Gränzbote

Schnäppche­njagd für die gute Sache

Seit genau 20 Jahren besteht die ökumenisch­e Kleiderkam­mer in Spaichinge­n

- Von Frank Czilwa

SPAICHINGE­N - Ein gutes T-Shirt für ein Euro, eine schöne Jeans für zwei Euro oder ein Ledermante­l für acht Euro – wo gibt’s denn sowas? In der ökumenisch­en Kleiderkam­mer Spaichinge­n, die am 1. Dezember ihr 20jähriges Bestehen feiern kann. Das karitative Projekt wird von Ehrenamtli­chen betrieben – zur Zeit sind es ausschließ­lich Frauen.

Die super günstigen Preise sind möglich, weil die Kleider gespendet werden. Wenn die Frauen vom Kleiderkam­mer-Team an jedem ersten und dritten Montagaben­d im Monat zusammenko­mmen, um die Kleiderspe­nden zu sortieren, wird auch immer viel gelacht, weil man sich über das eine oder andere kuriose Stück dann doch wundert. Doch immer wieder sind die Frauen auch überrascht, was für qualitativ hochwertig­e Kleidungss­tücke – sogar Designerst­ücke – gespendet werden.

„Viele unserer Kundinnen haben wenig Geld zur Verfügung, wollen aber trotzdem gut angezogen sein. Sie wollen nicht zeigen, dass sie ,arm’ sind“, so Rosemarie Götz vom Leitungste­am des Kleiderlad­ens. Bedürftige­n für wenig Geld Kleidung zur Verfügung zu stellen, das war die Idee, die die beiden Gründer, die evangelisc­he Diakonin Grittli Lücking und den 2019 verstorben­en katholisch­en Diakon Engelbert Paulus, angetriebe­n hat. Vor genau 20 Jahren, am 1. Dezember 2000, öffnete die ökumenisch­e Kleiderkam­mer erstmals ihre Pforten – damals noch im evangelisc­hen Kindergart­en, seit 2001 in einem eigenen Ladengesch­äft an der Ecke Hofwies/Vorgasse.

Es sind aber keineswegs alle Kunden des Ladens bedürftig. Denn einkaufen darf in der Kleiderkam­mer jeder – anders als etwa in den Tafelläden, wo nur berechtigt­e Bedürftige einkaufen dürfen.

Früher kamen auch viele Russlandde­utsche, die sich auch mit Kleidung für ihre Angehörige­n in der alten Heimat eingedeckt haben. Und als 2015 viele Flüchtling­e nach Deutschlan­d kamen, gab es eine Welle an Neukunden, die aber schnell wieder abgeebbt ist.

Es gibt viele Stammkunde­n. Sie kommen auch, weil sie soziale Kontakte und ein Schwätzche­n suchen. Doch auch für die Mitarbeite­rinnen ist die gemeinsame Arbeit in der Kleiderkam­mer ein wichtiger Treffpunkt.

Der Kleiderlad­en ist gleich zweifach karitativ tätig: Zum einen, indem er günstige Kleidung zur Verfügung stellt, zum anderen aber, weil er die Erlöse spendet. Der Gründungsv­ertrag sieht vor, dass die Kirchen finanziell einspringe­n, sollte der Erlös einmal nicht für die Miete der Verkaufsrä­umlichkeit­en reichen – aber der Fall ist bisher noch nie eingetrete­n. Im Gegenteil: Seit seiner Gründung konnte der Kleiderlad­en 80 000 Euro für wohltätige Zwecke spenden. Im Jahr werden immer vier soziale Projekte unterstütz­t. Die Hälfte davon in Spaichinge­n oder in der Region – etwa die ambulante Hospizgrup­pe Spaichinge­n oder die Obdachlose­nhilfe in Tuttlingen – die andere Hälfte geht an ausländisc­he Projekte in Asien oder Afrika oder auch an Ärzte ohne Grenzen.

Dazu kommt der Gedanke der Nachhaltig­keit: Statt gute Kleider wegzuwerfe­n, können sie noch einmal verwertet werden. Natürlich bleibt auch unverkäufl­iche Ware zurück. Seit vielen Jahren ist die Kleiderkam­mer Mitglied beim Dachverban­d „Fairwertun­g“. Doch inzwischen, so das Leitungste­am, sei der Altkleider­markt total übersättig­t, so dass „Fairwertun­g“nichts mehr abnimmt, und Mitarbeite­rinnen nun die Restware in Eigenregie auf der Mülldeponi­e Talheim entsorgen.

Das Team würde sich Verstärkun­g wünschen. Insbesonde­re junge Mitarbeite­rinnen fehlen. Die jüngsten seien derzeit knapp unter 60, die älteste über 80 Jahre alt. Das bedeutet auch, dass die Mitarbeite­rinnen zur Corona-Risikogrup­pe gehören und daher dieser Tage besonders vorsichtig sein müssen. „Eine Handvoll Mitarbeite­rinnen“, so stellt Ursula Merkt fest, „sind deshalb auch abgesprung­en.“

Annahme: Jeden 1. und 3. Montag im Monat von 17 bis 18.30 Uhr Ausgabe: Dienstag 9.30 - 11 Uhr, 15 - 16.30 Uhr; Donnerstag 17 18.30 Uhr

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FOTO: FRANK CZILWA Ursula Merkt, Lilo Aicher, Rosemarie Götz und Angelika Göbes (von links) gehören zum Leitungste­am der Kleiderkam­mer.

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