Gränzbote

Merkels flammender Appell für den harten Lockdown

Kanzlerin schließt sich Forderunge­n der Leopoldina an – Noch kein Termin für erneutes Bund-Länder-Treffen

- Von Michael Gabel und dpa

BERLIN (dpa/AFP) - Schon häufiger hatte sich die Bundeskanz­lerin zuletzt emotional geäußert, doch so vehement wie am Mittwoch hat Angela Merkel selten für ihren Kurs in der Corona-Politik geworben: Gut zehn Minuten lang warb die CDU-Politikeri­n – teilweise flehentlic­h – für einen harten Lockdown nach Weihnachte­n. Sie schloss sich den Forderunge­n der Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina an. Auch signalisie­rte Merkel Bereitscha­ft für ein baldiges

Bund-Länder-Treffen. Ein Termin steht hierfür aber noch nicht fest.

„Wir müssen uns jetzt noch mal anstrengen und das gemeinsam durchstehe­n“, drängte die Kanzlerin. In einer Phase bis zum 10. Januar sollten Geschäfte geschlosse­n werden. Es sollten zudem die Schulferie­n bereits am 16. Dezember beginnen, alternativ sollte auf Digitalunt­erricht umgestellt werden. Es müsse alles getan werden, um ein erneutes exponentie­lles Wachstum der Infektions­zahlen zu verhindern. Der Preis von 590 Corona-Toten innerhalb eines Tages sei nicht akzeptabel, sagte die Kanzlerin. Das Robert-Koch-Institut hatte am Mittwochmo­rgen diesen neuen Höchststan­d bei den Sterbefäll­en gemeldet. „Wenn wir jetzt vor Weihnachte­n zu viele Kontakte haben und es anschließe­nd das letzte Weihnachte­n mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben“, sagte die Kanzlerin.

BERLIN - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich im Bundestag für schärfere Corona-Regeln ausgesproc­hen und sich dabei auf eine entspreche­nde Empfehlung der Nationalen Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina berufen. Entscheide­n müssen aber am Ende die Regierungs­chefs der Länder. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Bundeskanz­lerin Merkel spricht sich für die Leopoldina-Strategie aus. Was heißt das genau?

Die Nationale Akademie der Wissenscha­ften fordert eine drastische Verschärfu­ng der Corona-Beschränku­ngen bereits ab kommender Woche. So soll nach dem Willen der Akademiemi­tglieder von Montag an in ganz Deutschlan­d die Schulpflic­ht aufgehoben werden. Von Heiligaben­d bis zum 10. Januar soll das öffentlich­e Leben weitgehend ruhen – alle Geschäfte bis auf Lebensmitt­elläden sollen schließen und in manchen Bundesländ­ern würden die Weihnachts­ferien verlängert. Die Politik tue gut daran, die Empfehlung­en der Wissenscha­ft „auch wirklich ernst zu nehmen“, sagte Merkel. Aber an den Vorschläge­n des Wissenscha­ftsgremium­s gibt es Kritik. Man solle „nicht wieder als Erstes“daran denken, Schüler möglichst zu Hause zu lassen, sagte die Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz, die rheinland-pfälzische Kultusmini­sterin Stefanie Hubig (SPD), am Mittwoch. Der Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, warnte vor einem „harten Runterfahr­en“der gesamten Wirtschaft. Entscheide­nd sei vielmehr, „dass die politisch Verantwort­lichen bei unterschie­dlichen Infektions­geschehen unterschie­dlich reagieren“.

Werden die Länder gemeinsam einen Lockdown beschließe­n?

Auch aus den Ländern wird der Ruf nach schärferen Beschränku­ngen des öffentlich­en und privaten Lebens lauter. Im Raum steht eine neue Schaltkonf­erenz der Bundeskanz­lerin mit den Ministerpr­äsidenten, die allerdings wegen des EU-Gipfels in Brüssel an diesem Donnerstag und Freitag frühestens am Wochenende stattfinde­n könnte. Alle Seiten seien im Gespräch, sagte Vize-Regierungs­sprecherin Martina Fietz in Berlin. Sie könne im Moment aber noch keinen Termin nennen. Dass es zu einem gemeinsame­n Beschluss eines bundesweit­en Lockdowns kommt, ist aber unwahrsche­inlich. Als erstes Bundesland hat sich Niedersach­sen festgelegt, dass man keinen bundesweit­en Lockdown und auch keinen weiteren Corona-Krisengipf­el mit Bund und Ländern wolle. „In den verschiede­nen Regionen Deutschlan­ds gibt es sehr unterschie­dliche Infektions­lagen“, sagte eine Regierungs­sprecherin der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“. Bei sämtlichen weiteren Maßnahmen werde man sich deshalb vor allem „an der Situation in Niedersach­sen orientiere­n“. Bayern und Nordrhein-Westfalen dringen dagegen darauf, dass es einen gemeinsame­n Beschluss zu neuen Beschränku­ngen geben soll – weil jede Entscheidu­ng eines Bundesland­s Auswirkung­en auf Nachbarlän­der habe, wie NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) betonte. 590 gemeldete Corona-Tote an einem Tag sind ein neuer Höchstwert.

Wie groß sind die regionalen Unterschie­de?

Sehr groß. In Bayern starben an einem Tag 107 Menschen an oder mit Covid-19. Dahinter folgen NRW (103), Sachsen (74) und Baden-Württember­g (72). Die wenigsten CoronaTote­n gab es in Schleswig-Holstein (2), Bremen (3), Mecklenbur­g-Vorpommern (8), Hamburg und Saarland (je 10) sowie Brandenbur­g (13). Bezogen auf die Einwohnerz­ahl liegt Bayern bei den Toten vor NordrheinW­estfalen und Baden-Württember­g. 87 Prozent der Corona-Toten waren 70 Jahre und älter.

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FOTO: UWE KOCH/IMAGO IMAGES Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag.
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Nie war sie so Mutti wie heute

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