Die Frischlinge
Für Bayerns Flick und Chelseas Lampard ist es die erste große Station als Cheftrainer
MÜNCHEN - Auf den ersten Blick haben Hansi Flick und Frank Lampard nicht viel gemeinsam. Außer der Tatsache, dass sie in ihrer Karriere als defensive Mittelfeldspieler agiert haben – wobei Chelseas Coach Lampard einen Tick offensiver und deutlich torgefährlicher war als der heutige Bayern-Trainer. Am Samstag (21 Uhr, Sky live) treffen sich die beiden erneut an der Seitenlinie nachdem Flick seinem Widerpart Ende Februar beim 3:0 im Achtelfinal-Hinspiel des FC Bayern in London eine Lektion in Sachen Taktik und Matchplan verpasst hatte.
Nun also heißt’s: Hello again – und trotz des bevorstehenden Ausscheidens dürfte sich der 42-jährige Lampard deutlich wohler fühlen in seiner Haut als vor fünfeinhalb Monaten. In seiner Debütsaison im Haifischbecken Premier League erreichte Chelsea Platz vier und damit das Ticket für die nächste Saison in der Königsklasse – ein beachtliches Ergebnis, weil Chelseas bester Mann Eden Hazard 2019 zu Real Madrid wechselte und der Verein des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch wegen einer Transfersperre keine Transfers tätigen durfte. Also setzte der – für einen Trainer – relativ junge Lampard auf die Jugend, unter anderem auf Callum HudsonOdoi (19), das einstige Transfer-Ziel der Bayern, oder auf Mason Mount (22), Tammy Abraham (22) und Reece James (20). Hier ist sie, die Parallele zu Flick, der seit seiner Amtsübernahme Anfang November Talente wie Joshua Zirkzee, Oliver Batista-Meier und aktuell besonders Bright Arrey-Mbi (der 17-Jährige kam 2019 ausgerechnet aus der Chelsea-Jugend an die Säbener Straße) fördert und formt.
„Frank macht einen herausragenden Job, die letzten Spiele haben mir sehr, sehr gut gefallen, auch die Art und Weise, wie sie Fußball gespielt haben“, sagte Flick (55) am Freitag auf der virtuellen Pressekonferenz über seinen Trainerkollegen und lobte ihn: „Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat Chelsea eine herausragende Saison gespielt. Ich denke, dass Chelsea sehr zufrieden ist mit dem, was er leistet. Großes Kompliment!“Vorige Saison verpasste der Job-Novize den Aufstieg mit Zweitligist Derby County. Ähnlich wie Flick enterte Lampard auch erst in der vergangenen Saison die größte Bühne des Landes. Gute Fänge, die Frischlinge.
Ein dicker Wermutstropfen für Lampard war jedoch das mit 1:2 verlorene Finale des FA-Cups gegen den Londoner Rivalen FC Arsenal vor einer Woche. Der Form- und Stimmungstest für die Wiederaufnahme der Champions League misslang, weil sich mit Christian Pulisic, Cesar Azpilicueta und Pedro auch noch drei Profis verletzten und für das Spiel in München ausfallen. Aber im Grunde hat man das „Final-8-Turnier“in Lissabon ohnehin nicht auf dem Zettel bei den Blues. Draußen ist Chelsea aber noch nicht: „Wir müssen da rausgehen und unseren Stolz zeigen“, forderte der Ex-Stuttgarter Nationalspieler Antonio Rüdiger. „Wir haben nichts zu verlieren und keinen Druck.“
In der nächsten Saison will Chelsea dann den Großangriff starten. Mit den Neuzugängen Timo Werner (RB Leipzig) und Hakim Ziyech (Ajax Amsterdam), zusammen knapp 100 Millionen Euro teuer. Der Leverkusener Kai Havertz soll folgen. Es steigen: die Ansprüche und das Saisonziel. Und mit jedem gewonnenen Titel auch die Erwartungen an Bayerns Double-Trainer.
Der Glamour und die Aura von Meistertrainer Jürgen Klopp oder Weltstar Pep Guardiola fehlt Lampard – siehe Flick. Für beide stehen Fleiß und ehrliche Arbeit im Vordergrund, die große Show ist nicht ihr Ding. In der „Sport-Bild“sagt Ex-NationalelfKapitän Michael Ballack (43) über seinen ehemaligen Mitspieler: „Frank ist brutal ehrgeizig, will immer gewinnen. Er ist detailversessen, ein Perfektionist,
fußballverrückt, tut alles für den Erfolg.“Als Spieler verkörperte Lampard mit seiner „ultra-effektiven Spielweise und dem unbedingten Siegeswillen“, wie es der in London lebende Premier-League-Kenner Raphael Honigstein umschreibt, genau den archetypischen Chelsea-Spieler. So wurde er zur Vereinsikone, hat es zum Legendenstatus gebracht. Mit 210 Treffern ist „Lamps“einsamer Rekordtorschütze bei den Blues. Hamann hält ihn „für einen sehr interessanten Trainer, von der menschlichen Seite her sympathisch“. Zum Legendenstatus fehlt Flick (mit Bayern viermal Meister) noch etwas. Wobei – wenn er die Königsklasse und damit das Triple gewinnen sollte, stünde er auf einer Stufe mit Vereinsikone Jupp Heynckes. Und der ist bekanntlich ein ganz dicker Fisch.