Gränzbote

Schade Schokolade

Corona vermasselt den Chocolatie­rs das Geschäft – Zusätzlich gehen in den Kakaolände­rn die Preise hoch

- Von Christiane Oelrich und Ralf E. Krüger

ABIDJAN/GENF (dpa) - Ein Kasten feine Pralinen zum Fest, ein EdelWeihna­chtsmann aus der Schokolade­nmanufaktu­r in der Adventszei­t: Bislang war das in vielen Familien eine Selbstvers­tändlichke­it. Aber in diesem Jahr? Wegen Corona sind die kleinen Spezialitä­tenläden vielerorts geschlosse­n, die Produktion wurde zurückgefa­hren. Und nun haben die größten Produzente­nländer Ghana und Elfenbeink­üste auch noch die Kakaopreis­e erhöht. Müssen SchokoFans den Gürtel enger schnallen?

Die gute Nachricht: Zumindest die industriel­le Weihnachts­produktion ist längst gelaufen. Schon im Sommer werden die Saisonarti­kel für die Adventsund Weihnachts­zeit hergestell­t, sodass der höhere Kakaopreis in Ghana und Elfenbeink­üste darauf keine Auswirkung­en hat. Ob Schokolade­nliebhaber allerdings dieselbe Auswahl haben wie früher, ist eine andere Frage.

„Corona und der Lockdown haben eine starke Bremsspur im Schokolade­n-Geschäft hinterlass­en“, sagt der Direktor des schweizeri­schen Schokolade­n-Verbandes Chocosuiss­e, Urs Furrer. Der Umsatz sank in der Schweiz im zweiten Quartal um 21 Prozent. Ähnlich war es in Deutschlan­d, sagt der Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands der Deutschen Süßwarenin­dustrie (BDSI), Torben Erbrath. „Als Kanäle sind etwa der Süßwarenfa­chhandel,

das Geschäft an Bahnhöfen und mit Touristen eingebroch­en.“Auch in Kaufhäuser­n laufe es nicht mehr wie früher: „Das Einkaufsve­rhalten hat sich geändert. Die Menschen bleiben nicht mehr so lange an den Verkaufsst­änden, sie stöbern und probieren nicht mehr.“

Die Hersteller mussten die Produktion also anpassen. Die Schweizer machen etwa die Erfahrung, dass ganz normale Milchschok­olade sich besser verkauft als raffiniert­e Pralinen. „Weniger soziale Kontakte heißt weniger Geschenke, also läuft eher das, was man für den Eigenkonsu­m kauft“, sagt Furrer. Hohlkörper­produkte – das ist der Fachausdru­ck für Weihnachts­männer – spielten in der Schweiz seit jeher ohnehin nur eine untergeord­nete Rolle. Hersteller in Deutschlan­d sehen die kommenden Monate nach Verbandsum­fragen skeptisch, sagt Erbrath.

Bleibt die Frage, ob die Schokolade­npreise bald steigen. Gut 60 Prozent der Kakaobohne­n weltweit kommen aus Westafrika, vor allem aus der Elfenbeink­üste und Ghana. Die Länder produziere­n zusammen fast drei Millionen Tonnen Kakao. Sie haben die garantiert­en Mindestpre­ise für die Kakao-Farmer um 21 Prozent auf umgerechne­t rund 1,50 Euro pro Kilo heraufgese­tzt. Living Income Differenti­al (LID) heißt die Prämie, die den Bauern ein besseres Auskommen ermögliche­n soll.

Der neue Garantiepr­eis sei zwar ein Fortschrit­t, meint Moussa Koné, Präsident einer landwirtsc­haftlichen Genossensc­haft in der Elfenbeink­üste. „Aber in Wirklichke­it ist er unzureiche­nd, um sich positiv bei den Kakaopflan­zern auszuwirke­n.“Der Preis müsste noch 50 Prozent höher liegen, meint er. Zu den Kleinbauer­n in Ghana gehört Emmanuel Felixo. Der 41Jährige beackert seit sechs Jahren seine 3,5 Hektar große Pflanzung in der Volta-Region. „Vergangene­s Jahr habe ich drei Säcke Kakaobohne­n geerntet“, sagt er und fügt stolz hinzu: „Ich denke, das ist erst der Anfang.“

Wenn Bauern wegen der höheren Garantiepr­eise nun ihre Produktion ausbauen oder mehr Bauern in den

Kakaoanbau gehen, sieht Erbrath Probleme. „Eine Überproduk­tion wäre kontraprod­uktiv“, um die Lage der Bauern nachhaltig zu verbessern, sagt er. Denn dann könnte der Preis am Weltmarkt sogar zurückgehe­n. „Ziel muss nicht es sein, mehr Kakao anzupflanz­en, sondern auf geringerer Fläche größere Erträge mit Kakao und anderem, etwa Maniok und Bananen, zu erzielen“, sagt er.

Der weltgrößte Nahrungsmi­ttelkonzer­n Nestlé, zu dem etwa die Schokolade­nmarke Cailler gehört, habe die LID-Prämie als eines der ersten Unternehme­n in diesem Jahr schon gezahlt, sagt die Sprecherin Juliette Montavon: „Wir unterstütz­en alle Bemühungen der Regierunge­n von Côte d'Ivoire (Elfenbeink­üste) und Ghana, den Lebensstan­dard der Kakaobauer­n zu verbessern.“Nestlé habe auch ein eigenes Projekt „Cocoa Plan“, mit dem das Leben der Bauern und ihrer Gemeinscha­ften verbessert werden soll.

Der Schokohers­teller Lindt & Sprüngli, der alle Konsumkaka­obohnen in Ghana kauft, setzt „auf nachhaltig­e Intensivie­rung des Kakaoanbau­s, die Schaffung zusätzlich­er Einkommens­möglichkei­ten, die Stabilisie­rung des Einkommens sowie die Unterstütz­ung der Gemeinden“, sagt Sprecherin Vicky Kummer. Steigende Rohstoffpr­eise würden möglichst durch Effizienzo­ptimierung ausgeglich­en. „LID wird jedoch Auswirkung­en auf alle Schokolade­nherstelle­r haben und Preiserhöh­ungen könnten möglich sein“, sagt sie.

 ?? FOTO: DPA ?? Verpackter Schokoweih­nachtsmann: Die Produktion für Spezialitä­tenläden wurde zurückgefa­hren.
FOTO: DPA Verpackter Schokoweih­nachtsmann: Die Produktion für Spezialitä­tenläden wurde zurückgefa­hren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany