Gränzbote

Hochwasser überrascht Venedig

Wenige Zentimeter entscheide­n über Flut – Regierung aktiviert „Mose“zu spät

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VENEDIG (dpa) - Wieder einmal mussten die Menschen in Venedig zu den Gummistief­eln greifen. Unwetter mit starkem Regen und kräftigem Wind hatten die Wassermass­en am Dienstag auf die Plätze und in die Gassen der historisch­en Altstadt dringen lassen. Auf dem berühmten Markusplat­z wateten Menschen knietief durch die Brühe. Erst in der Nacht zu Mittwoch fuhren die Behörden das Flutschutz-System „Mose“hoch. Am Vormittag war das Wasser wieder abgeflosse­n.

Eigentlich sollte die Lagunensta­dt gegen „Acqua Alta“, wie Hochwasser auch bezeichnet wird, sicher sein. Im Oktober war das viel kritisiert­e und gleichzeit­ig lang herbeigese­hnte „Mose“-Projekt in Betrieb gegangen. An drei Zuflüssen zur Lagune können knapp 80 gelbe Barrieren aus dem Wasser gefahren werden. Diese sollen das Wasser zurückhalt­en und die Stadt schützen.

Fast sechs Milliarden Euro hat das Bauprojekt gekostet und war über Jahrzehnte geplant worden. Vor etwa 17 Jahren war der erste Spatenstic­h.

Doch Korruption, Bürokratie, fehlende Entscheidu­ngen, politische und wirtschaft­liche Eigeninter­essen zögerten das Großprojek­t lange hinaus.

Am vergangene­n Sonntag hatte Venedigs Bürgermeis­ter, Luigi Brugnaro, noch den Erfolg der Fluttore gelobt. Das System sei 40 Stunden aktiv gewesen und habe zwei Hochwasser­wellen von 130 Zentimeter­n abgewehrt, hatte er auf Twitter geschriebe­n. Zuvor wurde es schon einige wenige Male gegen Hochwasser in Gang gesetzt.

„Mose“befindet sich immer noch in einer Art Erprobungs­phase, und darüber hinaus sorgen Zuständigk­eiten innerhalb der Politik für Ärger. Denn die Entscheidu­ng, wann die Fluttore an den drei Zufahrten zur Lagune hochgefahr­en werden, fällt derzeit nicht die Stadt, sondern die von der Regierung in Rom bestellte Kommissari­n Elisabetta Spitz. Das ärgert vor allem Bürgermeis­ter Brugnaro.

„Heute hat man gesehen, dass die Stadt diese Entscheidu­ng treffen sollte“, sagte er der Zeitung „La Repubblica“. Der Bürgermeis­ter von Venedig müsse diese Situatione­n bewerten, weil er das Problem des Hafens von Venedig kenne.

Für den Einsatz von „Mose“sind zudem die Vorhersage­n der für Flutprogno­sen zuständige­n Behörde wichtig. Am Dienstag hatte diese zunächst einen Höchststan­d von 125 Zentimeter­n über dem Normalwert prognostiz­iert.

„Mose“wird derzeit jedoch erst ab einer Vorhersage von 130 Zentimeter­n aktiviert. Schlussend­lich hätten starke Winde aus Richtung Kroatien binnen kurzer Zeit die Wassermass­en auf rund 140 Zentimeter anschwelle­n lassen, erklärte Brugnaro am Dienstagab­end. Zu spät für „Mose“, denn das Anschalten brauche einen Vorlauf von bis zu 48 Stunden.

Man könne da nicht einfach nur auf einen Knopf drücken, zitierte eine Zeitung Kommissari­n Spitz. „Man müsse das System vielleicht schon bei niedrigere­n Pegelständ­en in einen Vor-Alarmzusta­nd versetzen“, schlug Brugnaro vor.

Verärgert übr die jüngste Überschwem­mung sind die ohnehin schon von der Corona-Pandemie geplagten Ladenbesit­zer, in deren Geschäfte das Wasser drang. Auch für den bei Touristen beliebten Markusdom ist das salzige Wasser Gift. Die Situation sei dramatisch gewesen, zitierten Medien den Prokurator des Doms, Carlo Alberto Tesserin. Das Wasser setze den Mosaiken zu.

Venedig leidet regelmäßig unter Überschwem­mungen, aufgrund des gestiegene­n Meeresspie­gels ist das „Acqua alta“mittlerwei­le eine echte Bedrohung für die bei Touristen beliebte Stadt. Im November vergangene­n Jahres wurde ein Rekord-Hochwasser von 1,87 Metern gemessen – so hoch stand der Pegel zuletzt im Jahr 1966.

Seit dem vergangene­n Wochenende regnet und schneit es heftig in Teilen Italiens. Betroffen ist vor allem der Nordosten des Landes, zu dem auch Venedig gehört. Starke Schneefäll­e hatten etwa in Südtirol den Straßen- und Schienenve­rkehr zeitweise zum Erliegen gebracht.

 ?? FOTO: ANTEO MARINONI/DPA ?? Ein Bild aus Venedig, das es nicht mehr geben sollte: Eine Passantin bahnt sich ihren Weg durch den überflutet­en Markusplat­z. Starke Regenfälle und steigende Pegel hatten Teile der Stadt überflutet. Das Schutzsyst­em „Mose“wurde nicht aktiviert.
FOTO: ANTEO MARINONI/DPA Ein Bild aus Venedig, das es nicht mehr geben sollte: Eine Passantin bahnt sich ihren Weg durch den überflutet­en Markusplat­z. Starke Regenfälle und steigende Pegel hatten Teile der Stadt überflutet. Das Schutzsyst­em „Mose“wurde nicht aktiviert.

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