Gränzbote

Milliarden­grab in der Ostsee

Bund fürchtet Handelskri­eg wegen Pipeline Nord Stream 2

- Von Igor Steinle und dpa

BERLIN - Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass der Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 zum Erliegen kam. Den Betreibern der schweizeri­schen Verlegesch­iffe, die die Röhren auf den Ostseegrun­d absenkten, war die Gefahr zu groß, ins Fadenkreuz der US-Behörden zu gelangen. Der Kongress hatte kurz zuvor das „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesic­herheit“verabschie­det, mit dem am Bau beteiligte Unternehme­n Sanktionen ausgesetzt wurden.

Nun könnte es bald weitergehe­n. Auf Anfrage verweist Nord Stream auf die „Bekanntmac­hungen für Seefahrer“des Schifffahr­tsamts Ostsee, in denen Bauarbeite­n vom 5. bis zum 31. Dezember angekündig­t werden. Die russischen Verlegesch­iffe „Akedemik Tscherski“und „Fortuna“wurden dafür eigens umgerüstet.

In den kommenden Wochen wird sich also entscheide­n, ob Nord Stream zum fast zehn Milliarden Euro schweren Investitio­nsgrab in der Ostsee wird, oder es der Betreiberg­esellschaf­t doch noch gelingt, die verblieben­en sechs Prozent der 1200 Kilometer langen Erdgasleit­ung fertigzust­ellen. Denn der US-Kongress arbeitet an einem Gesetz, mit dem die angedrohte­n Strafmaßna­hmen gegen Unternehme­n ausgeweite­t werden sollen. In der Nacht zum Freitag einigten sich Demokraten und Republikan­er darauf, Unternehme­n, die die Verlegearb­eiten auch nur entfernt unterstütz­en, mit Strafen zu belegen. Das träfe selbst deutsche Häfen, die ihre Anlagen zur Verfügung stellen.

Neu in dem US-Entwurf ist jedoch, dass vor Strafaktio­nen gegen europäisch­e Unternehme­n die Regierunge­n

angehört werden sollen. Sanktionen gegen europäisch­e Partnersta­aten und deren Behörden beziehungs­weise Körperscha­ften werden sogar komplett ausgeschlo­ssen. Damit ist zuvor noch unverhohle­n gedroht worden.

Das will Mecklenbur­g-Vorpommern offenbar nutzen. Laut Medienberi­chten bereitet sich die Landesregi­erung in Schwerin darauf vor, eine Stiftung mit dem Namen „Klimaschut­z MV“zu gründen, unter deren Dach am Pipelineba­u beteiligte Unternehme­n das Projekt fertigstel­len sollen. Dass die eine Körperscha­ft eieines EU-Staates wäre, könnten so Sanktionen umgangen werden.

Sowohl die Staatskanz­lei von Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) als auch die Betreiber von Nord Stream 2 wollten sich dazu nicht äußern. Eine Sprecherin von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) gab jedoch zu, „Kenntnis von den Überlegung­en Mecklenbur­g-Vorpommern­s“zu haben. Der Plan ist in der Bundesregi­erung aber umstritten. Es gebe Bedenken, ein einzelnes Bundesland könne einen Handelskri­eg mit den USA auslösen.

Formal einziger Anteilseig­ner der Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizeri­schen Zug ist der russische Konzern Gazprom. Dazu kommen als „Unterstütz­er“die deutschen Konzerne Wintershal­l Dea und Uniper sowie die niederländ­isch-britische Shell, Engie (Frankreich) und OMV aus Österreich. Die USA laufen seit Jahren Sturm gegen Nord Stream, weil Europa damit abhängig von russischem Gas würde. Kritiker werfen den USA dagegen vor, ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.

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