Gränzbote

Hauptsache Hygiene: Corona ändert Fokus

Nepalhilfe baut weiter Schulen – Vermittlun­gen von Inhalten gewinnt an Bedeutung

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Bildung ist der Schlüssel für eine bessere Zukunft: Diesem Leitgedank­en folgt der Ökumenisch­e Eine-Welt-Kreis (OEWK) aus Münster-Wolbeck. Zusammen mit dem Kolbinger Wilfried Leibinger sind in den vergangene­n 20 Jahren in Nepal 18 Schulgebäu­de neuoder wieder aufgebaut worden. Die Corona-Pandemie hat das Vorhaben, die Menschen in einem der ärmsten Länder der Welt zu unterstütz­en, nicht gestoppt, den Blick der Helfer aus Deutschlan­d aber geweitet.

Sechs weitere Schulen sollen bald gebaut werden. Förderantr­äge hat der OEWK unter anderem beim Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit (BMZ) gestellt. Auch wenn das Vorhaben gelobt wurde, war die Zusage finanziell­er Unterstütz­ung an Bedingunge­n geknüpft. „Wir sollten nicht nur die Gebäude bauen, sondern das Projekt auch mit Inhalten verbinden“, berichtet Reinhard Loer vom gemeinnütz­igen Münsterane­r Verein. Das tut der OEWK. Aber anstatt den Fokus auf den ökologisch­en Anbau von Lebensmitt­eln zu richten, kümmern sich die Helfer in Corona-Zeiten um das Einhalten der Hygiene. „Das Wissen, wie Hygiene

einen Beitrag gegen Infektions­krankheite­n leisten kann, ist wenig ausgeprägt“, sagt Loer.

Deshalb soll an den bisher erbauten Schulen ein Hygiene-Konzept mit einer Fachkraft eingeführt werden. „Wir wollen über die Kinder auch die Eltern und Lehrer erreichen“, meint der frühere wirtschaft­liche Leiter einer Klinik in Gütersloh. Jedes Kind würde ein „Starter-Kit“mit Seife, Maske, Waschlappe­n und Desinfekti­onsmitteln erhalten, um das Virus nicht weiterzuge­ben. Die Ausrichtun­g auf den Umweltschu­tz und das Anbauen von Lebensmitt­eln im Schulgarte­n sei deshalb nicht von der Tagesordnu­ng verschwund­en. „Es ist in der Priorisier­ung nur nach unten gerutscht“, erklärt Loer.

Dabei hat sich das Coronaviru­s in der Region Nepals, in der sich der OEWK engagiert, noch nicht so stark bemerkbar gemacht. Es sei beherrschb­ar, urteilt Loer über das Infektions­geschehen im Bezirk Kavre. „Unsere Schulen sind noch offen, die Bauarbeite­n gehen weiter“, sagt er. Anders als in der Hauptstadt Kathmandu, in deren Gebiet weit mehr als die Hälfte der Infektione­n des Landes erfolgen, seien die ländlichen Regionen weit weniger betroffen.

Schlimmer als die Gesundheit­ssituation

ist laut Loer aber die wirtschaft­liche Lage der Bevölkerun­g. Durch den Wegfall des Tourismus und die ausbleiben­den Zahlungen der Nepalesen, die im arabischen Ausland arbeiten gehen, fehlt es den Menschen am Geld. Dabei wären die Läden offen, Ware wäre vorhanden. Vor allem die jungen Leute, die sich als Tagelöhner verdingen, müssten aus ihren Orten wegziehen, um Geld zu verdienen. „Die wirtschaft­liche Not drängt die Leute zusammen. Sie haben die Wahl: Entweder die Vorgaben nicht einhalten oder verhungern. Das ist ein Teufelskre­is“, erklärt Loer, der feststelle­n muss, dass die Infektions­zahlen auch in Nepal steigen.

Der Staat setze auf die Einhaltung der bekannten Regeln wie Abstand halten, Maske tragen und Hände waschen – und werde bei Missachtun­g auch schon einmal brutal, wie der Münsterane­r erklärt. Dies liege vielleicht auch daran, weil das Gesundheit­ssystem vielen Erkrankten nicht gewachsen sein könnte. Aus Berichten weiß er, dass die nepalesisc­he Regierung einiges getan haben will. So soll die Anzahl der Intensivbe­tten landesweit von zehn auf rund 600 erhöht worden sein. „Das steht auf dem Papier und ist nicht nachprüfba­r“, hat er Zweifel.

Umso mehr kümmert sich sein Verein um die Menschen in der Region Kavre. Ein Erdbeben hatte die Orte im April und Mai 2015 heftig getroffen. Weite Teiles des Landes waren verwüstet. Dies, so Leibinger, der an der Wurmlinger Konzenberg­schule arbeitet, hatte dazu geführt, dass er sich für den Wiederaufb­au einsetzte. Mehr als 16 Mal war der Lehrer schon in das Land zwischen Indien und Tibet geflogen, hatte beim Wiederaufb­au der Schulen mitgeholfe­n.

Damit der Rohstoff Holz geschont und nicht nur zum Kochen verbrannt wird, hatte der OEWK mit Spendenund Fördermitt­eln zudem noch 2300 Biogasanla­gen inklusive Toiletten in den Dörfern errichtet. Mit dem Dung von zwei Rindern kann jeder ländliche Haushalt eine Biogasanla­ge betreiben und so Gas für eine Kochstelle betreiben. Weitere 400 Anlagen sind in Planung. Neben dem Bau von Schulgebäu­den gilt nun aber der Bekämpfung des Coronaviru­s und der Verbesseru­ng der Hygiene die Konzentrat­ion.

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