„Den Menschen fehlt es einfach an allem“
„Ich helfe dir“kämpft gegen den Hunger in Uganda und die Knappheit im Tafelladen
TROSSINGEN - „Ich bin nur noch traurig.“Die Worte von Pfarrer Silvanus Barikurungi treffen das Team des Trossinger Vereins „Ich helfe dir“hart. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie führen im ugandischen Dorf Kanyamukare, wo der Verein mehrere Hilfsprojekte begleitet, zur Verelendung von ganzen Familien. Und sogar in Trossingen ist der Verein mittlerweile aktiv, um Hunger zu verhindern.
„Wir versuchen zu helfen, wo es nur geht“, sagt Vereinsvorsitzende Claudia Mauch, „aber die Situation in Kanyamukare – in ganz Uganda – ist sehr schwierig und mit Deutschland nicht zu vergleichen.“Und auch wenn Uganda laut dem Auswärtigen Amt bisher von der Pandemie nur „weniger betroffen“war, so sind die wirtschaftlichen Folgen für die Menschen existenzbedrohend. „Viele im Dorf Kanyamukare arbeiten als Tagelöhner. Als es zum Lockdown kam, haben sie von heute auf morgen ihr Einkommen verloren und damit auch die Möglichkeit, Nahrung zu kaufen“, so Mauch. „In den vergangenen Jahren lag unser Schwerpunkt darauf, unseren Kindergarten, die Schule und die Krankenstation aufzubauen und zu unterstützen. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass die bitterarmen Familien Decken haben, damit sich die Kinder in den kalten Nächten zumindest zudecken können, wenn sie schon auf dem blanken Erdboden schlafen müssen“, blickt die Trossingerin zurück. „Doch jetzt reden wir über ganz andere Herausforderungen. Denn Pfarrer Silvanus betont immer wieder, dass nun das drängendste Problem der Hunger der Menschen ist. Die Situation ist so schlimm, dass er uns schon mehrfach gesagt hat, dass er einfach nur noch traurig ist.“
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Evelyn Klein, Schriftführerin und engagiertes Vorstandsmitglied, ist ebenfalls in Kontakt mit Pfarrer Silvanus. „Er berichtet davon, dass sich Covid-19 zunächst in den Städten ausgebreitet hat, jetzt aber auch die Dörfer erreicht.“Tests gebe es vor Ort so gut wie keine, eine intensivmedizinische Behandlung ebenso nicht. Klein, die selbst bereits in Uganda war, hat schon vor der Corona-Krise darüber gesprochen, dass die Armut als Besucher „manchmal kaum auszuhalten“sei.
„Wir überweisen nun monatlich 500 Euro. Auch wenn die Preise für Lebensmittel in Uganda extrem gestiegen sind, kann man mit dieser Summe noch einiges erreichen“, so Mauch weiter. „Pfarrer Silvanus entscheidet vor Ort selbst, wie er das Geld am geschicktesten einsetzt. „ Den Menschen fehlt es einfach an allem.“
Eigentlich wollte der Verein das ugandische Dorf dabei unterstützen, in Sachen Lebensmittelversorgung etwas unabhängiger zu werden. Doch ein Hühnerzuchtprojekt, welches gerade jetzt während der Krise eine wertvolle Stütze wäre, scheiterte. „Die Tiere sind fast alle gestorben, da hatten wir eine Seuche im Stall und auch die neuen Hennen fingen an zu kränkeln“, zeigt sich die Vereinsvorsitzende geknickt. Auch die Schweinezucht läuft nur unwesentlich besser. „Die Tiere fressen zu viel. Wir müssen Futter zukaufen und damit lohnt sich der finanzielle Aufwand kaum noch.“Obwohl Vereinsmitglieder beim Bau des Schweinestalls vor Ort waren, ist das Vorstandsteam überrascht darüber, dass das Projekt nicht so recht in Schwung kommen will. „Wir müssen aufpassen, dass wir Pfarrer Silvanus nicht mit zu vielen Problemfeldern belasten“, betont Mauch. Denn der Pfarrer übernimmt all diese Aufgaben ehrenamtlich und muss natürlich auch in seinem Beruf volle Leistung bringen.
Silvanus Barikurungi, der schon mehrmals in Trossingen als Urlaubsvertretung für Pfarrer Thomas Schmollinger eingesprungen ist, plagen auch private Sorgen. „In diesem Jahr konnte Silvanus wegen der Reisebeschränkungen nicht in Deutschland arbeiten und hat dadurch kein Geld verdient, mit dem er sonst seine Geschwister finanziell unterstützt“, zählt Claudia Mauch ein weiteres Problem auf, das an ihm nagt.
Doch zumindest einen Lichtblick gibt es: Trotz der Pandemie ist es den Helfern vor Ort bislang gelungen, den Kindergarten, die Schule und die Krankenstation offen zu halten. „Die Kinder bekommen dadurch jeden Tag eine warme Mahlzeit, was auch die Familien entlastet. Natürlich kann die Krankenstation keine Corona-Fälle behandeln, aber eben die bisherige medizinische Versorgung anbieten“, sagt Mauch.
Doch finanziell muss der Verein sich nun mehr strecken als sonst. „Neben
unseren laufenden Projekten müssen wir jetzt auch die Lebensmittel bezahlen, um die Menschen vor dem Verhungern zu bewahren“, sagt Mauch. Die 500 Euro, die der Verein derzeit monatlich nach Uganda für diese Soforthilfe überweist, sind für die Menschen lebensnotwendig. Doch wie lange wird die Krise noch dauern? „Wir halten das finanziell schon noch eine Weile durch“, sagt Claudia Mauch und will sich gar nicht vorstellen, wie die Situation vor Ort ohne die Lebensmittelspenden aussehen würde.
Evelyn Klein ergänzt: „Die Medikamente sind im Einkauf sündhaft teuer geworden. Gleichzeitig haben viele Menschen ihre Jobs verloren und können deshalb ihre Behandlung in der Krankenstation nicht mehr bezahlen.“Weil der Verein in solchen Fällen die Kosten übernimmt, muss er auch hier mehr zuschießen als in normalen Jahren.
Auch auf einem weiteren Gebiet ist der Verein derzeit gefordert. „Wir haben vom Trossinger Tafelladen gehört, dass die Lebensmittelspenden dort immer weniger werden, aber immer mehr Menschen auf die Hilfe angewiesen sind. Gerade Geringverdiener kommen oft mit dem Kurzarbeitergeld nicht mehr über die Runden. Für uns war klar, dass wir auch dort helfen“, so Claudia Mauch. Deshalb springt der Verein auch hier finanziell immer wieder ein.
„Nächstes Jahr hat unser Verein sein Zehnjähriges. Da wollten wir eine große Spendengala machen, auch, um wieder Geld zu sammeln. Doch daraus wird wohl coronabedingt nichts“, sagt sie. Zwar habe der Verein viele treue Spender, doch „wenn die Einnahmen nicht mehr werden, die Ausgaben aber steigen, dann schaffen wir das auch nicht unbegrenzt.“