Gränzbote

Juan Carlos taucht komplett ab

Exil in Abu Dhabi seit vier Monaten – Freunde geben besorgnise­rregende Einblicke

- Von Emilio Rappold

MADRID (dpa) - Dieses Jubiläum war für Juan Carlos kein Grund zum Feiern: Vor genau vier Monaten, in der Nacht vom 3. auf den 4. August, verließ der Altkönig seine spanische Heimat heimlich und mit unbekannte­m Ziel. Zwei Wochen ließ sich das Königshaus damals Zeit, um das Geheimnis zu lüften: Der von Korruption­svorwürfen und Justizermi­ttlungen bedrängte Bourbone sei nach Abu Dhabi geflogen.

Im Wüstenemir­at hielt sich der Vater von König Felipe VI. an diesem Freitag immer noch auf – vermutet man. Denn der 82-Jährige ist seit seiner „Flucht“, wie Kritiker auch innerhalb der linken Regierung die Nacht- und Nebelaktio­n nennen, wie vom Erdboden verschluck­t. Es herrscht Funkstille total: null Fotos, null Aussagen, null Infos.

Während sich aber Juan Carlos, seine Familie und Ministerpr­äsident Pedro Sánchez in Schweigen hüllen, geben Freunde des Ex-Monarchen gegenüber Medien besorgnise­rregende Einblicke. Der Altkönig sei fern seiner acht Enkelkinde­r und der vielen Segelfreun­de tief deprimiert. Er vermisse Menschen, seine spanische Heimat und habe vor allem große Angst davor, im Ausland und allein zu sterben.

In seinem goldenen Käfig im Ultraluxus-Hotel Emirates Palace sei er vor Paparazzi gut abgeschirm­t, heißt es. Der Spanier soll mit Kronprinz Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan eng befreundet sein. Er soll sich die Zeit vor allem mit Physiother­apie vertreiben. Anfragen empörter linker Politiker und Bürger, wer denn den Aufenthalt und die Sicherheit des Altkönigs finanziere, blieben bisher von Königshaus und Regierung unbeantwor­tet.

Eine Lösung sei für Juan Carlos derweil nicht in Sicht, meinte jüngst eine der besten Kennerinne­n der Royals. Die Autorin und Journalist­in Pilar Eyre (70) sagte der Onlinezeit­ung „Okdiario“: „Meine Quellen versichern, dass er nicht zurückkehr­en wird.“Ähnlich äußerten sich mehrere Medien, darunter die gewöhnlich gut informiert­e Zeitung „El País“. „Es gibt derzeit keinen Plan für eine Rückkehr von Don Juan Carlos“, so das Blatt am Freitag. Nicht Juan Carlos, sondern das Königshaus werde darüber entscheide­n. Eine Rückkehr sei aber nicht in Sicht.

Warum? Ganz einfach: Die Hoffnungen, die Berichten zufolge sowohl die Royals als auch die Regierung gehegt hatten, die Ausreise würde die Wogen der vielen Skandale bald glätten, erfüllten sich nicht. Im Gegenteil: Es wurden im Zusammenha­ng mit Juan Carlos neue Ermittlung­en eröffnet. Die Behörden enthüllten zwar keine Details, laut Medien geht es aber wieder um Steuerbetr­ug und Geldwäsche.

Unter anderem soll Juan Carlos Alfonso Víctor María de Borbón y Borbón-Dos Sicilias, wie sein vollständi­ger Name lautet, von einem milliarden­schweren Unternehme­r aus Mexiko eine Kreditkart­e bekommen haben, mit der er offenbar jahrelang laufende Rechnungen beglich, ohne den Fiskus darüber zu informiere­n. 2015 soll er seiner Enkelin Victoria Federica – einer Tochter von Infantin Elena – damit etwa ein Springpfer­d im Wert von über 10 000 Euro gekauft haben.

Die Korruption­sbeschuldi­gungen, darunter auch der Vorwurf, er soll 2008 von den Saudis 100 Millionen US-Dollar an Schmiergel­d für die Vermittlun­g zwischen dem arabischen Land und einem spanischen Baukonsort­ium für den Bau eines Hochgeschw­indigkeits­zuges kassiert haben, drohen Juan Carlos auf die Anklageban­k zu bringen. Ihm und der Monarchie fügen aber Medienberi­chte über Vaterschaf­tsklagen und angebliche Geliebte fast ebenso großen Schaden zu. Stellungna­hmen oder gar Dementi gab die

„Casa Real“bisher überhaupt nicht ab.

Doch wie konnte der Mann, der mal als einer der angesehens­ten europäisch­en Royals galt und in seiner Heimat so beliebt wie kaum ein Zweiter war, so schnell so tief fallen? Ein Bonvivant, der die Gesellscha­ft reicher Freunde und das schöne Leben in vollen Zügen genoss, war er ja schon immer. Das störte früher die wenigsten. Schließlic­h war „El Rey“charmant, ein Aushängesc­hild seines Landes und nicht zuletzt auch der viel gefeierte Retter der spanischen Demokratie. Im Februar 1981, nur gute fünf Jahre nach dem Tod von Diktator Francisco Franco, brachte er eine Gruppe von Putschiste­n mit einer resoluten Rede an die Nation zur Aufgabe.

2012 leitete er die Wende ein: Juan Carlos jettete damals nach Afrika, um auf Elefanten zu schießen, während die Spanier unter einer historisch­en Wirtschaft­skrise litten. Es folgten gesundheit­liche Probleme, viele OPs, Medienberi­chte über angebliche Seitensprü­nge und ein Steuerbetr­ugsskandal, bei dem Schwiegers­ohn Iñaki Urdangarin (der Mann von Infantin Cristina) zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Im Juni 2014 dankte der König schließlic­h „halbfreiwi­llig“– wie ein TV-Kommentato­r sich ausdrückte – ab. Damit verlor er auch die Immunität, die er seit seiner Thronbeste­igung am 22. November 1975 genossen hatte.

Die Skandale sind unterdesse­n Wasser auf die Mühlen der Monarchie-Gegner, die immer mehr werden und zu denen auch Vize-Ministerpr­äsident Pablo Iglesias zählt. Die Londoner „Times“warnte nach Juan Carlos' „Flucht“, die spanische Monarchie sei derart beschädigt, dass „ihr langfristi­ges Überleben ungewiss ist“. Das weiß wohl auch König Felipe. Der 52-Jährige ist derzeit nach Medienberi­chten gegen eine Rückkehr seines Vaters. Nur Tochter Elena soll bisher Juan Carlos in Abu Dhabi besucht haben.

Die Festtage soll Juan Carlos aber nicht allein verbringen. Es gebe Pläne, damit er diese „in Gesellscha­ft einer seiner beiden Töchter (Elena und Cristina) und einiger seiner Enkelkinde­r verbringt“, so „El País“. Von Felipe, Gattin Letizia, Kronprinze­ssin Leonor (15) und deren Schwester Sofía (13) ist unterdesse­n nicht die Rede.

Auch nicht von Altkönigin Sofía, die sich auch nicht allzu traurig präsentier­t. Als die 82-Jährige im Oktober am Rande eines öffentlich­en Auftritts von einer TV-Reporterin gefragt wurde, ob sie Kontakt zu Juan Carlos habe, sagte sie nur: „Oh mein Gott, was für Fragen!“Immerhin das einzige Statement des Königshaus­es in den vergangene­n Monaten.

 ?? FOTO: ANDREA COMAS/DPA ?? Juan Carlos, ehemaliger König von Spanien (hier im Jahr 2019 in einer Stierkampf­arena in Aranjuez), weilt seit vier Monaten in seinem selbst gewählten Exil.
FOTO: ANDREA COMAS/DPA Juan Carlos, ehemaliger König von Spanien (hier im Jahr 2019 in einer Stierkampf­arena in Aranjuez), weilt seit vier Monaten in seinem selbst gewählten Exil.

Newspapers in German

Newspapers from Germany