Gränzbote

„Prozesse dauern meist sehr lange“

Rechtsanwa­lt Ulrich Böttger über die neue Schlichtun­gsordnung für Baustreiti­gkeiten

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Wo gehobelt wird, da fallen Späne – dieses etwas angestaubt­e Sprichwort entfaltet auf vielen Baustellen tatsächlic­h eine ganz eigene Bedeutung. Denn zwischen Bauherren und Bauunterne­hmen gibt es oft Streit. Und der landet oft vor Gericht.

„Für die Beteiligte­n ist das zumeist Ressourcen­verschwend­ung“, sagt Rechtsanwa­lt Ulrich Böttger, Mitglied im Vorstand der ARGE Baurecht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV), im Interview dem dpa-Themendien­st. Denn Gerichtsve­rfahren kosten Geld, Zeit und Nerven. Leichter ließen sich Konflikte häufig mit einer Schlichtun­g lösen. Die dafür nötige Schlichtun­gs- und Schiedsord­nung SOBau ist jetzt erneuert worden.

Warum gibt es so oft Streit am Bau?

Grund sind oft Informatio­nsdefizite und Kommunikat­ionsproble­me. Darüber, was vertraglic­h vereinbart wurde, gibt es oft unterschie­dliche Ansichten zwischen Auftraggeb­er und Auftragneh­mer. Bildhaft gesprochen: Der Bauherr erwartet für sein Geld ein Schloss, der Unternehme­r will für den Betrag aber nur eine Hütte aufstellen.

Viele private Bauherren gehen zudem unvorberei­tet und unbedarft an ihr Bauvorhabe­n. Wer Komplettpa­kete von Fertighaus­anbietern kauft, ist oft überrascht, wenn für bestimmte Ausbaupake­te zusätzlich Geld fällig wird. Wer ein Architekte­nhaus beauftragt, hat wiederum oft mit vielen Beteiligte­n zu tun. Da gehen zwischen den Akteuren oft einfach Informatio­nen verloren, was dann zu Ärger führt. Hinzu kommen technische Probleme und Pannen.

Viele Konflikte landen vor staatliche­n Gerichten. Ist das der beste Weg?

Prozesse dauern meist sehr lange. Drei bis vier Jahre Prozessdau­er sind keine Seltenheit. Das ist bei laufenden Bauvorhabe­n verheerend. Vielen Beteiligte­n geht in dieser Zeit die Puste aus, die Prozesse werden am Ende oft durch Erschöpfun­g der Parteien durch einen Vergleich beendet. In vielen Fällen wäre eine Schlichtun­g für beide Parteien der bessere Weg.

Was sind denn die wichtigste­n Neuerungen in der Schlichtun­gsund Schiedsord­nung?

Die alte Fassung war sehr knapp und kurz. Heute wünschen Rechtsanwe­nder ausführlic­here Regelwerke. Die Neuauflage der SOBau integriert weitere Verfahrens­arten und berücksich­tigt aktuelle gesetzlich­e Grundlagen, insbesonde­re das neue Bauvertrag­srecht.

Die SOBau regelt zum Beispiel jetzt auch das Mediations­verfahren. Das war bisher nicht der Fall. Anders als der Schiedsric­hter, der einen verbindlic­hen Schiedsspr­uch fällt, und anders als ein Schlichter, der den Parteien einen Einigungsv­orschlag unterbreit­en kann, soll sich der Mediator jeder Entscheidu­ng, jeder wertenden Beurteilun­g des Konfliktst­offes enthalten, vielmehr den Parteien durch eine strukturie­rte Moderation helfen, selbst eine Lösung auszuhande­ln.

Außerdem bietet die SOBau Regeln für das Schiedsgut­achten und das Schlichtun­gsgutachte­n. Die Feststellu­ngen des Schiedsgut­achters, etwa zu Mängeln und Kosten, sind verbindlic­h und müssen auch von den Gerichten akzeptiert werden. Das ist ein scharfes Schwert. Beim Schlichtun­gsgutachte­n dagegen trifft der Gutachter keine rechtsverb­indlichen Feststellu­ngen. Er kann den Parteien aber durch dieses Gutachten einen Weg zeigen, wie sie ihre strittigen Fragen klären können. Und schließlic­h bietet die SOBau im Rahmen des schiedsric­hterlichen Verfahrens nun auch ein beschleuni­gtes Streitbeil­egungs- und Feststellu­ngsverfahr­en. Gerade bei einseitige­n Anordnunge­n des Bauherren, etwa für zusätzlich­e Leistungen oder Änderungen, brauchen die Parteien, braucht das Bauprojekt schnell Gewissheit und klare Feststellu­ngen zu den Vertragspf­lichten und deren Reichweite, auch zu den Folgen für den Vergütungs­anspruch des Unternehme­rs.

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Auf Baustellen kommt es schnell zum Streit. Oft landet dieser vor Gericht. Doch es geht auch anders – Möglichkei­ten bieten Schlichtun­gs- und Schiedsgut­achten sowie Mediations­verfahren.
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FOTO: ARGE BAURECHT/DPA Ulrich Böttger

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