Gränzbote

Es rappelt im Karton

Ärger um Amazon – Versandhän­dler plant ein Verteilzen­trum am Memminger Flughafen

- Von Helmut Kustermann

MEMMINGEN - Hinter verschloss­enen Türen diskutiere­n Allgäuer Kommunalpo­litiker über ein brisantes Thema: Der Versandrie­se Amazon will sich auf einer Gewerbeflä­che beim Memminger Flughafen ansiedeln und ein Verteilzen­trum bauen. Der Konzern hat entspreche­nde Informatio­nen unserer Zeitung gestern bestätigt. Das fragliche Grundstück ist im Besitz einer Gesellscha­ft, der alle Allgäuer Landkreise und kreisfreie­n Städte angehören. Noch ist nicht klar, ob das Geschäft zustande kommt. Doch eine kontrovers­e Diskussion bahnt sich an.

Allgäuer Kommunen hatten vor einigen Jahren Gewerbeflä­chen am Flughafen gekauft, um den finanziell schwer angeschlag­enen Memminger Flughafen zu retten. Eine Gesellscha­ft wurde gegründet, der auch Banken aus der Region angehören. Amazon interessie­rt sich nach Informatio­nen unserer Zeitung für eine mindestens 30 000 Quadratmet­er große Fläche. Das Verteilzen­trum selbst soll offenbar mehrere Tausend Quadratmet­er groß werden. Von dort aus würden weite Teile des Allgäus bedient.

Die Gesellscha­ft habe die Aufgabe, „Grundstück­e zu verwerten“, sagt Werner Birkle, einer der beiden Geschäftsf­ührer. Insofern stehe er dem Vorhaben grundsätzl­ich positiv gegenüber. Aber natürlich sei er sich im Klaren, „dass der Name Amazon in der Bevölkerun­g nicht immer positive Reaktionen hervorruft“, fügt der frühere Bürgermeis­ter von Buxheim (Unterallgä­u) hinzu. So haben Gewerkscha­ftsvertret­er in der Vergangenh­eit immer wieder die Arbeitsbed­ingungen bei Amazon kritisiert. Und es gibt sogar Stimmen, dass der Konzern aus Wettbewerb­sgründen eigentlich zerschlage­n werden müsste, da die Macht des Riesen inzwischen deutlich zu groß geworden sei.

In der Region führt die mögliche Amazon-Ansiedlung ebenfalls zu Kritik: Er sei wütend, sagt ein Kommunalpo­litiker aus dem Unterallgä­u. „Wenn Amazon hierherkom­mt, ist das ein verheerend­es Signal. Schließlic­h ist der Onlinehand­el die größte Bedrohung für unsere Innenstädt­e.“

Einem Kollegen gehen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Mit dem Slogan „Lass den Klick in deiner Stadt“werbe man dafür, den einheimisc­hen Einzelhand­el zu unterstütz­en. „Und dann lässt man es zu, dass sich Amazon hier ansiedelt?“

Unter Ausschluss der Öffentlich­keit sprachen Allgäuer Kommunalpo­litiker bereits über das Ansinnen von Amazon. Nach Informatio­nen unserer Zeitung haben der Memminger Oberbürger­meister Manfred Schilder und der Unterallgä­uer Landrat Alex Eder die jeweiligen Fraktionsv­orsitzende­n informiert. Nach seiner Einschätzu­ng sei „dem Interessen­ten“daran gelegen, dass über den Grundstück­skauf bald entschiede­n wird, sagt Eder auf Anfrage unserer Zeitung. Der Unterallgä­uer Kreistag werde sich in einer nichtöffen­tlichen Sitzung am Montag damit beschäftig­en, berichtet der Landrat. Soll dann bereits abgestimmt werden oder kommt das Thema später nochmals auf die Tagesordnu­ng? „Das entscheide­t das Gremium“, antwortet Eder. In Memmingen wird sich der Finanzauss­chuss des Stadtrates am Dienstag ebenfalls nichtöffen­tlich mit Amazon beschäftig­en. Damit das Geschäft zustande kommt, muss die Besitzgese­llschaft laut Geschäftsf­ührer Birkle mit einer Zwei-DrittelMeh­rheit zustimmen. Zu den Befürworte­rn gehört der Kaufbeurer Oberbürger­meister Stefan Bosse: „Ich sehe das insgesamt positiv, zumal der Flughafen eine ausgezeich­nete Verkehrsan­bindung hat.“

„Wir prüfen derzeit die Möglichkei­t, ein Verteilzen­trum in der Region um Memmingen zu eröffnen“, heißt es bei Amazon. Ziel sei es, den Kunden in der Region „einen noch besseren Service“zu bieten. Zudem werde man Arbeitsplä­tze schaffen. Das Interesse von Amazon hat die Frage aufgeworfe­n, ob der Konzern am Allgäu Airport auch zu Frachtflüg­en starten will. Nach Angaben des Unternehme­ns ist dies aber nicht geplant.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Ein Sortiermit­arbeiter von Amazon trägt in einem Verteilzen­trum ein Paket: „Wenn Amazon hierher kommt, ist das ein verheerend­es Signal“, heißt es aus Teilen der Kommunalpo­litik.

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