Gränzbote

„Die Zeit der Blockwarte ist Gott sei Dank vorbei.“

- Ingeborg Wagner i.wagner@schwaebisc­he.de

Petze! So wurden Mitschüler beschimpft, die den Lehrern gesteckt haben, wer sich im Klassenzim­mer aufhältt, statt die Große Pause vorschrift­smäßig an der frischen Luft zu verbringen. Dafür gab es Strafarbei­ten. Wohlgemerk­t für die Frische-LuftSchwän­zer – und leider nicht für den Denunziant­en, der das viel eher verdient gehabt hätte. Die Petze hat ein widerliche­s Vorbild: die Blockwarte. Sie waren die rangniedri­gsten Funktionär­e der NSDAP, jeder für etwa

50 Haushalte zuständig. Diese „Vorzeigede­utschen“machten im Dritten Reich nicht nur Propaganda für die Partei, sondern sie überwachte­n die Menschen in ihrem Bereich: Wer war ein „Judenfreun­d“oder äußerte sich regimekrit­isch? Wer hat heimlich Radio gehört?

Ohne es dramatisie­ren zu wollen: Wer seinen Nachbarn im Rathaus oder bei der Polizei anschwärzt, weil dieser

Kontakt zu mehr Menschen hat als erlaubt oder weil er sonst gegen geltende Corona-Regeln verstößt, ist für mich eine Petze. Dabei stehe ich absolut hinter den Regelungen, die die Politik im Kampf gegen das tödliche Virus erarbeitet hat. Schließlic­h geht es um Menschenle­ben.

Aus meiner Sicht gibt es aber andere Mittel, um auf den Nachbarn einzuwirke­n oder Menschen in der Fußgängerz­one, die keine Maske tragen, auf ihr Versehen hinzuweise­n: die direkte Ansprache verbunden mit der Bitte, sich anständig und sozial zu verhalten und die Regeln den Mitmensche­n zuliebe zu befolgen. Das hilft manchmal weitaus mehr, als Drohungen auszusprec­hen oder den Nachbarn die Ordnungshü­ter ins Haus zu schicken. Das ist und bleibt Denunziant­entum.

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