Ein anderer Blickwinkel
Die vier Bewerber um den Bürgermeister-Posten im Porträt – Heute: Stephen Trewer
TROSSINGEN - Am 6. Dezember wählen die Trossinger ihren neuen Bürgermeister. Wir stellen die vier Kandidaten näher vor – mit so mancher Facette, die nicht jedem bekannt sein dürfte. Heute: Stephen Trewer, Raumausstatter aus Trossingen.
„Ich habe eine andere Vision, als im Vorfeld Lösungen aufzutischen“, sagt Trewer mit Blick auf die anderen Bürgermeister-Kandidaten. Er trete, sagt der 52-Jährige, vor allem dafür an, dass die Trossinger in ihrer Stadt mehr Selbstbestimmung erhalten - mehr Bürgerentscheide als Beschlüsse im Gemeinderat, mehr Beteiligung auf allen Gebieten. Fragt man ihn nach einem Thema, bei dem er in Trossingen die Einwohner in der Vergangenheit stärker beteiligt hätte, fällt ihm spontan die Wohnbau ein. „Sie könnte im Hinblick auf sozialen Wohnraum mehr tun“, findet er. „Das Thema wird wegen der Corona-Pandemie sicher verstärkt auf uns zukommen.“
„Mensch und Bürger“steht auf Trewers Wahlflyer. „Es gibt den Mensch, den Bürger und die Person“, erläutert er. „Wer das für sich aufschlüsseln kann, versteht vielleicht, was ich sagen will.“Dass die Trossinger seine Botschaft verstanden haben, glaubt er jedoch nicht Stephen Trewer rechnet nicht damit, am Nikolaustag zum neuen Bürgermeister gewählt zu werden.
Die offizielle Kandidatenvorstellung in der Fritz-Kiehn-Halle habe ihm gezeigt, was die Trossinger wollen: „Jemanden, der die Dinge in die Hand nimmt und ihnen Sicherheit gibt“, stellt er fest. „Und ich würde natürlich vieles ändern, viel Neues einführen hinsichtlich Selbstverwaltung und Selbstbestimmung. Ich bin wahrscheinlich mutiger, auch mal in andere Richtungen zu schauen.“Trotzdem seien der Wahlkampf und seine Bewerbung bisher eine bereichernde Erfahrung. „Es war sehr lehrreich, zu erkennen, wo die politischen Kräfte sind.“Und es war für den 52-Jährigen auch das erste Mal, dass er vor einer Menschenmenge wie in der Kiehn-Halle gesprochen hat. Rund 200 Besucher hatten die Kandidatenvorstellung vor Ort verfolgt.
Aufgewachsen ist Trewer in einem Mehrgenerationenhaus in Brigachtal, 2013 zog er mit seiner Familie nach Trossingen. Er arbeitete 17 Jahre selbstständig als Raumausstatter, bevor er 2012 in den Textilindustrie-Vetrieb eines Schweizer Unternehmens wechselte. Sich selbst beschreibt Trewer als absoluten „Familienmensch“, der in seiner Freizeit auch gerne Motorrad und Mountainbike fährt. „Als Bürgermeister würde ich auch für ein sicheres Fahrradnetz für unsere Kinder sorgen wollen, damit sie ohne Sorge selbst unterwegs sein können“, betont Trewer. Einem Trossinger Verein gehört er nicht an - aus Zeitgründen. Beruflich ist er sehr viel unterwegs, erzählt er - da sei bisher wenig Zeit gewesen, sich in Trossingen einzubringen oder in den vergangenen Wochen Wahlkampfveranstaltungen zu organisieren. Trotzdem: Positive Rückmeldungen von Bürgern habe es schon gegeben, dass sich jemand „unklassisches“bewerbe, mit Blick von jemandem, der aus der Wirtschaft komme.
Stephen Trewers Motivation, sich mit Politik zu befassen und etwas verändern zu wollen, begann vor einigen Jahren, nachdem er als Zuschauer vor Gericht eine öffentliche Missbrauchsverhandlung verfolgte, die mit einer Bewährungsstrafe für den Angeklagten endete. „Ich habe angefangen, mich über unser Justizsystem zu informieren und einen anderen Blickwinkel auf Politik und Justiz entwickelt, als ihn vielleicht die meisten haben“, meint er. Die Entscheidung, als Bürgermeister in Trossingen zu kandidieren, sei trotzdem spontan gefallen, bisher war Trewer politisch auch nicht aktiv.
Wenn nicht als Bürgermeister, so wolle er künftig auf eine andere Art die Menschen erreichen, kündigt er an. „Vielleicht als eine Art Botschafter“- aber genaue Vorstellungen hat er da noch nicht.
Und sollte er entgegen seiner Vermutung doch der neue Trossinger Bürgermeister werden? „Dann würde ich ein politisch unabhängiges Gremium zusammenstellen, dass intern alles prüft und auch eine externe Beleuchtung veranlassen“, sagt Trewer. „Vieles, was in Trossingen passiert, würde es in einem Unternehmen niemals geben - zum Beispiel, dass der Kindergarten Albblick zu klein konzipiert wurde.“