Gränzbote

Die Tüftelei um die Vergaberic­htlinien

30 Bauplätze in „Am Bol“gehören der Gemeinde: doch wer soll sie bekommen?

- Von Dieter Kleibauer

RIETHEIM-WEILHEIM – Sagen wir mal so: Ein alter Riet- oder Weilheimer, Arbeitspla­tz am Ort, drei Kinder, in Vereinen aktiv – der bekommt ganz schnell einen Bauplatz im Neubaugebi­et Am Bol. Wer alleinsteh­end ist, erst seit zwei Jahren in Rietheim-Weilheim wohnt und kinderlos ist – keine Chance.

Die Rechnung ist einfach: 70 Bauplätze hat Am Bol, 130 Bewerber stehen auf der Warteliste. Damit hat sich der Gemeindera­t jüngst beschäftig­t, nachdem er den Bebauungsp­lan verabschie­det hatte (siehe Bericht nebenan). Die Diskussion war der Einstieg ins Thema; eine Beschlussf­assung ist in der DezemberSi­tzung geplant. Dabei geht es konkret um diejenigen 30 Grundstück­e für Einfamilie­nhäuser, die in Gemeindebe­sitz sind. Nur für diese kann die Kommune Vergaberic­htlinien erlassen, die privaten Grundbesit­zer sind da frei.

Und es stellte sich heraus: Einfach ist es nicht, den Katalog zu definieren – denn da stoßen verschiede­ne Kriterien aufeinande­r; Gerechtigk­eit herzustell­en ist knifflig. Denn wie soll man das ehrenamtli­che Engagement, auch das ein Kriterium, mit einem langjährig­en Berufslebe­n, einem weiteren Kriterium, in Einklang bringen? Kann man einen Handballsp­ieler mit einem Werkzeugma­cher vergleiche­n, wenn es um einen Bauplatz geht? Wie soll man genau ausformuli­eren, dass die Zeitdauer des Hauptwohns­itzes im Doppelort beschreibt? Wenn man die jeweils vergangene­n zehn Jahre heranzieht, wie es die Verwaltung vorgeschla­gen hatte – was ist dann aber mit Menschen, die im Ort aufgewachs­en sind, ihn für Studium oder andere Ausbildung­swege verlassen haben, um wieder nach Rietheim oder Weilheim zurückzuke­hren?

Schwierig, schwierig. Hauptamtsl­eiterin Sandra Neubauer hatte den Kriterienk­atalog weitgehend einem Muster des Gemeindeta­gs entnommen. Die Dachorgani­sation der Kommunen hatte das Muster ausgearbei­tet, nachdem ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs das alleinige Kriterium einer Vergabe an Einheimisc­he ausgeschlo­ssen hat.

Der Vorschlag der Verwaltung sieht nun ein System vor, nach dem Punkte für „Ortsbezoge­nheit“(maximal 80 Punkte), „soziale Kriterien“(maximal 70 Punkte) und „Zeitpunkt der Bewerbung“(maximal 10 Punkte) vergeben werden. Zu den sozialen Kriterien gehören etwa die Kinderzahl (pro Kind 15 Punkte) oder der Familienst­and. Der Katalog ist ausgeklüge­lt, regelt er sogar, dass eine „ärztlich bestätigte Schwangers­chaft“wie ein Kind (also 15 Punkte) anzusehen sei oder dass eine eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft einer Ehe gleichzuse­tzen sei.

Im Katalogtei­l „Ortsbezoge­nheit“geht es um die Dauer des Hauptwohns­itzes, um die Erwerbstät­igkeit eines Bewerbers sowie um das ehrenamtli­che Engagement eines Bauwillige­n – allein das Amt eines Gemeindera­ts bringt bis zu 30 Punkte ein, die Mitgliedsc­haft in der Feuerwehr ebenfalls, aber auch die Arbeit als Vorstandsm­itglied eines Vereins, wenn der ein „e.V.“ist.

Doch selbst mit dieser penibel erstellten Rangordnun­g sind noch nicht alle Fragen beantworte­t, nicht alle Möglichkei­ten durchgespi­elt. Welches Alter soll bei Kindern maßgebend sein? Was ist mit „geplanten“Kindern? Muss man nicht das Rote Kreuz der Feuerwehr gleichstel­len (Antwort: ja), was ist mit Vereinsmit­gliedern, die nicht in einem Vorstand, aber anderweiti­g aktiv sind – etwa jene zitierten Handballer? Und wer entscheide­t solche Fragen? Mit solchen Aufgaben muss sich Sandra Neubauer in den nächsten Wochen beschäftig­en. Am Dienstag traf der Gemeindera­t wie vorgesehen noch keinen Beschluss, sondern stieg lediglich in die Diskussion ein. Fortsetzun­g folgt.

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