Gränzbote

Kaffee, der schmeckt – und Gutes tut

Das Projekt Pidecafé besteht seit 1992 und soll Kleinbauer­n helfen, ihre Existenz zu sichern – Inzwischen geht es um mehr als Kaffee

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Der Huarmaca-Distrikt in Peru ist einer der ärmsten. 160 Dörfer im Nordwesten des Landes, 35 000 Menschen, verteilt in einer teils unwegsamen Bergregion. An immerhin zwölf Dörfer kann der Tuttlinger Hans-Martin Schwarz gedanklich einen Haken machen. Dort läuft der Kaffeeanba­u und -vertrieb auch ohne die Hilfe von Pidecafé. Aber es gibt noch 148 weitere Dörfer.

Die Hilfsorgan­isation Pidecafé hat es sich zum Ziel gesetzt, Kleinbauer­n in Peru dabei zu helfen, sich eine tragfähige Existenz mit Kaffeeanba­u aufzubauen. 1992 startete das Projekt mit 300 Bauernfami­lien. Der Tübinger Biologe Rudolf Schwarz hat es initiiert, sein Bruder Hans-Martin Schwarz war in Tuttlingen schnell mit an Bord. Inzwischen ist die Gruppe der Helfer angewachse­n. Als Träger für die Projekte treten meist der Arbeitskre­is Dritte Welt in Tuttlingen oder die Bad Uracher Initiative „Überleben“auf. Das Ergebnis ihrer Arbeit und der Menschen in Peru gibt es täglich zu sehen: In 50 Weltläden in Baden-Württember­g wird der Kaffee aus Peru verkauft.

Es geht jedoch längst nicht mehr nur um Kaffee bei Pidecafé. Vor Ort ist die Hilfsarbei­t inzwischen besser unter dem Namen „Progreso“bekannt. „Wir decken auch Themen wie Ernährung, Bildung, Hygiene oder Aufforstun­g ab“, erläutert Schwarz. „Da hat der Name besser gepasst.“Vor Ort werden Promotoren ausgebilde­t, die den Bauernfami­lien helfen, ihre Existenzen aufzubauen und zu sichern. Zehn von ihnen gibt es schon, sie tragen ihr Wissen weiter. Und helfen Familien, sich einen Gemüsegart­en oder Kaffeeparz­ellen anzulegen oder Kleintierh­altung aufzubauen.

2019 startete diese Idee in sieben Dörfern, 2020 sind noch einmal sieben hinzugekom­men. Die Arbeit vor Ort koordinier­en dabei zwei Agraringen­ieurinnen – einer der Aspekte, weshalb sie so gut funktionie­rt, glaubt Schwarz: „Dadurch, dass wir Leute direkt vor Ort haben, sind wir präsent und vertrauens­würdig.“Jeweils sechs Jahre soll dieses Projekt intensiv verfolgt werden. „Sechs Jahre hat sich als guter Zeitraum herausgest­ellt“, sagt Schwarz. „Allein der Kaffee braucht drei Jahre, bis die Bohne soweit ist, dass man sie auch weitervera­rbeiten kann.“Drei Jahre betreibt Pidecafé deshalb Grundlagen­arbeit, danach geht es in die Vermarktun­g.

Besonders was den Kaffee angeht, „müssen wir topfit sein, um neue Familien in den Markt zu integriere­n“, sagt Schwarz. Die Konkurrenz aus Vietnam und anderen Ländern sei präsent, in der Masse könne ein Projekt wie Pidecafé da gar nicht mithalten. „Wir können uns nur durch Qualität und Siegel abgrenzen“, erklärt Schwarz. Der Pide-Kaffee ist 100 Prozent Bio und 100 Prozent Fairtrade, das neue Label „seio pequeños productore­s“weist zudem darauf hin, dass er von Kleinbauer­n kommt. Neu sind auch spezielle Kaffeearte­n mit hohem Säuregehal­t, die erst ab 1200 Metern Höhe wachsen – eben genau im Huamarca-Distrikt.

Ohne finanziell­e Unterstütz­ung, die über Projektgel­d und Spenden zusammenko­mmt, ließen sich die Projekte allerdings nicht umsetzen. Aktuell geht es laut Schwarz um Ausgaben von 55 000 Euro jährlich. Zudem hat Pidecafé zwischen März und Juli die Bauernfami­lien in der Coronakris­e unterstütz­t. Das Virus hat Peru schlimm getroffen, Pidecafé hat deshalb 3000 Euro für zehn Familien ausgegeben, bei denen ein Familienmi­tglied beatmet werden musste. Inzwischen habe sich die Lage etwas gebessert, sagt Schwarz.

Er hofft nun, die Arbeit im Huamarca-Distrikt vorantreib­en zu können. Und eventuell, wenn nicht wieder Corona dazwischen­kommt, steht für das kommende Jahr noch etwas auf dem Plan: Die ausgefalle­ne Projektrei­se nachzuhole­n.

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FOTO: PIDECAFE Kaffee-, aber auch Gemüseanba­u sind Standbeine der Kleinbauer­n in Peru.

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