Gränzbote

Aus Liebe zum Luftschiff

Auch wenn das lukrative Geschäft ausgeblieb­en ist, werden auch in Zukunft in Friedrichs­hafen Zeppeline gebaut

- Von Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Im Restaurant der Zeppeline servierten Kellner edle Weine und feinste Speisen an weiß eingedeckt­en Tischen. Die Reisenden saßen im Salon und rauchten, hörten Konzerten zu oder zogen sich in ihre Kabinen zurück, die mit Doppelstoc­kbetten und fließend Wasser ausgestatt­et waren. „In den 1930erJahr­en sind die Zeppeline das bei Weitem exklusivst­e Reisemitte­l gewesen, um über den Atlantik zu kommen“, erzählt Eckhard Breuer.

Der 56-Jährige ist Chef der Zeppelin Luftschiff­technik (ZLT) und der Deutschen Zeppelin-Reederei – der beiden Unternehme­n, die seit fast 20 Jahren in Friedrichs­hafen Luftschiff­e bauen und am Bodensee fliegen lassen und so an die Ära der Luftschiff­e anknüpfen. Vor allem aber ist Breuer leidenscha­ftlicher Flieger: Der ehemalige Luftwaffen­pilot, der vom Segelflieg­er über den Jagdbomber bis zum Business-Jet schon alles geflogen hat, hat sein Herz an die von Ferdinand Graf von Zeppelin erfundenen majestätis­chen Luftschiff­e verloren. „Vielleicht ist es der Gedanke an die glamouröse Zeit der großen Luftschiff­e, die mich gepackt hat, einer Zeit, die durch die Katastroph­e von Lakehurst so ein jähes Ende genommen hat“, sagt Breuer. „Bei uns können Passagiere die Zeit noch einmal nachempfin­den und fühlen, wie es damals gewesen sein muss.“

Die Katastroph­e von Lakehurst, die Bilder des brennenden Zeppelins Hindenburg, der im Mai 1937 nach einer Atlantiküb­erquerung abgestürzt ist, kennt Breuer genau. Und er weiß auch, dass viele Menschen genau diese Bilder mit dem Zeppelin verbinden. Aber weil die Auftriebsk­örper heute nur noch unbrennbar­es Gas enthalten, könne mit den Zeppelinen NT – NT steht für neue Technologi­e – solch ein Unglück nicht mehr passieren. Unter anderem um das zu beweisen, begann die von der Stadt Friedrichs­hafen verwaltete Zeppelin-Stiftung, die hinter dem Münchner Baumaschin­enhändler Zeppelin steht und mehr als 93 Prozent der Anteile des Autozulief­erers ZF hält, mit der Entwicklun­g von Luftschiff­en – und zwar genau an dem Standort, an dem der Graf vor mehr als 100 Jahren den Mythos der Zeppeline begründete.

Acht Luftschiff­e hat die ZLT seit dem Jungfernfl­ug des ersten Zeppelins NT im September 1997 gebaut, zwei davon fliegen regelmäßig am Bodensee. Touristisc­he Flüge führen von Friedrichs­hafen aus nach Lindau und Ravensburg, zur Insel Mainau oder den Rhein hinauf. In normalen Jahren fliegen 22 000 Menschen mit den Zeppelinen, für 2020 hatte Eckhard Breuer mit 24 000 Passagiere­n geplant, am Ende sind es wegen der Corona-Pandemie 13 800 geworden. „Es war ein schwierige­s Jahr mit wenigen Lichtblick­en“, sagt Breuer mit Blick auf die Bilanz der Deutschen

Luftschiff-Reederei. „Wir konnten nur fünf Monate fliegen, außerdem haben wir auch bei Gastronomi­e, Merchandis­ing und Hangarführ­ungen Umsatz verloren.“Lichtblick­e seien die Treue der Passagiere, von denen die meisten ihre Tickets nicht storniert, sondern umgebucht hätten, und der Auftrag des Forschungs­zentrums Jülich gewesen, das einen Zeppelin im Sommer kurzfristi­g für Luftmessun­gen in der Kölner Bucht gechartet habe. Doch trotz aller Lichtblick­e werden die ZLT und die Deutsche Zeppelin-Reederei mit ihren rund 100 festangest­ellten Mitarbeite­rn für 2020 keinen Gewinn ausweisen. „Wir konnten ein Drittel des Umsatzes nicht einfliegen, es wird wirklich schwierig“, erklärt Breuer. In normalen Jahren seien beide Unternehme­n zusammen profitabel und kommen auf einen Umsatz, der im niedrigen zweistelli­gen Millionenb­ereich liegt. „Unser Ziel ist es aber, dass beide Unternehme­n zusammen an die schwarze Null herankomme­n“, sagt Breuer.

So bescheiden waren die Ziele der der Luftschiff­bauer aus Friedrichs­ahfen nicht immer. Als die Stiftung das Unternehme­n ZLT für die Entwicklun­g und den Bau von Luftschiff­en gründete, träumten die Verantwort­lichen am Bodensee davon, mit Luftschiff­en den Weltmarkt zu erobern. Breuers Vorgänger Thomas Brandt war vor sieben Jahren davon überzeugt, dass mit dem Verkauf von drei Zeppelinen an den US-Reifenhers­teller Goodyear der Sprung in die Wirtschaft­lichkeit so gut wie geschafft war – immerhin kostete jedes Luftschiff 14,5 Millionen Euro. „Mit dem Ertrag arbeitet die ZLT bis 2017 wirtschaft­lich. Jetzt müssen wir uns bemühen, die Wirtschaft­lichkeit nicht wieder zu verlieren“, hatte Brandt damals gesagt. In den Jahren vor dem Goodyear-Deal hatte die ZLT Verluste geschriebe­n – jedes Jahr zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Euro. Ausgeglich­en

hatten die der Zulieferer ZF und eine Holding, die mehr als 96 Prozent der Anteile von Zeppelin Baumaschin­en in München hält. Und auch bei ZF sah man das Zeppelin-Projekt damals als zukunftstr­ächtiges Geschäftsm­odell. Es geht „um Herzblut – aber langfristi­g auch um Profitabil­ität“, hatte ZF-Finanzvors­tand Konstantin Sauer kurz vor dem Goodyear-Geschäft gesagt.

In der Zwischenze­it hat die Realität Einzug am Bodensee gehalten. „Einen Massenmark­t gibt es für diese Fahrzeuge nicht, es ist ein Nischenmar­kt. Und in den Jahren, in denen die ZLT kein Luftschiff verkauft, ist die Ergebnissi­tuation schwierig. Und ich sehe nicht, dass wir eine große Anzahl von Luftschiff­en verkaufen“, sagt Eckhard Breuer. Dazu seien die Einsatzmög­lichkeiten zu begrenzt, in der Regel setze man Luftschiff­e für touristisc­he Flüge, für die Werbung und für Forschungs­zwecke ein. Allerdings werde die ZLT künftig natürlich auch noch das eine oder andere Luftschiff verkaufen. „Es gibt auch Gespräche, Konkretes kann ich aber nicht sagen“, sagt Breuer. „Aber wir haben mehrere Eisen im Feuer.“

Hinzu kommt, dass die ZLT nicht nur vom Bau und Verkauf von Luftschiff­en lebt, sie kümmert sich laut Breuer auch um die Wartung der Zeppeline in Friedrichs­hafen und der Goodyear-Luftschiff­e, die das Unternehme­n vor allem für Werbezweck­e einsetzt und die in Ohio, Florida und Kalifornie­n stationier­t sind. Zudem hat die ZLT „einen Kunden, der Beratungsu­nd Fertigungs­leistungen in Anspruch nimmt, der unseren technische­n Bereich gut auslastet“, wie Breuer erklärt. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Branchenkr­eisen handelt es sich bei diesem Kunden, um Google-Gründer Sergey Brin, der auf der Luftschiff­basis der US-Navy in Moffet Field in Kalifornie­n ebenfalls Luftschiff­e baut und kurz vor dem Erstflug steht.

Klar ist aber auch, dass es für die Zeppelin-Stiftung, die Gesellscha­fter des Projekts und die Stadt Friedrichs­hafen nie nur um Wirtschaft­lichkeit und Rendite, Verkaufsza­hlen und Gewinne gegangen ist, als sie den Luftschiff-Traum wiederaufl­eben ließen. Denn der Zeppelin am Himmel „ist das fliegende Symbol für den industriel­len Wohlstand am Bodensee“, erläutert Breuer. Denn als Graf Ferdinand von Zeppelin Anfang des 20. Jahrhunder­ts am Bodensee anfing, Luftschiff­e zu bauen, legte er seinen Traum sehr weitsichti­g an: Neben der Gesellscha­ft für Luftschiff­e gründete der Graf Untergesel­lschaften, die die Technik der Zeppeline lieferten und gleichzeit­ig selbststän­dig auf ihren Märkten agieren müssen. Aus diesen Unternehme­n sind nicht nur der Autozulief­erer ZF und der Baumaschin­enhändler Zeppelin hervorgega­ngen, sondern auch der Motorenbau­er Rolls-Royce Power Systems oder der Flugzeughe­rsteller Dornier, dessen Standort in Immenstaad heute zur Verteidigu­ngs- und Weltraumsp­arte von Airbus gehört.

Die Katastroph­e von Lakehurst hat die Ära der Luftschiff­e also nie wirklich beendet: Das Vermächtni­s des Grafen lebte auch nach 1937 weiter: als Zahnrad von ZF, Dieselmoto­r von MTU oder den Satelliten von Airbus – bis zu dem Tag im September 1997, als endlich wieder ein echter Zeppelin seinen Ankermast verließ.

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FOTO: PAWEL OSWIECIMSK/ZLT Einer der in USA verkauften Zeppeline beim Verlassen des Hangars am Bodensee: Erinnerung an die glamouröse Zeit der großen Luftschiff­e.
 ?? FOTO: MICHAEL HAEFNER/ZLT ?? Eckhard Breuer, der Chef der Luftschiff­e: „Der Zeppelin ist das fliegende Symbol für den industriel­len Wohlstand am Bodensee.“
FOTO: MICHAEL HAEFNER/ZLT Eckhard Breuer, der Chef der Luftschiff­e: „Der Zeppelin ist das fliegende Symbol für den industriel­len Wohlstand am Bodensee.“

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