­l-Hinspiel des FC Bayern in London eine Lektion in Sachen Taktik und Matchplan verpasst hatte.

Nun also heißt’s: Hello again – und trotz des bevorstehe­nden Ausscheide­ns dürfte sich der 42-jährige Lampard deutlich wohler fühlen in seiner Haut als vor fünfeinhal­b Monaten. In seiner Debütsaiso­n im Haifischbe­cken Premier League erreichte Chelsea Platz vier und damit das Ticket für die nächste Saison in der Königsklas­se – ein beachtlich­es Ergebnis, weil Chelseas bester Mann Eden Hazard 2019 zu Real Madrid wechselte und der Verein des russischen Oligarchen Roman Abramowits­ch wegen einer Transfersp­erre keine Transfers tätigen durfte. Also setzte der – für einen Trainer – relativ junge Lampard auf die Jugend, unter anderem auf Callum HudsonOdoi (19), das einstige Transfer-Ziel der Bayern, oder auf Mason Mount (22), Tammy Abraham (22) und Reece James (20). Hier ist sie, die Parallele zu Flick, der seit seiner Amtsüberna­hme Anfang November Talente wie Joshua Zirkzee, Oliver Batista-Meier und aktuell besonders Bright Arrey-Mbi (der 17-Jährige kam 2019 ausgerechn­et aus der Chelsea-Jugend an die Säbener Straße) fördert und formt.

„Frank macht einen herausrage­nden Job, die letzten Spiele haben mir sehr, sehr gut gefallen, auch die Art und Weise, wie sie Fußball gespielt haben“, sagte Flick (55) am Freitag auf der virtuellen Pressekonf­erenz über seinen Trainerkol­legen und lobte ihn: „Nach anfänglich­en Schwierigk­eiten hat Chelsea eine herausrage­nde Saison gespielt. Ich denke, dass Chelsea sehr zufrieden ist mit dem, was er leistet. Großes Kompliment!“Vorige Saison verpasste der Job-Novize den Aufstieg mit Zweitligis­t Derby County. Ähnlich wie Flick enterte Lampard auch erst in der vergangene­n Saison die größte Bühne des Landes. Gute Fänge, die Frischling­e.

Ein dicker Wermutstro­pfen für Lampard war jedoch das mit 1:2 verlorene Finale des FA-Cups gegen den Londoner Rivalen FC Arsenal vor einer Woche. Der Form- und Stimmungst­est für die Wiederaufn­ahme der Champions League misslang, weil sich mit Christian Pulisic, Cesar Azpilicuet­a und Pedro auch noch drei Profis verletzten und für das Spiel in München ausfallen. Aber im Grunde hat man das „Final-8-Turnier“in Lissabon ohnehin nicht auf dem Zettel bei den Blues. Draußen ist Chelsea aber noch nicht: „Wir müssen da rausgehen und unseren Stolz zeigen“, forderte der Ex-Stuttgarte­r Nationalsp­ieler Antonio Rüdiger. „Wir haben nichts zu verlieren und keinen Druck.“

In der nächsten Saison will Chelsea dann den Großangrif­f starten. Mit den Neuzugänge­n Timo Werner (RB Leipzig) und Hakim Ziyech (Ajax Amsterdam), zusammen knapp 100 Millionen Euro teuer. Der Leverkusen­er Kai Havertz soll folgen. Es steigen: die Ansprüche und das Saisonziel. Und mit jedem gewonnenen Titel auch die Erwartunge­n an Bayerns Double-Trainer.

Der Glamour und die Aura von Meistertra­iner Jürgen Klopp oder Weltstar Pep Guardiola fehlt Lampard – siehe Flick. Für beide stehen Fleiß und ehrliche Arbeit im Vordergrun­d, die große Show ist nicht ihr Ding. In der „Sport-Bild“sagt Ex-Nationalel­fKapitän Michael Ballack (43) über seinen ehemaligen Mitspieler: „Frank ist brutal ehrgeizig, will immer gewinnen. Er ist detailvers­essen, ein Perfektion­ist,

fußballver­rückt, tut alles für den Erfolg.“Als Spieler verkörpert­e Lampard mit seiner „ultra-effektiven Spielweise und dem unbedingte­n Siegeswill­en“, wie es der in London lebende Premier-League-Kenner Raphael Honigstein umschreibt, genau den archetypis­chen Chelsea-Spieler. So wurde er zur Vereinsiko­ne, hat es zum Legendenst­atus gebracht. Mit 210 Treffern ist „Lamps“einsamer Rekordtors­chütze bei den Blues. Hamann hält ihn „für einen sehr interessan­ten Trainer, von der menschlich­en Seite her sympathisc­h“. Zum Legendenst­atus fehlt Flick (mit Bayern viermal Meister) noch etwas. Wobei – wenn er die Königsklas­se und damit das Triple gewinnen sollte, stünde er auf einer Stufe mit Vereinsiko­ne Jupp Heynckes. Und der ist bekanntlic­h ein ganz dicker Fisch.

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