„Die Zeit der Blockwarte ist Gott sei Dank vorbei.“
Petze! So wurden Mitschüler beschimpft, die den Lehrern gesteckt haben, wer sich im Klassenzimmer aufhältt, statt die Große Pause vorschriftsmäßig an der frischen Luft zu verbringen. Dafür gab es Strafarbeiten. Wohlgemerkt für die Frische-LuftSchwänzer – und leider nicht für den Denunzianten, der das viel eher verdient gehabt hätte. Die Petze hat ein widerliches Vorbild: die Blockwarte. Sie waren die rangniedrigsten Funktionäre der NSDAP, jeder für etwa
50 Haushalte zuständig. Diese „Vorzeigedeutschen“machten im Dritten Reich nicht nur Propaganda für die Partei, sondern sie überwachten die Menschen in ihrem Bereich: Wer war ein „Judenfreund“oder äußerte sich regimekritisch? Wer hat heimlich Radio gehört?
Ohne es dramatisieren zu wollen: Wer seinen Nachbarn im Rathaus oder bei der Polizei anschwärzt, weil dieser
Kontakt zu mehr Menschen hat als erlaubt oder weil er sonst gegen geltende Corona-Regeln verstößt, ist für mich eine Petze. Dabei stehe ich absolut hinter den Regelungen, die die Politik im Kampf gegen das tödliche Virus erarbeitet hat. Schließlich geht es um Menschenleben.
Aus meiner Sicht gibt es aber andere Mittel, um auf den Nachbarn einzuwirken oder Menschen in der Fußgängerzone, die keine Maske tragen, auf ihr Versehen hinzuweisen: die direkte Ansprache verbunden mit der Bitte, sich anständig und sozial zu verhalten und die Regeln den Mitmenschen zuliebe zu befolgen. Das hilft manchmal weitaus mehr, als Drohungen auszusprechen oder den Nachbarn die Ordnungshüter ins Haus zu schicken. Das ist und bleibt Denunziantentum.