Bis auf Schüler und Pendler: ÖPNV-Angebot wird kaum genutzt
Das Auto hat im Landkreis weiter eine hohe Bedeutung – Struktur des Kreises mit vielen Gemeinden bindet viele Kapazitäten
TUTTLINGEN - Das Auto ist weiter des Deutschen liebstes Kind: Die Zahl der Haushalte, die ohne eigenes Fahrzeug auskommt, verharrt auf einem geringen Niveau. Im Durchschnitt besitzt jeder Haushalt in Baden-Württemberg 1,25 Autos. Im Landkreis Tuttlingen ist der Wert sogar noch höher. Das ist aber nur ein Grund, warum es der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in der Region schwer hat.
Mit 140 000 Menschen beziffert der Landkreis Tuttlingen seine Einwohnerzahl. Und obwohl die Region mit 734 Quadratkilometern der neuntkleinste Kreis im Land BadenWürttemberg ist, sind mehr als 100 000 Autos angemeldet. Das sind bei rund 56 000 Haushalten fast zwei Fahrzeuge. „Der ÖPNV hat keine leichte Ausgangsposition und muss sich beweisen“, sagt Julia Hager, Pressesprecherin des Landkreises Tuttlingen – bei dem der Verkehrsverbund TUTicket angesiedelt ist.
Wie schwer es der ÖPNV hat, zeigen weitere Zahlen. Im ersten Halbjahr 2020 haben 3,8 Millionen Menschen Bus und Bahn im Landkreis genutzt. Das sind im Schnitt 21 000 Fahrgäste pro Tag. Der Wert relativiert sich, wenn die Summe der beförderten Schüler danebengestellt oder abgezogen wird. In den ersten sechs Monaten des Jahres brachten die „Öffis“gut 2,75 Millionen Mädchen und Jungen – im Schnitt 15 000 Schüler – täglich zur Schule. Macht rund 6000 Erwachsene, die im Sinn des Umweltschutzes auf das Auto und die Annehmlichkeit, jeden Augenblick mobil zu sein, verzichten oder aber, die sich ein eigenes Auto nicht leisten können.
Oder aus finanziellen Anreizen.
Für die „Abo Card Erwachsene“müssen pro Jahr ohnehin nur zehn Monate gezahlt werden. Pendler, deren Firmen das Jobticket bezuschussen, fahren im Jahr für die Hälfte des Fahrpreises. Dieser Anreiz zieht. Nach Auskunft von TUTicket ist dieser spezielle Fahrschein im Jahr 2019 rund eine Million Mal genutzt worden – bei angenommenen 250 Arbeitstagen (ohne Samstagen, Sonntagen und Feiertagen) waren dies 4000 Personen täglich.
Beim Jobticket und dem Seniorenfahrschein habe es im vergangenen Jahr Zuwächse gegeben. Das Problem bleibt aber: Die Menschen im Landkreis Tuttlingen fahren wenig mit Bus und Bahn. Aber woran liegt das? Flächenmäßig ist der Landkreis Tuttlingen eher eine kleinere Region. Im Gegensatz dazu sei der
Kreis mit einer jährlichen Fahrleistung der Busunternehmen von 4,9 Millionen Kilometern „vorbildlich erschlossen“, findet TUTicket. Im Vergleich dazu wird die Fahrleistung der Busse im Schwarzwald-BaarKreis (2529 Quadratkilometer) mit 6,2 Millionen Kilometern angegeben. Der Verkehrsverbund Rottweil kann solche Zahlen nicht liefern, da „die Busverkehre zum ganz überwiegenden Teil von den einzelnen Verkehrsunternehmen noch eigenwirtschaftlich erbracht werden“, sagt Stefan Heinzmann von der VRR-Geschäftsstelle. Das Einnahmerisiko tragen dort die Unternehmen. „Die Zuschüsse der öffentlichen Hand dienen der Absenkung des Tarifniveaus, sodass die Fahrpreise für den Kunden günstiger angeboten werden können als es sonst der Fall sein müsste“, sagt Heinzmann. Auch der Verkehrsverbund im SchwarzwaldBaar-Kreis ist – anders als der Kreis Tuttlingen – nicht der „Bestseller der Leistungen“.
Das Problem im hiesigen Kreis, so urteilt der Tuttlinger Verkehrsverbund, liege aber gerade in der Fläche. Obwohl es nicht viele Quadratkilometer sind, habe Tuttlingen im Vergleich zu anderen Landkreisen mehr Verkehrsverflechtungen. „Als flächenmäßig eher kleinerer Landkreis besteht Tuttlingen aus 35 Kommunen, Klein- und Kleinstgemeinden, die in der Regel aber auch noch Schulstandorte sind. Die mobile Vernetzung dieser Vielzahl an Kommunen ist eine Herausforderung“, meint Julia Hager für TUTicket. Ungeachtet dessen habe man mit dem Fahrplanwechsel im März das Zielkonzept des Landes für das Jahr 2025 bereits erreicht. So gebe es auf den wichtigsten Linien einen Stundentakt von morgens bis spät abends, in Spitzenzeiten werde die Taktung auf eine halbe Stunde verdichtet und selbst entlegene Ortschaften würden alle zwei Stunden angefahren. Auch beim Fahrpreis habe Tuttlingen in der Region die günstigsten Tarife.
Wem das nicht reicht, der muss tiefer in die Tasche greifen. „Um in der Fläche eine dichtere Taktung anbieten zu können, werden deutlich mehr Kilometer, vor allem aber mehr Fahrzeuge und Fahrer benötigt“, verdeutlicht TUTicket, was an Investitionen nötig wäre. Das Geld müssten die Gemeinden dem Landkreis über die Kreisumlage zur Verfügung stellen. Dies ist aber nicht unumstritten. Kommunen, die nicht so sehr von einer Busanbindung profitieren, sind der höheren Abgabe kritisch eingestellt. Andere Gemeinden knüpfen die vorgeschlagene Zahlung gleich
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