Kultusministerin gegen frühe Winterferien
Eisenmann stellt sich gegen Kretschmanns Pläne – Südwesten verschärft Corona-Regeln
STUTTGART - Südwest-Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) stellt sich gegen einen früheren Beginn der Weihnachtsferien. Als Grund nennt sie auf Anfrage Probleme bei der Betreuung der Kinder. „Weil sich das Problem der Betreuung aber offenkundig nicht auflösen lässt, haben wir dem Ministerpräsidenten einen Kompromissvorschlag für den 21. Dezember und 22. Dezember unterbreitet, um das Infektionsrisiko in den Tagen vor Weihnachten zu senken: Wir ziehen als Land Baden-Württemberg die Weihnachtsferien nicht vor. Aber wir handeln, um Schülerbewegungen und damit Kontakte zu reduzieren“, sagte sie der „Schwäbischen Zeitung“.
Eisenmann schlägt vor, Schüler der ersten bis siebten Klasse in den Schulen zu unterrichten. Schüler ab Klasse 8 sollen von zu Hause über digitale Geräte dem Unterricht folgen. Schulen, die an den letzten beiden Schultagen vor Weihnachten bewegliche Ferientage einsetzen, seien von der Regelung nicht betroffen.
Damit widerspricht Eisenmann einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die die Regierungs chefs vergangene Woche getroffen haben. Bayern hält sich an die Absprache und lässt die Schule vorzeitig am 18. Dezember enden. Ziel dabei ist, Kontakte zu reduzieren und damit das Infektionsrisiko im Familienkreis an Weihnachten zu verringern. Andere Länder sind von der Abmachung bereits ausgeschert – unter anderem Thüringen, dessen Vorgehen dem Vorschlag von Ministerin Eisenmann vergleichbar ist.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte bereits vor der Absprache mit seinen Länderkollegen für vorgezogene Weihnachtsferien plädiert. Unklar ist, wer eine Notbetreuung für Schüler bietet, deren Eltern darauf angewiesen sind. Wie Eisenmann betont, hätten die Städte und Gemeinden als Schulträger bereits angekündigt, eine Notbetreuung nicht leisten zu können.
Baden-Württemberg hat derweil seine Corona-Verordnung überarbeitet. Das Staatsministerium hat die verschärften Maßnahmen etwa bei Kontaktbeschränkungen, auf die sich Bund und Länder am Mittwoch geeinigt haben, darin verankert. Die Regeln treten heute in Kraft.
STUTTGART - Bewohner von Altenund Pflegeheimen gelten in der Corona-Pandemie als besonders schutzbedürftig. Der Zugang zu den Einrichtungen ist beschränkt. Doch Auszubildende in der Pflege sitzen im Unterricht mit vielen anderen im Klassenzimmer – mit Maske, aber ohne Abstand. Anschließend strömen sie in verschiedenste Heime. Macht das Sinn?
Nein, entschieden etliche Schulen im Südwesten und haben eigenmächtig die Klassen geteilt, um den Infektionsschutz zu verbessern. Im Wechsel darf immer die Hälfte der Klasse zum Unterricht, die andere Hälfte muss zu Hause lernen. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat solche Alleingänge aber bislang gestoppt – und auf Unterricht vor Ort für alle gedrängt. Nun scheint sie umzudenken.
In Altenheimen hat es das Coronavirus besonders leicht: Es breitet sich rasch aus und trifft vor allem diejenigen, denen es besonders schadet. Doch als Schwachstelle im Schutzkonzept sehen viele die Pflegeschüler im Land. Laut Schulstatistik waren es vor einem Jahr knapp 20 000, davon rund 3450 an öffentlichen Schulen, für die das Kultusministerium zuständig ist. Die anderen besuchen private Berufsfachschulen, für die das Sozialministerium verantwortlich ist. Auch wenn beide Ministerien betonen, sich bei der Ausbildung der Gruppen eng abzustimmen, gibt es in der Frage nach Unterricht vor Ort einen großen Unterschied. Das Sozialministerium unterstützt einen Wechsel aus Präsenzund Fernunterricht, „um in Pandemiezeiten den Infektionsschutz bestmöglich umzusetzen, wenn andere Lösungen nicht möglich sind“, wie ein Sprecher von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) erklärt. „Deshalb ist per Erlass geregelt, dass für den theoretischen und praktischen Unterricht auch digitale und andere Unterrichtsformate genutzt werden können.“
Das Kultusministerium hat derweil bislang Präsenzunterricht für alle vorgegeben. Thomas Speck, Vorsitzender des Berufschullehrerverbands (BLV) hat dafür kein Verständnis. „Die Azubis in Pflegeberufen stehen
in häufigem Kontakt zu vulnerablen Gruppen“, sagt er. „In Schulen gelten auch Hygienemaßnahmen, aber ohne Abstand. Deshalb halten wir es für erforderlich, dass Wechselunterricht stattfindet, um Risikogruppen zu schützen.“Etliche Berufsschulen hätten dies umgesetzt, bis eine Order „von oben“kam, wie er sagt. „Den Schulen hat man klar gesagt: Präsenz ist Pflicht.“
Trotzdem halten sich nicht alle Schulen daran und könnten sich theoretisch disziplinarische Maßnahmen
einhandeln, erklärt Michaela Kainath, Vize-Vorsitzende des BLV, die für die Gesundheitsberufe zuständig ist. „Die Einrichtungen wollen ihre Schüler nicht mehr in die Schule schicken. Man möchte seinen Personalbestand schützen, aber auch Verantwortung für andere übernehmen, um Infektionen nicht weiterzutragen“, sagt sie.
Das bestätigt etwa Jan Schlageter vom Seniorenzentrum Paul Gerhardt in Pforzheim. Als Mentor ist er für die Azubis im Haus zuständig. Er spricht von einer Gratwanderung: Manche Azubis hätten lediglich ein Smartphone, um dem Unterricht zu folgen. Andere seien keine DeutschMuttersprachler und hätten deshalb Probleme. Er sagt aber auch: „Wir sind generell sehr besorgt um unsere Bewohner und versuchen so wenig wie möglich Kontakt von außen reinzubringen. Je weniger Unterricht vor Ort stattfindet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich anstecken könnte.“Sein Fazit: Onlineunterricht geht vor Präsenz.
In vielen privaten Schulen scheint das bereits der Fall zu sein. Das bestätigt etwa eine Sprecherin der Stiftung Liebenau mit Sitz in Meckenbeuren. Die Stiftung bildet nicht nur Pflegekräfte aus, sondern ist auch als Träger an einer Fachschule beteiligt. „Ab 16 Schülern werden die Klassen geteilt“, so die Sprecherin. Die Schüler würden dann auf zwei Räume aufgeteilt, oder zur Hälfte online geschult.
Das Kultusministerium reagiert nun auf den Unmut. „Die Rückmeldungen aus den Pflegeschulen nehmen wir ernst“, erklärt eine Sprecherin von Kultusministerin Eisenmann. „Deshalb haben wir die neue Corona-Verordnung Schule zum Anlass genommen, auch in diesem Bereich die Regelungen entsprechend zu erweitern und anzupassen.“Diese neue Verordnung soll jetzt in Kraft treten. „In der neuen Verordnung wollen wir den Pflegeschulen ab dem 1. Dezember die Möglichkeit einräumen, den Unterricht – unabhängig vom Inzidenzwert – an die Bedingungen vor Ort flexibler anpassen zu können.“
Konkret heißt das, dass der Unterricht in geteilten Klassen im Wechsel vor Ort und zu Hause stattfinden kann. Auch könnten die Schulen unter Umständen komplett auf Fernunterricht umstellen. „Für den Fernunterricht muss seitens der Ausbildungsbetriebe sichergestellt werden, dass den Schülerinnen und Schülern feste Lernzeiten entsprechend der schulischen Unterrichtsorganisation zur Verfügung gestellt werden“, so die Sprecherin. Ein Unterschied bleibt: Bei praktischem Unterricht und Prüfungen setzt das Kultusministerium weiter auf Präsenz – im Gegensatz zum Sozialministerium.